Produktdetails
  • Sammlung Zenodot
  • Verlag: Contumax
  • Seitenzahl: 152
  • Erscheinungstermin: 30. Mai 2008
  • Deutsch
  • Abmessung: 220mm x 170mm x 11mm
  • Gewicht: 275g
  • ISBN-13: 9783866404304
  • ISBN-10: 3866404301
  • Artikelnr.: 23883258

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2008

Das Laster des Kohlenschiffers
Ein Segen für die Mannschaft: Georg Forster über seinen Kapitän James Cook
Ein Schiff ist wie ein Gefängnis, sagte Samuel Johnson einmal, nur dass man zudem noch die Chance hat, unterzugehen. Wenigstens für Johnsons Zeit ist da einiges dran; Georg Forster berichtet, dass es während der zweiten Cook’schen Weltumsegelung üblich gewesen sei, stundenlang an Deck spazieren zu gehen – nur habe man immer schon „beym zwölften oder fünfzehnten Schritt” umdrehen müssen. Gerade dreißig Meter lang war die „Resolution”, zehn Meter breit, und unter Deck kaum ein Meter fünfzig hoch. Rettungsboote gab es übrigens keine.
Dabei waren die Entdeckungsfahrten zu Zeiten von Forster, Cook und Johnson noch im wahrsten Sinne Fahrten ins Blaue. Das Kartenwerk war höchst unzuverlässig, und wer den vierzigsten Grad südlicher Breite überquerte oder bis in den Pazifik vorstieß, der musste eigentlich immer noch damit rechnen, von der Erde runterzufallen. Dabei war Fernando de Magellans erste Weltumsegelung zu diesem Zeitpunkt bereits zweieinhalb Jahrhunderte her. Seitdem allerdings herrschte Flaute an der Entdeckerfront.
Dafür gab es viele Gründe. Erst James Cook schaffte einige, und zwar die schwerwiegendsten, aus der Welt. In seiner Schrift „Cook, der Entdecker”, die gerade mit acht neu entdeckten Zeichnungen des Autors wieder aufgelegt wurde, würdigt Georg Forster diese Leistungen, wie man heute jemanden würdigen würde, der ein Heilmittel gegen Aids oder Krebs entdeckt hat. Und tatsächlich sind Cooks Leistungen in der Summe staunenswert. Dabei waren seine Voraussetzungen, einer der berühmtesten Menschen seiner Zeit zu werden, keineswegs gut. Aus einfachen Verhältnissen stammend, fuhr er fünfzehn Jahre lang als Matrose auf Kohlenschiffen die englische Küste entlang. Irgendwann aber entdeckte er sein Talent als Nautiker, vertiefte sich ins Studium der Mathematik und wurde bald von der englischen Regierung nach Neufundland geschickt, um die Küstenlinie dieses für den Fischfang bedeutenden Gebiets zu kartografieren. Dabei bewies er größten Arbeitseifer und enorme Begabung.
Als dann 1768 eine Expedition ausgerichtet wurde, um den Durchgang der Venus auf der anderen Seite der Welt – Tahiti – zu beobachten, benannte die Admiralität ihn zum Leiter der Unternehmung – obwohl er erst den Rang eines Leutnants innehatte.
Sie tat gut daran. Cook war Zivilist und legte deswegen keinen Wert auf eine schnelle, hochgerüstete Fregatte, stattdessen wählte er ein Kohlenschiff für seine Reise aus, ein robustes Boot mit geringem Tiefgang. Außerdem ließ er, um der Skorbut vorzubeugen, sechzig Fässer Sauerkraut mit an Bord nehmen. Er entdeckte überdies, dass Eisschollen aus Süßwasser bestehen. So konnte er seine Mannschaft, als er sich auf der zweiten Weltumsegelung, an der auch Forster teilnahm, dem Südpol näherte, mit Frischwasser versorgen.
Ohne Wein und Weib
Überhaupt hatten es seine Leute bei ihm besser als bei anderen Kapitänen. So schaffte er die kräftezehrenden Zwölf- und 24-Stunden-Schichten ab; fortan musste jeder nur noch acht Stunden am Stück arbeiten. Von den 120 Leuten, die auf seiner zweiten Expedition dabei waren, starb in den drei Jahren auf See nur einer. Üblich waren bis dahin Mortalitätsraten um die dreißig Prozent.
