In "Conrads fesselnde politische Romane" entfaltet Joseph Conrad seine meisterhafte Fähigkeit, komplexe politische Themen und menschliche Dilemmas zu verweben. Der Autor erhellt die dunklen Ecken der imperialistischen Expansion und reflektiert die moralischen Spannungen, die in der Kolonialzeit vorherrschten. Stilistisch geprägt von einer dichten, atmosphärischen Prosa, schafft Conrad es, Leser in die Psyche seiner Figuren zu ziehen, während er gleichzeitig kritische gesellschaftliche Fragen auf wirksame Weise aufwirft. Mit Werken wie "Herz der Finsternis" und "Lord Jim" untersucht er die Unzulänglichkeiten der Zivilisation und die Abgründe der menschlichen Seele, was in einer Zeit politischer Umbrüche von anhaltender Relevanz ist. Joseph Conrad, ein polnisch-britischer Autor des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, brachte seine persönlichen Erfahrungen als Seeleute und Immigrant in seine literarische Arbeit ein. Sein tiefes Verständnis für die Schiffsreise, die auch eine Metapher für die Reise ins Unbekannte ist, prägt die emotionalen und ästhetischen Dimensionen seiner Romane. Die Herausforderungen, denen er in seinem Leben begegnete, beeinflussten seine kritische Perspektive auf Macht, Moral und die menschliche Natur. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der sich mit den komplexen Wechselwirkungen zwischen Politik und Menschlichkeit auseinandersetzen möchte. Conrads analytischer Blick und seine fesselnden Erzähltechniken laden den Leser ein, über die historischen Wirtschafts- und Machtstrukturen nachzudenken, während sie in die fesselnde Welt seines Schreibens eintauchen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2024In den Häfen
spuken die Geister
In den Abkürzungen steckt die Moderne. Es gibt noch Segelschiffe, aber das Kommando über die Handelsaktivitäten im Hafen von Sulaco führt die OSN, die Oceanic Steam Navigation Company. Die Dampfschiffe werden von Kapitalströmen umspült. In Joseph Conrads „Nostromo“, 1904 erschienen, klingt der Name des Titelhelden nach Magie, die südamerikanische Republik Costaguana wie erfunden (und ist es auch), und in der Silbermine spuken die Geister der Schatzsucherei. Aber nicht die Geister rumoren, sondern die Befreiungsbewegungen der indigenen Bevölkerung. Die politischen Akteure verbünden sich mit dem Pressewesen. Conrad überführt den Abenteuerroman in die industrielle Welt. In der Abgründigkeit der Figuren steckt deren Kritik. „Geschäftsleute sind oft ebenso lebhaft und einfallsreich wie Liebende.“ Das ist ein Schlüsselsatz.
LOTHAR MÜLLER
Joseph Conrad:
Nostromo. Roman.
Aus dem Englischen
übersetzt von Julian
Haefs und Gisbert
Haefs. Mit einem
Nachwort von Robert
Menasse. Manesse
Verlag, München 2024.
560 Seiten, 38 Euro
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spuken die Geister
In den Abkürzungen steckt die Moderne. Es gibt noch Segelschiffe, aber das Kommando über die Handelsaktivitäten im Hafen von Sulaco führt die OSN, die Oceanic Steam Navigation Company. Die Dampfschiffe werden von Kapitalströmen umspült. In Joseph Conrads „Nostromo“, 1904 erschienen, klingt der Name des Titelhelden nach Magie, die südamerikanische Republik Costaguana wie erfunden (und ist es auch), und in der Silbermine spuken die Geister der Schatzsucherei. Aber nicht die Geister rumoren, sondern die Befreiungsbewegungen der indigenen Bevölkerung. Die politischen Akteure verbünden sich mit dem Pressewesen. Conrad überführt den Abenteuerroman in die industrielle Welt. In der Abgründigkeit der Figuren steckt deren Kritik. „Geschäftsleute sind oft ebenso lebhaft und einfallsreich wie Liebende.“ Das ist ein Schlüsselsatz.
LOTHAR MÜLLER
Joseph Conrad:
Nostromo. Roman.
Aus dem Englischen
übersetzt von Julian
Haefs und Gisbert
Haefs. Mit einem
Nachwort von Robert
Menasse. Manesse
Verlag, München 2024.
560 Seiten, 38 Euro
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