Oliver Hilmes entschlüsselt den Wagner-Kosmos, indem er die Nachkommen der schillernden Komponisten-Witwe porträtiert und ihren Kampf um die Macht auf dem Grünen Hügel in Bayreuth beschreibt. Das aufregende Epos einer deutschen Familie und ihres leidenschaftlichen Ringens um den Erhalt einer Dynastie, die uns bis heute beschäftigt.
Eine Mutter, zwei Väter und fünf Kinder - die Familie Richard und Cosima Wagners ist ein Kosmos, rätselhaft und sagenumwoben. Ähnlich wie die Kinder Thomas Manns trugen die Sprösslinge dieses faszinierenden Paars schwer an der Last ihrer Herkunft. Selbstverleugnung wurde zum Schicksal von Daniela, Blandine, Isolde, Eva und Siegfried - von Cosimas Kindern: Ihre Aufgabe war es, Richard Wagners »Werk« als Inbegriff »deutscher Kultur« zu pflegen und darüber zu wachen.
Da es dabei auch um viel Geld ging, schreckte der Clan nicht vor der Verstoßung eigener Familienangehöriger zurück, wenn die Vorherrschaft auf dem Grünen Hügel in Gefahr schien. Man zwang sogar den als Thronfolger vorgesehenen einzigen (homosexuellen) Sohn Richard Wagners, Siegfried, in eine Ehe - mit jener Winifred, die als enge Vertraute und wichtige Unterstützerin Adolf Hitlers in die Geschichtsbücher eingehen sollte.
Fesselnd erzählt Oliver Hilmes in seinem Buch anhand neuer Quellen diesen spannenden Stoff aus Kunst und Weltanschauung, aus Politik und eigennütziger Geschäftigkeit. Er spürt den seelischen Konflikten und dem Größenwahn von Cosimas Kindern nach und liefert eine faszinierende Familiensaga aus Triumph und Tragödie, Genie und Verfall.
Eine Mutter, zwei Väter und fünf Kinder - die Familie Richard und Cosima Wagners ist ein Kosmos, rätselhaft und sagenumwoben. Ähnlich wie die Kinder Thomas Manns trugen die Sprösslinge dieses faszinierenden Paars schwer an der Last ihrer Herkunft. Selbstverleugnung wurde zum Schicksal von Daniela, Blandine, Isolde, Eva und Siegfried - von Cosimas Kindern: Ihre Aufgabe war es, Richard Wagners »Werk« als Inbegriff »deutscher Kultur« zu pflegen und darüber zu wachen.
Da es dabei auch um viel Geld ging, schreckte der Clan nicht vor der Verstoßung eigener Familienangehöriger zurück, wenn die Vorherrschaft auf dem Grünen Hügel in Gefahr schien. Man zwang sogar den als Thronfolger vorgesehenen einzigen (homosexuellen) Sohn Richard Wagners, Siegfried, in eine Ehe - mit jener Winifred, die als enge Vertraute und wichtige Unterstützerin Adolf Hitlers in die Geschichtsbücher eingehen sollte.
Fesselnd erzählt Oliver Hilmes in seinem Buch anhand neuer Quellen diesen spannenden Stoff aus Kunst und Weltanschauung, aus Politik und eigennütziger Geschäftigkeit. Er spürt den seelischen Konflikten und dem Größenwahn von Cosimas Kindern nach und liefert eine faszinierende Familiensaga aus Triumph und Tragödie, Genie und Verfall.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2009Musik Nach dem "Leben der Cosima Wagner" breitet Oliver Hilmes, auch genannt das "Wunderkind unter den deutschen Biographen" ("Die Welt"), nun konsequenterweise das von "Cosimas Kindern" (Siedler, 22,95 Euro) vor uns aus. Weil es nichts Neues mehr zu sagen gibt über die Familie Wagner in Bayreuth (die Biographien und Autobiographien stapeln sich zu Türmen), zitiert er ausführlich aus den langweiligsten Brief- und Tagebuchstellen der unbedeutendsten Nebenzweige, um auch noch die letzten Informationslücken zu füllen, angefangen beim Leid der depressiven Daniela bis hin zu den Idiosynkrasien der verstoßenen Isolde. Wollten wir das aber so genau wissen? An welchem Kalendertag Eva Wagner-Chamberlain ins Städtische Krankenhaus von Bayreuth eingewiesen wurde? Wie der Oberarzt hieß, der sie operierte? Nein, natürlich nicht. Dafür vermissen wir in der Literaturliste den Titel "Der Wagner-Clan" von Jonathan Carr, der exakt das gleiche Thema, historisch etwas weiter gefasst, politisch ungleich kritischer und stilistisch-feuilletonistisch sehr viel eleganter, bearbeitet hat. Carrs Buch kam voriges Jahr auf Deutsch heraus und fand überall Beifall, nur nicht in der "Welt". Dort beklagte Rezensent Hilmes in "aller Bescheidenheit", dass Carr sein eigenes, das hilmessche "Cosima"-Buch nicht in seiner Literaturliste berücksichtigt habe. Jetzt hat er sich revanchieren können. So klein ist die Welt.
