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Terry Eagleton looks back across sixty years to an extraordinary critical milieu that transformed the study of literature

Produktbeschreibung
Terry Eagleton looks back across sixty years to an extraordinary critical milieu that transformed the study of literature
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Autorenporträt
Terry Eagleton is Distinguished Visiting Professor of English Literature at Lancaster University and the author of more than fifty books in the fields of literary theory, postmodernism, politics, ideology, and religion.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2023

Nehmt und lest
Terry Eagleton legt fünf klassische Kritiker aus

Was stellt man sich unter dem literarischen Kanon vor? Wenn man ein Bild sucht, mag einem ein Tempel einfallen. Die Büsten der großen Dichter sind wohlgeordnet aufgestellt, in respektvollem Abstand voneinander. Diese Verbildlichung ruft einen geläufigen Einwand gegen die Idee des Kanons auf den Plan: Wo soll da noch Platz für Neues sein? Kann man Klassikern etwa zumuten, dass sie zusammenrücken? Wenn das unvorstellbar scheint, hat man ein zu statisches, zu klassisches Bild gewählt. Terry Eagleton greift ein Gegenbild aus dem modernen Alltagsleben heraus, um T. S. Eliots Gedanken zur Kanonanpassung zu illustrieren. "Es gibt Ruckempfindungen und Rückstoßeffekte im gesamten Kanon, während seine Insassen, wie die Fahrgäste eines voll besetzten U-Bahn-Wagens, sich ein wenig bewegen, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen."

Eagleton interessiert in Eliots Dichtungstheorie das Moment des Überpersönlichen, hier der Gedanke, dass der Kanon einen Zusammenhang bildet, in dem das Verhältnis, in dem ein Autor zu allen anderen Autoren steht, seinen Wert bestimmt. In seinem jüngsten Buch betreibt Eagleton, der am heutigen Mittwoch seinen achtzigsten Geburtstag feiert, selbst Kanonisierung. Als "kritische Revolutionäre" porträtiert er fünf Gründungsväter des Faches, das er als Professor in Oxford, Manchester und Lancaster sowie unerhört produktiver Buchautor populär gemacht hat. Sie sollen das Studienfach Englisch vom Kopf auf die Füße gestellt haben, als akademische Literaturwissenschaft, die sich als "Criticism" einem doppelten kritischen Anspruch verpflichtet, indem sie erstens vom kritischen Werturteil ausgeht und zweitens die Literatur als Medium der Sozial- und Kulturkritik nutzt. Man könnte auch sagen: Diese Disziplin kommt von der Rezension her und möchte Soziologie werden.

Raymond Williams, Eagletons Mentor, und F. R. Leavis, Lehrer von Williams in Cambridge, verrichteten ihre Arbeit am Kanon - Leavis pflegte einen legendär engen Begriff der "Great Tradition", Williams erweiterte umgekehrt die Untersuchungsgegenstände um die populäre Kultur - in einem Habitus prophetischer Zeitkritik. Gerade weil sie entschieden ihre Zuständigkeit für Nichtliterarisches reklamierten, behandelt Eagleton sie als Heroen der Professionalisierung: Einer Welt, in der es sich die Professoren auf den Lehrstühlen so gemütlich machten wie in ihren Lehnstühlen in den Londoner Klubs, weil sie Kennerschaft schon für Wissenschaft hielten, drängten Leavis und Williams die Wahrheitsfrage auf, die methodische Prüfung oder "Scrutiny", die der Titel der von Leavis und seiner Frau Queenie gegründeten Zeitschrift ohne Gegenstandsbeschränkung ankündigte.

I. A. Richards und William Empson, die ebenfalls mit Cambridge verbundenen Pioniere übergenauer Lektüretechniken, haben in Eagletons Sicht nicht nur durch ihre Arbeitsweise, durch Demonstration der Macht der Konzentration, der sozial engagierten Literaturwissenschaft den Weg bereitet, sondern auch mit den Grundgedanken ihrer Forschung, ihrem Interesse an sprachlichen Sinnstrukturen jenseits der einzelnen Eigenschaften einzelner Bücher, auf die das konventionelle Geschmacksurteil fixiert ist. Als Präfiguration einer Gemeinschaft der impliziten Leser deutet Eagleton auch Eliots Begriff der Tradition: So kann er den als Kulturkonservativen im Theoriekanon einsortierten Dichtergelehrten an die Spitze seiner Revolutionäre stellen.

Neues verschafft sich Geltung und bewährt sich gleichzeitig durch "Konformität": Dass diese Elemente von Eliots Kanonbegriff kein unscharfes Denken verraten, sondern einen produktiven, gewollten Widerspruch ausdrücken, wie ihn Empson auf den Begriff der Ambiguität gebracht hat, das macht Eagletons U-Bahn-Bild plausibel. Die prosaische Unterbrechung des hohen Tons der Kanontheorie ist eine Volte, wie man sie in einem Gedicht finden könnte, beispielsweise einem Rom-Gedicht von Durs Grünbein. Als U-Bahn-Lektüre etwa auf dem Weg hinaus nach Berlin-Dahlem ist das Buch des Jubilars unbedingt zu empfehlen, weil Terry Eagleton seine Lehrer ins Gespräch miteinander bringt, indem er ihnen mit kritischen Fragen zusetzt. PATRICK BAHNERS

Terry Eagleton:

"Critical

Revolutionaries". Five Critics Who Changed the Way We Read.

Yale University Press, New Haven 2022. 336 S., geb., 24,50 Euro.

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