Unter Napoleon III. (1808-1873), der sich 1851 per Staatsstreich zum Kaiser "von Volkes Gnaden" proklamierte, wurde die Photographie zum beliebten "Spielzeug" der Reichen, Schönen und Mächtigen. Sein Hof bediente sich systematisch des neuen Mediums, u.a. in Form von Sammelalben, und brachte zwei Persönlichkeiten hervor, die je auf ihre Art Photogeschichte schrieben. Catharina Berents und Wolfgang Kemp stellen diese beiden Protagonisten des Second Empire vor, eine photogene Femme fatale und einen begnadeten Amateur." La Castiglione" (1837-1899), eine umworbene Schönheit aus dem italienischen Hochadel, wurde berühmt als Modell, als Verkleidungskünstlerin im höfischen Festereigen und als Agentin mit dem geheimen Auftrag, den Kaiser zu verführen und für die italienische Unabhängigkeit zu gewinnen. Die Rollen zu wechseln wie ihre Roben war der Lebensinhalt der Contessa di Castiglione, die von 1856 bis 1857 tatsächlich die Geliebte Napoleons III. war. Über 400 selbst inszenierte Portraits ließ sie von Pierre-Louis Pierson anfertigen, dem Mitbesitzer des Ateliers Mayer & Pierson, das auch der Kaiser und der ganze Hof häufig frequentierten. Die berühmte Aufnahme der Contessa mit einem kleinen Bilderrahmen vor dem Gesicht sollte später zu einer feministischen Ikone werden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Bernd Stiegler staunt über die Selbstinszenierung der Contessa in Catharina Berents Buch mit frühen französischen Fotografien. Die gedungene Geliebte von Napoleon III. erscheint ihm wahlweise kostümiert als Herzdame oder parallelgeschichtlich als Pompadour. Für Stiegler ergibt sich aus den sorgfältig komponierten und von Künstlern wie Pierson oder Mayer abgelichteten Tableaux so etwas wie eine Sittengeschichte des kaiserlichen Hofes. Ohne genau zu wissen, wo die Inszenierung eigentlich anfängt, informiert sich der Rezensent gut in den von Berents beigesteuerten Begleittexten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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