eeb
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2009Unter der Wolke des Unglücks
Oliver Hilmes erzählt wieder Unterhaltsames aus der verhängnisvollen Geschichte der Wagner-Dynastie – mehr gelingt ihm leider nicht
Familie und Familien interessieren wieder. Das hat nicht nur mit einer neuen Freude an alten Werten zu tun. In gleichem oder sogar höherem Maße ist es Folge des fatalen Eindrucks, die Herkunft entscheide über den Lebensweg, stärker jedenfalls, als es die Westdeutschen lange wahrhaben wollten. In der nivellierten Mittelstandsgesellschaft schienen familiäre Privilegien schon weitgehend abgeschliffen. Inzwischen haben wir gelernt, wie sehr die wirtschaftliche Führungsschicht sich aus den eigenen Kindern reproduziert, wie sehr der Erfolg in Schule und Universität eine Sache des Elternhauses ist. Und auch die individuell-emanzipatorische Hoffnung, sich selbst neu erfinden und die Vergangenheit hinter sich lassen zu können, ist doch stark angeschrammt.
Gerade sind es wieder die Wagners, die traktiert werden, in „Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie” von Oliver Hilmes. Vor zwei Jahren erschien von Hilmes „Herrin des Hügels” über Cosima Wagner, jetzt geht es in die zweite Generation. Eine „Sternkarte” möchte der Autor zeichnen, die nicht nur die „Fixterne” Richard Wagner und Cosima, sondern auch die kleineren „Trabanten” berücksichtigt. Das klingt lohnend, denn was das Leben der fünf Kinder Cosimas prägen wird, ist tatsächlich eine Familienangelegenheit: Ihr gemeinsames, familiär vermitteltes Schicksal heißt Unglück.
Schon Cosima wird unter einem Unstern geboren. Sie ist Tochter von Franz Liszt und seiner Geliebten, der Gräfin Marie d’Agoult, aber ein Kind der Liebe ist sie nicht lange. Die Eltern trennen sich bald, entwickeln wütenden Hass gegeneinander, Cosima und ihre Geschwister werden durch die vornehme Welt getrieben. Neunzehnjährig heiratet Cosima den hochbegabten, aber nervlich fragilen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow. Es ist eine Ehe, in die sich zwei verlorene Seelen retten. Blandine und Daniela werden geboren, ihr Vater hat wenig Interesse an ihnen. Seine Leidenschaft ist die Musik, vor allem die Musik Liszts und Wagners. Schon in die Ehe führt ihn eher die Neigung zu Liszt als zu Liszts Tochter; eine Konstellation, die sich später mehrfach wiederholen wird. Cosima ist unglücklich, 1863 trifft sie auf Richard Wagner, den Abgott ihres Mannes. Wagner und sie stürzen aufeinander zu. „Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns einzig gegenseitig anzugehören”, schreibt Wagner später.
„Uns einzig gegenseitig anzugehören” – war das auch sexuell zu verstehen? Die Kinder, die Cosima, formell noch mit Bülow verheiratet, von nun an zur Welt bringt, sind jedenfalls Kinder Richards: Isolde, Eva und Siegfried. Erst 1870 können ihre Eltern heiraten. Zeit ihres Lebens fühlte sich Cosima schuldig. Bülow, während er die Uraufführung von „Tristan” und „Meistersingern” gegen unendliche Widerstände ins Werk setzte, mit dem Mann zu betrügen, für den er alle Kräfte anspannte, das war schon eine beachtliche Treulosigkeit. Cosima versuchte, in der neuen Ehe gutzumachen, was sie in der alten versäumt zu haben glaubte. Alles wurde der Ehe und dem Ehemann geweiht, wobei Ehemann in ihrem Mund ein viel zu profaner Ausdruck gewesen wäre. Sie sprach von „Meister”.
