Andrea ist ein typischer amerikanischer Teenager. Sie besucht die High School, sie hat eine beste Freundin und mit den Eltern kommt sie auch einigermaßen klar. Doch im Sommercamp wird (fast) alles anders, als sie sich in Todd, den coolsten aller Rockstars, verknallt. Erst jetzt beginnt ihr "richtiges" Leben, findet Andrea. - Schonungslos offen, sensibelund witzig erzählt Blake Nelson von einem Mädchen, das alles sein will, nur nicht spießiges Mittelmaß.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.1997Quasselstrippe mit Weltschmerz
Immer schön cool bleiben - Blake Nelsons Roman der Spaß-Generation
Sie ist knapp sechzehn und eine unglaubliche Quasselstrippe. Sie fängt gerade an, ihren Körper sexy zu finden, und so langsam ist sie fällig für das "erste Mal", findet sie. Das will sorgfältig geplant sein, schließlich will man sich ja nicht wegwerfen. Ihre Koordinaten sind Highschool, Second-hand-Laden, Frozen Joghurt Shop und die jeweils angesagten Musikclubs. Am Ende wird sie ihren achtzehnten Geburtstag hinter sich haben und auch die Highschool, morgen geht's ins College, und dann wird alles anders.
Ein bewährtes Muster: Der Autor läßt einen Teenager in tagebuchartiger Form von sich selbst erzählen, der Leser nimmt teil an der Suche nach Identität, Liebe und Sinn. Ungewohnt ist jedoch die Gelassenheit, mit der Blake Nelson auf Botschaften verzichtet. Die Stimme seiner Erzählerin klingt so unangestrengt, als hätte er es nicht nötig gehabt, sie sich auszudenken. Das Mädchen redet von allem, was ihr gerade einfällt und geschieht, und das ist nicht wenig. Fehlten Punkt und Komma, fiele das kaum weiter auf. Aber das Gequassel ist glaubwürdig: ungeniert, aberwitzig, erotisch. Auch der Weltschmerz fehlt nicht. Dabei gehört sie einer Generation an, die nicht als sonderlich tiefgründig gilt: der Spaß-Generation. Ständig macht sie sich Gedanken um Kleidung, Frisuren und die Beliebtheitsskala in der Highschool, immer in Sorge, nicht cool genug zu sein. Schwierig; denn zwischen absolut cool und total peinlich gibt es manchmal nur den winzigen Unterschied, der in den Blicken der anderen zu finden ist.
Nachdem sie verschiedentlich mit Jungen nur "rumgemacht" hat, verschafft sie sich ein mehr als akzeptables "erstes Mal" und kann endlich mitreden. Doch die Sache mit dem Sex geht erst richtig los, als sie Todd kennenlernt, der Musiker ist und ein freier Geist. Über Sex mit Todd spricht sie anders, vom "Rummachen" ist keine Rede mehr. Sie ist gefährlich und verloren verliebt, und für die Umschreibung dieses Gefühls reicht ihr an einer Stelle ein einziger, atemloser Satz.
Ihr Name, Andrea, gerät beim Lesen merkwürdig oft in Vergessenheit, obwohl sie unentwegt von sich selbst spricht. Aber sie tut es wie jemand, dessen Augen beim Erzählen herumwandern und Neues entdecken. Wer zuhört, dreht unwillkürlich den Kopf mit. Den Widerspruch etwa, daß sie so sein will wie alle anderen und zugleich jemand ganz Besonderes, beschreibt Nelson im Blick auf andere. Da ist die reichlich angepaßte beste Freundin, mit der man auf der sicheren Seite ist, was das soziale Leben in der Schule betrifft. Da ist aber auch die seltsame, unabhängigere Cybil, die immer wieder Fragezeichen hinter die Gedanken der Erzählerin setzt. Sie bleibt wichtig, während die anderen austauschbar sind, nacheinander aufleuchten und verblassen.
In dieser scheinbar absichtslos heruntergeratterten Geschichte eines ziemlich normalen Highschoolmädchens ist eine große Ehrlichkeit. Vieles bleibt unkommentiert, oft fehlt die Konsequenz. Diese lebensnahe Disparatheit zeigt sich auch in der Sprache des Romans, einer leicht lesbaren, eigenwilligen und sympathischen Mischung voller Jugendphrasen und altkluger Floskeln (amüsant sind die eingestreuten politisch korrekten Ausdrücke). Dieser Ton ist unmittelbar wie die Person, die ihn anschlägt, und er ist ungeschliffen wie ihre Geschichte.
