Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 4,90 €
  • Gebundenes Buch

Kapitalismus frißt seine Kinder – Benjamin Barbers provozierende These
Ein neues Ethos prägt das Gesicht des globalen Kapitalismus: überflüssige Güter werden in großer Zahl produziert, Kinder zu Konsumenten gemacht und Erwachsene in infantile Schnäppchenjäger transformiert. Zielte früher die Wirtschaft auf die Herstellung richtiger und nützlicher Produkte, so ist die neue verbraucherorientierte Ökonomie darauf aus, Bedürfnisse und Marken zu schaffen. An die Stelle eines demokratischen Kapitalismus ist eine infantile Konsumwelt getreten, deren Pathologien die Freiheit der liberalen Welt…mehr

Produktbeschreibung
Kapitalismus frißt seine Kinder – Benjamin Barbers provozierende These

Ein neues Ethos prägt das Gesicht des globalen Kapitalismus: überflüssige Güter werden in großer Zahl produziert, Kinder zu Konsumenten gemacht und Erwachsene in infantile Schnäppchenjäger transformiert. Zielte früher die Wirtschaft auf die Herstellung richtiger und nützlicher Produkte, so ist die neue verbraucherorientierte Ökonomie darauf aus, Bedürfnisse und Marken zu schaffen. An die Stelle eines demokratischen Kapitalismus ist eine infantile Konsumwelt getreten, deren Pathologien die Freiheit der liberalen Welt bedrohen.
Erstmals in der Geschichte glaubt eine Gesellschaft, daß ihr ökonomisches Überleben von einer Kultur abhängt, die Infantilisierung statt Reife und Verantwortlichkeit fördert. Der Konsumkapitalismus braucht das infantile Ethos, weil er das Einfache dem Komplexen vorzieht und Spaß und Freizeit anstatt Disziplin und Verzicht favorisiert. Infantilisierung ist jedoch nicht nur eine Marketingstrategie, sondern ein kulturelles Ethos. Zusammen mit einer Ideologie der Privatisierung und einer Homogenisierung des Geschmacks stützt dieses Ethos den Konsumkapitalismus, allerdings auf Kosten der Kultur und um den Preis einer wachsenden Gefährdung des Kapitalismus selbst. Entweder, so Benjamin Barbers provokante These, wird der Kapitalismus das infantile durch ein demokratisches Ethos ersetzen und Gleichheit wieder ebenso fördern wie Profit, Vielfalt ebenso wie Konsum, oder die Infantilisierung wird nicht nur die Demokratie, sondern auch den Kapitalismus selbst zugrunde richten.

"Die Botschaften in diesem Buch sind wichtig. Barber benennt Dinge, die benannt werden müssen – die Exzesse des Konsumkapitalismus, die schädlichen Effekte des schleichenden Neoliberalismus und die Konsequenzen des omnipräsenten branding."
New York Times Book Review
Autorenporträt
Benjamin R. Barber ist Professor of Civil Society an der University of Maryland und einer der einflußreichsten Politikwissenschaftler der USA. Er war innenpolitischer Berater der Clinton-Regierung. Buchveröffentlichung, Auszeichnung 2001 mit dem Berlin-Preis der American Academy.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2009

Mir ist Krise ein allzu nonchalantes Wort
Benjamin R. Barber rechnet mit dem Shopping ab

"Die Zeit der Wunschzettel ist vorbei", erläutert der Regierungssprecher den Krisenbegriff. Wie falsch! "In Zeiten wie diesen" (hessisches CDU-Wahlplakat) geht die Zeit der Wunschzettel erst richtig los. Krisenzeit heißt "Wünsch dir was!", sie wagt den Ausgriff ins Mögliche, treibt einen Reichtum der Perspektiven hervor, ist im Ursinne Entscheidungssituation, wie es noch die englische Redewendung We must bring things to a crisis verdeutlicht.

Wir sollten uns mit dieser Sicht der Dinge wappnen, bevor wir zu einem Buch wie dem des amerikanischen Politikwissenschaftlers Benjamin R. Barber greifen. Unter dem Titel "Consumed!" rechnet Barber in der Wirtschaftskrise mit unserer Konsumkultur ab, der Verlag hat noch den dröhnenden Untertitel hinzugefügt: "Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie untergräbt". Markige Antworten, aber was war noch mal die Frage?

Die Auseinandersetzung mit dem Buch lohnt gleichwohl, weil sie für einen Typus von Kulturkritik steht, der verführerisch ist, aber dennoch voll danebenliegt. Warum liegt solche Kulturkritik, die verwegen aufs Ganze geht, voll daneben? Weil sie in Krisenzeiten über Strukturen jammert, wo sie besser nach den Kräften und Eigenschaften fragen sollte, die ein Mensch mobilisieren kann, um stark zu bleiben und gegebenenfalls schnell wieder auf die Beine zu kommen. Es ist diese individuelle Perspektive, die einen Mehrwert verspricht: Ändert sich der Mensch, wenn er in Schwierigkeiten gerät? Wird er beweglicher, wesentlicher? Oder wird er zum Getriebenen seiner Befürchtungen? Barber hat für solche Fragen keine Antenne. Er kritisiert Konsumismus, ja Hyperkonsumismus - ohne zu sagen, wo Konsumismus endet (bei der Zweitzahnbürste?) und Hyperkonsumismus beginnt (beim Flachbildschirm?).

Stattdessen die flächige Abrechnung mit dem System Kapitalismus, mit Marketing, Werbung und Shopping: "Der Konsumismus hat etwas Aggressives, ja sogar Totalisierendes an sich. Faktisch werden die mannigfachen Sektoren, auf denen die Vielfalt der Kultur beruht, kolonisiert und ersetzt durch eine homogenisierte Umgebung aus Marketing, Werbung und Shopping - falsche Gefühle und simulierte Empfindungen - sowie durch massenhafte popkulturelle Waren, die den kulturellen Pluralismus einengen."