In den Ausdruck künstlerischer
Verehrung wird sich wohl fromme Hingabe mischen – „mein Heiland, Herr und Meister”.
Die Kinder waren untergeordnet. Alles hatte dem Werk zu dienen, mit dem Tod Richard Wagners 1883 hieß das: den Festspielen. Die Familienmitglieder wurde seelisch aufgespannt zwischen Erwählungswahn und Minderwertigkeit. Als Wagners waren sie erwählt, vor dem „Meister” aber und immer mehr auch vor der „Meisterin” unbedeutend. Kein Zufall, dass jedes einzelne Kind scheiterte.
Blandine heiratete den Comte Biaggio Gravina, einen verarmten Adligen, unfähig, sich in die Erwerbswelt zu fügen. Er brachte sich um. Daniela entschied sich trotz starker Zweifel für Henry Thode, einen jungen, angesehenen Kunsthistoriker. Die Zweifel waren berechtigt, die Ehe schon Tage nach der Trauung am Ende. Thode aber blieb jedenfalls dem Bayreuther Geist treu und ruinierte seine Begabung, indem er sich zum scharfen Kulturnationalisten und Mitbegründer des völkischen Werdandi-Bundes entwickelte. Wie sein Schwiegervater Bülow hatter er sich mehr für die Familie seiner Braut entschieden als für diese selbst. Selbst spätere Geliebte wollte er konsequenterweise in Bayreuth einführen.
Isolde, die erste Tochter Wagners, heiratet den Dirigenten Franz Beidler. Auch diese Ehe scheiterte. Beidler verkrachte sich schnell mit seiner Schwiegermutter. Und doch gab er einer unehelichen Tochter die Namen Wagnerscher Heroinen: Senta Eva Elisabeth. Auch der fatalste der Schwiegersöhne Cosimas, Houston Stewart Chamberlain, der wichtigste der Vordenker des Nationalsozialismus, spitzte seinen Sinn mehr auf Bayreuth und die Familie Wagner als auf seine Ehefrau Eva. Diese hatte ihn spät geheiratet, ohne Aussicht auf Kinder, nachdem sie sich lange im Dienst an der Mutter aufgerieben hatte. Bald wurde auch ihr Mann krank (möglicherweise war es das Spätstadium einer Syphilis), nun begann ein neues Leben der Sorge.
Und Siegfried? Er war durch ein heiteres, wenn auch nicht tiefschürfendes Temperament begünstigt. In der Architektur, worauf er sich zunächst warf, hätte er vielleicht glücklicher gelebt. Dann wurde er doch Musiker. Seine Märchenopern aber schienen dem Publikum epigonal, bestenfalls gefällig, weit hinter der Musik des Vaters zurückstehend. Dies war indes nur eines seiner Probleme. Das zweite war die Homosexualität, die ihn immer wieder zum Opfer von Erpressungen und Kampagnen machte. Siegfried musste heiraten, um dem Geraune entgegenzutreten, vor allem aber, um einen Erben zu zeugen und die Kontinutät der Festspiele zu sichern. Wohl hatte Isolde, Tochter Richards, einen Sohn. Aber mit ihr hatte Wahnfried sich ja überworfen. Daraufhin hatte sie vor den ordentlichen Gerichten auf Anerkennung als Tochter Richard Wagners geklagt, ein Prozess, der In- und Ausland erregte, weil er die „Geschlechtsehre der hohen Frau” berührte. Die beklagte Cosima unterdrückte die Wahrheit eisenhart, so ging der Prozess gegen Isolde aus, und das hieß: Aus dieser Familie war kein Festspiel-Erbe denkbar. Siegfried zog die Konsequenz und heiratete. Winifred Williams wurde seine Frau, sie war es, die nach dem Tode ihres Mannes 1930 das ohnedies schon dem Nationalsozialismus zuneigende Bayreuth endgültig Hitler entgegenstreckte.