Der Versuch, die Sprache einer bestimmten Generation ins Buch zu bringen, schlägt oft fehl. Viele Erzählungen für Jugendliche haben eine kurze Verfallszeit, weil ihnen der muntermodische Ton nur aufgesetzt ist. Das "Cool Girl" aber spricht die Sprache, die zu ihm gehört; man wird es noch lesen können, wenn es längst uncool geworden ist. MONIKA OSBERGHAUS Blake Nelson: "Cool Girl". Aus dem Amerikanischen von Hans Schumacher. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 1997. 299 S., geb., 29,80 DM. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Immer schön cool bleiben - Blake Nelsons Roman der Spaß-Generation
Sie ist knapp sechzehn und eine unglaubliche Quasselstrippe. Sie fängt gerade an, ihren Körper sexy zu finden, und so langsam ist sie fällig für das "erste Mal", findet sie. Das will sorgfältig geplant sein, schließlich will man sich ja nicht wegwerfen. Ihre Koordinaten sind Highschool, Second-hand-Laden, Frozen Joghurt Shop und die jeweils angesagten Musikclubs. Am Ende wird sie ihren achtzehnten Geburtstag hinter sich haben und auch die Highschool, morgen geht's ins College, und dann wird alles anders.
Ein bewährtes Muster: Der Autor läßt einen Teenager in tagebuchartiger Form von sich selbst erzählen, der Leser nimmt teil an der Suche nach Identität, Liebe und Sinn. Ungewohnt ist jedoch die Gelassenheit, mit der Blake Nelson auf Botschaften verzichtet. Die Stimme seiner Erzählerin klingt so unangestrengt, als hätte er es nicht nötig gehabt, sie sich auszudenken. Das Mädchen redet von allem, was ihr gerade einfällt und geschieht, und das ist nicht wenig. Fehlten Punkt und Komma, fiele das kaum weiter auf. Aber das Gequassel ist glaubwürdig: ungeniert, aberwitzig, erotisch. Auch der Weltschmerz fehlt nicht. Dabei gehört sie einer Generation an, die nicht als sonderlich tiefgründig gilt: der Spaß-Generation. Ständig macht sie sich Gedanken um Kleidung, Frisuren und die Beliebtheitsskala in der Highschool, immer in Sorge, nicht cool genug zu sein. Schwierig; denn zwischen absolut cool und total peinlich gibt es manchmal nur den winzigen Unterschied, der in den Blicken der anderen zu finden ist.
Nachdem sie verschiedentlich mit Jungen nur "rumgemacht" hat, verschafft sie sich ein mehr als akzeptables "erstes Mal" und kann endlich mitreden. Doch die Sache mit dem Sex geht erst richtig los, als sie Todd kennenlernt, der Musiker ist und ein freier Geist. Über Sex mit Todd spricht sie anders, vom "Rummachen" ist keine Rede mehr. Sie ist gefährlich und verloren verliebt, und für die Umschreibung dieses Gefühls reicht ihr an einer Stelle ein einziger, atemloser Satz.
Ihr Name, Andrea, gerät beim Lesen merkwürdig oft in Vergessenheit, obwohl sie unentwegt von sich selbst spricht. Aber sie tut es wie jemand, dessen Augen beim Erzählen herumwandern und Neues entdecken. Wer zuhört, dreht unwillkürlich den Kopf mit. Den Widerspruch etwa, daß sie so sein will wie alle anderen und zugleich jemand ganz Besonderes, beschreibt Nelson im Blick auf andere. Da ist die reichlich angepaßte beste Freundin, mit der man auf der sicheren Seite ist, was das soziale Leben in der Schule betrifft. Da ist aber auch die seltsame, unabhängigere Cybil, die immer wieder Fragezeichen hinter die Gedanken der Erzählerin setzt. Sie bleibt wichtig, während die anderen austauschbar sind, nacheinander aufleuchten und verblassen.
In dieser scheinbar absichtslos heruntergeratterten Geschichte eines ziemlich normalen Highschoolmädchens ist eine große Ehrlichkeit. Vieles bleibt unkommentiert, oft fehlt die Konsequenz. Diese lebensnahe Disparatheit zeigt sich auch in der Sprache des Romans, einer leicht lesbaren, eigenwilligen und sympathischen Mischung voller Jugendphrasen und altkluger Floskeln (amüsant sind die eingestreuten politisch korrekten Ausdrücke). Dieser Ton ist unmittelbar wie die Person, die ihn anschlägt, und er ist ungeschliffen wie ihre Geschichte.
Der Versuch, die Sprache einer bestimmten Generation ins Buch zu bringen, schlägt oft fehl. Viele Erzählungen für Jugendliche haben eine kurze Verfallszeit, weil ihnen der muntermodische Ton nur aufgesetzt ist. Das "Cool Girl" aber spricht die Sprache, die zu ihm gehört; man wird es noch lesen können, wenn es längst uncool geworden ist. MONIKA OSBERGHAUS Blake Nelson: "Cool Girl". Aus dem Amerikanischen von Hans Schumacher. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 1997. 299 S., geb., 29,80 DM. Ab 14 J.
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"Selten wurde so kitschfrei über Sex erzählt, selten der mühsame und nie abgeschlossene Weg der Selbstfindung so minutiös und entblößend begleitet." Tagesanzeiger, Zürich