Damit waren die Voraussetzungen für längere Seereisen geschaffen (vor Cook trachtete man, in spätestens zwei Jahren zum Ausgangspunkt zurückzukehren). Cook sorgte als Kartograf auch dafür, dass unzählige Küsten, Häfen und Riffe auf Seekarten verzeichnet wurden, ja er entdeckte mehr Länder als irgendein Mensch seit Christoph Kolumbus.
Wie Forster berichtet, war Cook durchaus ein von Ehrgeiz getriebener Mann, einer, der sich ganz seinem Ziel verschrieb. Asketisch schon vom Äußeren her, kannte er keine andere Freude als die der Seefahrt. „Er liebte weder den Wein noch das Frauenzimmer”, schreibt Georg Christoph Lichtenberg in biographischen Notizen über James Cook, die auf Erzählungen seines Freundes Georg Forster und von dessen Vater beruhen, dem neu erschienenen Band aber leider nicht beigegeben sind.
Selbst auf Tahiti wurde Cook nicht schwach. Dabei stiegen, wie Forster schreibt, die „Ausschweifungen des Schifsvolks ... in der That nirgends höher als in O-Waihi, wo die vorzügliche Schönheit und Weisse der Frauenzimmer nur noch von ihrer Gefälligkeit übertroffen ward. Am Abend, wenn jeder bereits ein Mädchen gewählt hatte, standen noch zuweilen hunderte ledige auf dem Verdeck, die umsonst auf einen Liebhaber gehoft hatten. Bey einbrechender Nacht sprungen sie dann zugleich ins Meer, und schwammen ans Ufer zurück.”
So lebendige Schilderungen finden sich in „Cook, der Entdecker” leider selten. Anders als mit dem viel längeren Bericht „Reise um die Welt” tat sich Forster mit dieser Hagiographie anscheinend schwer. Cook selbst bleibt seltsam leer, ein Held, ein Genius zwar, aber kein Mensch. Eher ein kalter Fisch. „Etwas, was den Namen eines Lasters verdiente, ist mir indessen nicht bei ihm vorgekommen”, so Lichtenberg. Dabei erscheint einem diese vermeintliche Tugendhaftigkeit seltsam verbohrt und insofern nicht weniger lasterhaft. In seltenen Fällen konnte Cook aufbrausend sein. Sonst aber schien ihm geradezu etwas Fühlloses, ja Menschenfeindliches eigen, wie Lichtenberg erzählt: „Man schreibt mit Recht seinem Aufenthalt in diesen wilden Einöden einen Teil des finstern Wesens und der ungeselligen, oft zu weit getriebenen Zurückhaltung zu, die man nachher an ihm bemerkte.”
Die Zurückhaltung mag auch damit zusammenhängen, dass die späteren Genossen am Kapitänstisch – Forsters Vater und Sir Joseph Banks – von anderem Stand und anderer Bildung waren und auf Cook wohl ein wenig herabgeschaut haben. Etwas von diesem Dünkel schwingt noch mit, wenn Georg Forster, den einfallsreichen Cook vorgeblich lobend, schreibt, es sei „gerade das systematische Wissen, was einem sonst guten Kopfe den Zugang zu neuen Ideen verschließt”.
Das Pulverhorn fängt Feuer
Bei Goethe dagegen stand der Kapitän in höchstem Ansehen, in derart hohem, dass er meinte, es sei „schön, dass er so umkam”. Denn ein „Mensch, der vergöttert wird, kann nicht länger leben und soll nicht, um seinet- und anderer willen”. Uns heutigen allerdings erscheint Cook seltsam steril, ein Fossil aus vergangener Zeit. Nur einmal rückt er einem nahe, und dies auch nur in Lichtenbergs Beschreibung. Da fängt sein Pulverhorn Feuer und zerschlägt ihm den Daumen der rechten Hand. Ein guter Chirurgus hatte ihn zwar bald geheilt, „allein Cook konnte sich doch beim Schreiben des Daumens nicht mehr bedienen und hielt seit der Zeit immer die Feder zwischen dem Mittel- und Zeigefinger”. Bei allem, was ihm so glänzend gelang: Erst durch das Missgeschick erhält seine Figur menschliche Züge. TOBIAS LEHMKUHL
GEORG FORSTER: Cook, der Entdecker. Mit acht Farbtafeln. Eichborn Verlag, Frankfurt 2008. 176 S., 24,95 Euro.
Der englische Entdecker James Cook (1728-79) Abbildung: picture-alliance /united archiv
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