Über allen Kindern Cosimas hängt die Wolke des Unglücks, das altertümliche Wort vom Verhängnis drängt sich auf. Alle sind unglücklich, aber es ist ein farbenreiches Unglück. Davon erzählt Oliver Hilmes durchaus unterhaltsam. Aber viel mehr hat er nicht zu bieten. Was Kunst in Bayreuth war, das bleibt ausgespart. Und was noch ärger ist: Auch von Bayreuth als intellektuellem Milieu bekommt man keinen Eindruck. Was doch unser Interesse wesentlich begründet, dass nämlich dieser Ort so viel zur deutschen Pathologie beitrug, das bleibt weitgehend ausgespart. Auch die Beziehungen Hitlers und des Nationalsozialismus zu Wagner und den Festspielen sind schon umsichtiger dargestellt worden. Blass bleiben zudem die wichtigsten Personen, Siegfried und Winifred. Hilmes behauptet, es habe bislang an einer zusammenführenden Darstellung der Familie Wagner gefehlt. Doch das stimmt nicht. Im Gegenteil: Es gibt eine Reihe von Büchern zum Thema; das bis dato letzte, „Der Wagner-Clan” von Jonathan Carr, ist sehr gut. Wer sich für das Thema interessiert, wird dort weit mehr erfahren. Nur an wenigen Stellen führt Hilmes weiter, meist bleibt er, vor allem in der begrifflichen Durchdringung, dahinter zurück. Aber er bewirtschaftet zwei große Themen des Buchmarktes: Wagner und Familie. STEPHAN SPEICHER
OLIVER HILMES: Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie. Siedler Verlag, München 2009. 320 Seiten. 22,95 Euro.
Zwischen Erwählungswahn und Minderwertigkeit
Was unser Interesse wesentlich begründet, bleibt ausgespart
„Die Festspiele waren und sind mir ein Zuhause, eine ganz eigene Umwelt, in der ich mich bewegt und entwickelt habe”, schreibt Katharina Wagner in dem von ihr mitherausgegebenen Buch „Bayreuth Backstage. Innenansichten vom Grünen Hügel” mit Fotos von Enrico Nawrath (Schott Music, Mainz 2009, 120 S., 29,95 Euro). Das Buch bietet vielfältige Blicke hinter die Kulissen, denn die junge Festspielleiterin sieht es „als unsere Pflicht an, auch diese Bereiche nicht nur zugänglich, sondern auch verständlich zu machen”. Das Bild zeigt Masken der „Parsifal”-Inszenierung von Stefan Herheim. Foto: Schott Music
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Oliver Hilmes erzählt wieder Unterhaltsames aus der verhängnisvollen Geschichte der Wagner-Dynastie – mehr gelingt ihm leider nicht
Familie und Familien interessieren wieder. Das hat nicht nur mit einer neuen Freude an alten Werten zu tun. In gleichem oder sogar höherem Maße ist es Folge des fatalen Eindrucks, die Herkunft entscheide über den Lebensweg, stärker jedenfalls, als es die Westdeutschen lange wahrhaben wollten. In der nivellierten Mittelstandsgesellschaft schienen familiäre Privilegien schon weitgehend abgeschliffen. Inzwischen haben wir gelernt, wie sehr die wirtschaftliche Führungsschicht sich aus den eigenen Kindern reproduziert, wie sehr der Erfolg in Schule und Universität eine Sache des Elternhauses ist. Und auch die individuell-emanzipatorische Hoffnung, sich selbst neu erfinden und die Vergangenheit hinter sich lassen zu können, ist doch stark angeschrammt.
Gerade sind es wieder die Wagners, die traktiert werden, in „Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie” von Oliver Hilmes. Vor zwei Jahren erschien von Hilmes „Herrin des Hügels” über Cosima Wagner, jetzt geht es in die zweite Generation. Eine „Sternkarte” möchte der Autor zeichnen, die nicht nur die „Fixterne” Richard Wagner und Cosima, sondern auch die kleineren „Trabanten” berücksichtigt. Das klingt lohnend, denn was das Leben der fünf Kinder Cosimas prägen wird, ist tatsächlich eine Familienangelegenheit: Ihr gemeinsames, familiär vermitteltes Schicksal heißt Unglück.
Schon Cosima wird unter einem Unstern geboren. Sie ist Tochter von Franz Liszt und seiner Geliebten, der Gräfin Marie d’Agoult, aber ein Kind der Liebe ist sie nicht lange. Die Eltern trennen sich bald, entwickeln wütenden Hass gegeneinander, Cosima und ihre Geschwister werden durch die vornehme Welt getrieben. Neunzehnjährig heiratet Cosima den hochbegabten, aber nervlich fragilen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow. Es ist eine Ehe, in die sich zwei verlorene Seelen retten. Blandine und Daniela werden geboren, ihr Vater hat wenig Interesse an ihnen. Seine Leidenschaft ist die Musik, vor allem die Musik Liszts und Wagners. Schon in die Ehe führt ihn eher die Neigung zu Liszt als zu Liszts Tochter; eine Konstellation, die sich später mehrfach wiederholen wird. Cosima ist unglücklich, 1863 trifft sie auf Richard Wagner, den Abgott ihres Mannes. Wagner und sie stürzen aufeinander zu. „Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns einzig gegenseitig anzugehören”, schreibt Wagner später.
