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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2010

Der Haltungskünstler

Es gibt nur einen Duke im Jazz, einen Count, eine Ella. Und einen Miles. Jazzmusiker sind Individualisten. Ihr Rang wird daran gemessen, ob sie eine eigene Stimme besitzen. Miles Davis konnte man schon beim ersten Ton seiner Trompete erkennen. Aber Miles war nicht nur Musiker, er war die Verkörperung einer Haltung. Wenn es je einen Jazzer gab, der "cool" war, dann war es Miles mit seinem Auftrittsgebaren, seinen Klamotten, seiner gespielten Arroganz und - ja, auch seiner Musik. Miles verkörperte ein Paradoxon: Seine Erscheinung absorbierte und bestimmte eine Mode, er aber blieb Individualist. Das hat Tobias Lehmkuhl gereizt, einen Essayband zu veröffentlichen, der schon im Titel die Person und das Phänomen anführt: Coolness und Miles Davis. Es ist ein anregendes Buch geworden, keine Biographie, keine musikalische Analyse und auch keine Recherche, die neue Tatbestände eines grandiosen Künstlerlebens zutage fördert. Lehmkuhl interessiert sich für die Affinität von Miles für Boxer, die ähnliche Haltungen wie Jazzmusiker besitzen oder kultivieren müssen: Willensstärke, Selbstdisziplin, Koordination. Er geht der Frage nach, warum Miles so wortkarg war und ob sein Hang zu schnellen Autos auch in seiner Musik widerhallt. Manche Überlegung ist dabei von aphoristischer Kürze. Bisweilen möchte der Autor selbst cool formulieren, und vieles wird allzu schnoddrig hingeworfen. Insgesamt aber gilt auch für diesen kleinen Essayband: Ein geistvoller Irrtum ist allemal anregender als eine belanglose Richtigkeit. (Tobias Lehmkuhl: "Coolness". Über Miles Davis. Rogner & Bernhard, Berlin 2009. 172 S., geb., Abb., 16,90 [Euro].) WWS.

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