Barbers Perspektive ist falsch gewählt. Der kulturelle Pluralismus ist nichts, was sich gesamtgesellschaftlich herstellt, sondern nur in den Herzen und Köpfen Einzelner. Dort werden die Wunschzettel geschrieben, dort entstehen Gefühle und Empfindungen, und ob sie falsch sind oder echt, ob simuliert oder authentisch - das hängt davon ab, wie es uns gefällt (Shakespeare), und ist nicht determiniert durch den konsumistischen Grad der Umgebung (Barber). Umgebung ist für den Krisengewinnler nur ein Rauschen.

Nebenbei gefragt: Welche Umgebung wäre so ursprünglich, dass sie nicht von irgendetwas kolonisiert wäre? Zerfällt sie nicht als Umgebung, kaum dass die Spuren ihrer Kolonisation unsichtbar werden? Man könnte eine Umgebung gar nicht wahrnehmen, hätte sie nicht bis zu einem gewissen Grad ein homogenisiertes Aussehen. Kein Wald ohne Aufforstung, ohne den Kolonialherrn namens Förster. Welches utopische Reinheitsideal verficht Barber, wenn er von einer durch Marketing, Werbung und Shopping unberührten Kultur der Sektoren träumt? Sektorales Denken lässt Kulturkritik in die Irre laufen. Glaubt Barber an die Reinkultur? Und übersieht, dass alles Reale ein Synkretismus ist, jede Kultur Fusionskultur?

Krise und Krisengerede bedingen einander. Das Deutungsmuster Krise hat die Tendenz zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung (es prägt die Wahrnehmung von Situationen, die es angeblich nur beschreibt). "Mir ist Krise ein allzu nonchalantes Wort", schreibt Gottfried Benn im "Radardenker". Recht hat Benn. Ein Krisenszenario ist ein spektakulärer, dramatisch-theatralischer Befund, der zum Teil höchst heterogene Phänomene bündelt. Es dient immer auch der Selbstermächtigung der Krisenmanager, ihrer Sparpläne und Therapien. Barber indessen verwechselt den Krisendiskurs mit der Krise selbst. Deshalb wird er zum haltlosen Alarmisten: Durch den Konsumismus sieht er die Demokratie bedroht und das Kulturwesen Mensch vor seiner Selbstabschaffung. Werbung, Marketing und Shopping bilden eine Achse des Bösen. Der letzte Konsumist macht das Licht aus.

In solcher Wahrnehmung schießen obsessive Phantasien ins Kraut. Barber boykottiert die intellektuellen Tugenden, auf die es in der Krise ankommt: Affektregulierung, die Fähigkeit zur angemessenen Mentalisierung, also die Bereitschaft, seine Gedanken und Gefühle nicht einfach als Abbild der äußeren Realität zu nehmen. Der hysterische Grundton des Buches hat viel damit zu tun, dass Barber die Unmittelbarkeit des Erlebens nicht suspendieren kann. Ihm fehlt der Spielraum, um über die angsterregenden Vorstellungen, die er sich vom Konsumismus macht, noch einmal nachdenken zu können.

Macht nichts. Denn unfreiwillig befördert Barbers kulturpessimistisches Manifest den Kulturoptimismus. Der Leser versteht: Kultur wächst, um zu überleben, ständig über sich hinaus. Jede Bedrängnis setzt an den Rändern vitale Kräfte frei. Auf diese lohnt sich zu achten, nicht auf den Homogenisierungsdruck im Zentrum. Kultur ist ein Oppositionsphänomen. Sie entsteht nicht trotz, sondern wegen der Schwierigkeiten, in die sie gerät. Es bedarf dafür bloß derer, die unter dem Druck, kolonisiert zu werden, zu Partisanen werden. Und im überraschenden Wechsel von Angriff und Rückzug ihr Wertvollstes verteidigen: ihre eigene, aus kräftigen Wurzeln genährte Kultur. Die verteidigen sie im Zweifel gern auch gegen sich selbst. Und machen so unter Druck die beste Figur: grace under pressure.

Warum verschließt der Autor vor so viel Denk- und Tatkraft des Bürgers die Augen? Warum sieht er überall nur verführte und infantilisierte - Opfer? Benjamin Barber ist leider nicht der Mann, der sich in schweren Zeiten hinsetzt und Wunschzettel schreibt. Er ist kein Krisenmanager. Er ist ein Schwarzseher, der uns verrückt machen will.

CHRISTIAN GEYER

Benjamin R. Barber: "Consumed!" Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie untergräbt. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. Verlag C. H. Beck, München 2008. 395 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Benjamin Barbers Buch "Consumed" hat Gert G. Wagner keineswegs überzeugt. Die umfassende Konsumismus-Kritik des Politologen scheint ihm nicht nur zu undifferenziert, sondern auch voll von Widersprüchen. Auch wenn er dem Autor hinsichtlich der Bedeutung des sozialen Engagements für den Zusammenhalt einer Gesellschaft zustimmt, widerspricht er ausdrücklich dessen These vom gegenwärtigen Untergang des Engagements aufgrund eines pervertierten Konsumverhaltens, das aus Bürgerinnen und Bürgern infantilen Idioten mache. Er hält dem Autor im Detail zahlreiche Widersprüche vor, ärgert sich über die Unterschlagung von historischen und aktuellen Fakten und moniert kleinere Fehler. Außerdem missfällt Wagner das exzessive Name-Dropping, das Barber betreibt. Für ihn insgesamt ein "wirres Buch".

© Perlentaucher Medien GmbH