„Uns einzig gegenseitig anzugehören” – war das auch sexuell zu verstehen? Die Kinder, die Cosima, formell noch mit Bülow verheiratet, von nun an zur Welt bringt, sind jedenfalls Kinder Richards: Isolde, Eva und Siegfried. Erst 1870 können ihre Eltern heiraten. Zeit ihres Lebens fühlte sich Cosima schuldig. Bülow, während er die Uraufführung von „Tristan” und „Meistersingern” gegen unendliche Widerstände ins Werk setzte, mit dem Mann zu betrügen, für den er alle Kräfte anspannte, das war schon eine beachtliche Treulosigkeit. Cosima versuchte, in der neuen Ehe gutzumachen, was sie in der alten versäumt zu haben glaubte. Alles wurde der Ehe und dem Ehemann geweiht, wobei Ehemann in ihrem Mund ein viel zu profaner Ausdruck gewesen wäre. Sie sprach von „Meister”.
In den Ausdruck künstlerischer
Verehrung wird sich wohl fromme Hingabe mischen – „mein Heiland, Herr und Meister”.
Die Kinder waren untergeordnet. Alles hatte dem Werk zu dienen, mit dem Tod Richard Wagners 1883 hieß das: den Festspielen. Die Familienmitglieder wurde seelisch aufgespannt zwischen Erwählungswahn und Minderwertigkeit. Als Wagners waren sie erwählt, vor dem „Meister” aber und immer mehr auch vor der „Meisterin” unbedeutend. Kein Zufall, dass jedes einzelne Kind scheiterte.
Blandine heiratete den Comte Biaggio Gravina, einen verarmten Adligen, unfähig, sich in die Erwerbswelt zu fügen. Er brachte sich um. Daniela entschied sich trotz starker Zweifel für Henry Thode, einen jungen, angesehenen Kunsthistoriker. Die Zweifel waren berechtigt, die Ehe schon Tage nach der Trauung am Ende. Thode aber blieb jedenfalls dem Bayreuther Geist treu und ruinierte seine Begabung, indem er sich zum scharfen Kulturnationalisten und Mitbegründer des völkischen Werdandi-Bundes entwickelte. Wie sein Schwiegervater Bülow hatter er sich mehr für die Familie seiner Braut entschieden als für diese selbst. Selbst spätere Geliebte wollte er konsequenterweise in Bayreuth einführen.
Isolde, die erste Tochter Wagners, heiratet den Dirigenten Franz Beidler. Auch diese Ehe scheiterte. Beidler verkrachte sich schnell mit seiner Schwiegermutter. Und doch gab er einer unehelichen Tochter die Namen Wagnerscher Heroinen: Senta Eva Elisabeth. Auch der fatalste der Schwiegersöhne Cosimas, Houston Stewart Chamberlain, der wichtigste der Vordenker des Nationalsozialismus, spitzte seinen Sinn mehr auf Bayreuth und die Familie Wagner als auf seine Ehefrau Eva. Diese hatte ihn spät geheiratet, ohne Aussicht auf Kinder, nachdem sie sich lange im Dienst an der Mutter aufgerieben hatte. Bald wurde auch ihr Mann krank (möglicherweise war es das Spätstadium einer Syphilis), nun begann ein neues Leben der Sorge.
Und Siegfried? Er war durch ein heiteres, wenn auch nicht tiefschürfendes Temperament begünstigt. In der Architektur, worauf er sich zunächst warf, hätte er vielleicht glücklicher gelebt. Dann wurde er doch Musiker. Seine Märchenopern aber schienen dem Publikum epigonal, bestenfalls gefällig, weit hinter der Musik des Vaters zurückstehend. Dies war indes nur eines seiner Probleme. Das zweite war die Homosexualität, die ihn immer wieder zum Opfer von Erpressungen und Kampagnen machte. Siegfried musste heiraten, um dem Geraune entgegenzutreten, vor allem aber, um einen Erben zu zeugen und die Kontinutät der Festspiele zu sichern. Wohl hatte Isolde, Tochter Richards, einen Sohn. Aber mit ihr hatte Wahnfried sich ja überworfen. Daraufhin hatte sie vor den ordentlichen Gerichten auf Anerkennung als Tochter Richard Wagners geklagt, ein Prozess, der In- und Ausland erregte, weil er die „Geschlechtsehre der hohen Frau” berührte. Die beklagte Cosima unterdrückte die Wahrheit eisenhart, so ging der Prozess gegen Isolde aus, und das hieß: Aus dieser Familie war kein Festspiel-Erbe denkbar. Siegfried zog die Konsequenz und heiratete. Winifred Williams wurde seine Frau, sie war es, die nach dem Tode ihres Mannes 1930 das ohnedies schon dem Nationalsozialismus zuneigende Bayreuth endgültig Hitler entgegenstreckte.
Über allen Kindern Cosimas hängt die Wolke des Unglücks, das altertümliche Wort vom Verhängnis drängt sich auf. Alle sind unglücklich, aber es ist ein farbenreiches Unglück. Davon erzählt Oliver Hilmes durchaus unterhaltsam. Aber viel mehr hat er nicht zu bieten. Was Kunst in Bayreuth war, das bleibt ausgespart. Und was noch ärger ist: Auch von Bayreuth als intellektuellem Milieu bekommt man keinen Eindruck. Was doch unser Interesse wesentlich begründet, dass nämlich dieser Ort so viel zur deutschen Pathologie beitrug, das bleibt weitgehend ausgespart. Auch die Beziehungen Hitlers und des Nationalsozialismus zu Wagner und den Festspielen sind schon umsichtiger dargestellt worden. Blass bleiben zudem die wichtigsten Personen, Siegfried und Winifred. Hilmes behauptet, es habe bislang an einer zusammenführenden Darstellung der Familie Wagner gefehlt. Doch das stimmt nicht. Im Gegenteil: Es gibt eine Reihe von Büchern zum Thema; das bis dato letzte, „Der Wagner-Clan” von Jonathan Carr, ist sehr gut. Wer sich für das Thema interessiert, wird dort weit mehr erfahren. Nur an wenigen Stellen führt Hilmes weiter, meist bleibt er, vor allem in der begrifflichen Durchdringung, dahinter zurück. Aber er bewirtschaftet zwei große Themen des Buchmarktes: Wagner und Familie. STEPHAN SPEICHER
OLIVER HILMES: Cosimas Kinder. Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie. Siedler Verlag, München 2009. 320 Seiten. 22,95 Euro.
Zwischen Erwählungswahn und Minderwertigkeit
Was unser Interesse wesentlich begründet, bleibt ausgespart
„Die Festspiele waren und sind mir ein Zuhause, eine ganz eigene Umwelt, in der ich mich bewegt und entwickelt habe”, schreibt Katharina Wagner in dem von ihr mitherausgegebenen Buch „Bayreuth Backstage. Innenansichten vom Grünen Hügel” mit Fotos von Enrico Nawrath (Schott Music, Mainz 2009, 120 S., 29,95 Euro). Das Buch bietet vielfältige Blicke hinter die Kulissen, denn die junge Festspielleiterin sieht es „als unsere Pflicht an, auch diese Bereiche nicht nur zugänglich, sondern auch verständlich zu machen”. Das Bild zeigt Masken der „Parsifal”-Inszenierung von Stefan Herheim. Foto: Schott Music
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Dem Buchmarkt ein Familie-Wagner-Buch. Viel mehr kann Stephan Speicher in Oliver Hilmes Versuch einer Familientragödiengeschichte mit besonderem Interesse an Cosimas Kindern nicht erkennen. Was dem Rezensenten zunächst vielversprechend erscheint - immerhin bietet das Thema jede Menge "Sex, Fate and Opera" -, wird vom Autor leider nicht in all seiner Farbigkeit ausgemalt. Stellenweise Unterhaltsamkeit ist auch schon das Stärkste, was Speicher dem Band attestiert. Über die Kunst und das intellektuelle Milieu in Bayreuth oder über die Verbindungen zu Hitlers NS-Staat erfährt er nichts. Und was Hilmes zu Siegfried und Winifred Wagner zu sagen hat, ist Speicher zu "blass". Allen, die wirklich mehr über Familie Wagner wissen möchten, empfiehlt er Jonathan Carrs "Der Wagner-Clan".
© Perlentaucher Medien GmbH
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