"Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher" - das ist wohl die Kurzformel einer der drängendsten Debatten unserer Zeit. Dabei kennt diese Debatte scheinbar nur eine Antwort: Umverteilung. Mit "Gerechte Teilhabe statt Umverteilung" gehen die Autoren dieses Buches programmatisch bewusst einen anderen Weg: Sie wollen Teilhabe durch Kapitalbeteiligung.
Ihr gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Blick auf die Mitarbeiterbeteiligung als Form gerechter Teilhabe führt daher zu einem radikalen neuen Ansatz zu den Themen "Kapital" und "Arbeit". 150 Jahre nach Erscheinen von "Das Kapital" - Karl Marx, drei Jahre nach Erscheinen von "Das Kapital im 21. Jahrhundert" -Thomas Piketty, aber auch beinahe 75 Jahre nach der "Freiburger Denkschrift" - Walter Eucken et al., die konstitutiv für unsere Wirtschaftsordnung ist, gehen die Autoren daran, die Brücke zwischen Kapital und Arbeit zu schlagen, und rollen damit die Debatte um Arm und Reich lösungsorientiert neu auf.
Vermögensbildung durch Kapitalbeteiligung stellt den zentralen Inhalt des Buches dar. Einen Schwerpunkt dabei bildet die Motivation, Kapitalbeteiligung als Antwort auf den technologischen Wandel in der Wirtschaft zu gestalten. Dafür wird auch das "Bedingungslose Grundeinkommen für die Industrie 4.0" aus einer völlig neuen Perspektive diskutiert und "Teilhaberfonds" als Möglichkeit, Eigentumsrechte mit risikomindernder Diversifikation zu verbinden, in die Diskussion eingeführt.
Das Buch ist dabei auch ein Anwenderbuch: Es führt keine Diskussion im Elfenbeinturm, sondern unterbreitet Vorschläge sowohl für die betriebliche als auch die politische Praxis. Fundiert, aber dennoch leicht lesbar, wendet es sich an eine gesellschaftspolitisch interessierte Zielgruppe in Politik, Wirtschaft und Unternehmen.
Ihr gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Blick auf die Mitarbeiterbeteiligung als Form gerechter Teilhabe führt daher zu einem radikalen neuen Ansatz zu den Themen "Kapital" und "Arbeit". 150 Jahre nach Erscheinen von "Das Kapital" - Karl Marx, drei Jahre nach Erscheinen von "Das Kapital im 21. Jahrhundert" -Thomas Piketty, aber auch beinahe 75 Jahre nach der "Freiburger Denkschrift" - Walter Eucken et al., die konstitutiv für unsere Wirtschaftsordnung ist, gehen die Autoren daran, die Brücke zwischen Kapital und Arbeit zu schlagen, und rollen damit die Debatte um Arm und Reich lösungsorientiert neu auf.
Vermögensbildung durch Kapitalbeteiligung stellt den zentralen Inhalt des Buches dar. Einen Schwerpunkt dabei bildet die Motivation, Kapitalbeteiligung als Antwort auf den technologischen Wandel in der Wirtschaft zu gestalten. Dafür wird auch das "Bedingungslose Grundeinkommen für die Industrie 4.0" aus einer völlig neuen Perspektive diskutiert und "Teilhaberfonds" als Möglichkeit, Eigentumsrechte mit risikomindernder Diversifikation zu verbinden, in die Diskussion eingeführt.
Das Buch ist dabei auch ein Anwenderbuch: Es führt keine Diskussion im Elfenbeinturm, sondern unterbreitet Vorschläge sowohl für die betriebliche als auch die politische Praxis. Fundiert, aber dennoch leicht lesbar, wendet es sich an eine gesellschaftspolitisch interessierte Zielgruppe in Politik, Wirtschaft und Unternehmen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2019Kapital für Mitarbeiter
Teilhabe statt Umverteilung
Dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reichen werden - dieser Irrtum ist aus den Köpfen vieler Deutscher nicht herauszubekommen. Und die Debatte darüber kennt oft nur eine Antwort: Mehr Umverteilung! "Aber es gibt noch einen anderen Weg: Teilhabe durch Kapitalbeteiligung", schreiben Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung AGP, und Hans-Jörg Naumer, der in führender Position bei Allianz Global Investors tätig ist.
Die Motivation ihres Buches ist es, breiten Bevölkerungskreisen eine Kapitalbeteiligung zu ermöglichen. Nur so sei echte Teilhabe möglich: "Teilhabe an den Früchten unternehmerischer Tätigkeit, aber auch an ihren Risiken." Die Autoren orientieren sich entlang der These, dass unternehmerische Risiken durch eine Risikoprämie entlohnt werden. Letztlich führe diese Risikoprämie zu Vermögensunterschieden. Solche Unterschiede lassen sich verkleinern, entweder durch eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung oder, darüber hinausgehend, durch einen Deutschlandfonds, oder, noch weitergehend, durch ein neu zu schaffendes Konstrukt eines Teilhaberfonds. All das sei besser als das klassische Sparen, da wir uns in einer Phase äußerst niedriger, ja negativer Renditen bei den Staatsanleihen bewegen, die so schnell nicht überwunden werden dürfte. "Wird der Kaufkraftverlust selbst geringer Inflationsraten berücksichtigt, wird deutlich: Die Deutschen sparen im Rückwärtsgang."
Bisher setze die Politik auf die falschen Anreize. Denn die in Deutschland nur wenig ausgeprägte Aktienkultur, die anderswo die Vermögensbildung befördert, sei nicht der alleinige Grund für das hiesige Mittelmaß. Problematisch sei, dass die staatlich geförderten Sparformen aufgrund einer übersteigerten Risikoaversion in erster Linie auf garantierte und damit niedrig rentierliche Anlageprodukte setze. Diese Analyse ist nicht neu, erst jüngst hatte sie Friedrich Merz wieder in die Debatte gebracht - und wurde dafür mehr gescholten als gelobt. Dabei profitieren vor allem Eigentümer und Aktionäre von der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt, währen die Qualifikationen vieler Arbeitnehmer zumindest teilweise entwertet werden.
"Wenn sich die Spaltung der Gesellschaft in Eigentümer und Nichteigentümer nicht weiter vertiefen soll, ist die Förderung der breiten Teilhabe am Kapital der Wirtschaft unabdingbar", schreiben die Herausgeber. Aber können die unternehmerischen Zielsetzungen der Mitarbeiterbeteiligung - Bindung, Engagement, Vertrauen und unternehmerisches Denken - allein durch finanzielle Teilhabe erreicht werden? "Die Antwort ist ein klares Nein. Hinzukommen muss eine Vertrauenskultur, die Bereitschaft des Unternehmens, über die wirtschaftliche Entwicklung zu berichten, eine Kommunikation auf Augenhöhe und letztlich auch die Einbeziehung der Mitarbeiterteilhaber in Entscheidungsprozesse." Ein möglicher Verlust von eigenem Geld werde dadurch begrenzt, dass ein maßgeblicher Anteil der angesparten Einlagen als freiwillige Leistung vom Unternehmen beigesteuert wird.
Was spricht gegen solche Formen der Mitarbeiterbeteiligung? Genannt wird in der Regel das Argument des doppelten Risikos: Verlust des Arbeitsplatzes und des Kapitals. Dagegen verweisen die Autoren auf den prosperierenden Arbeitsmarkt und den Fachkräftemangel in Deutschland. Gleichwohl könne darüber diskutiert werden, ob Möglichkeiten für eine freiwillige Insolvenzsicherung der Mitarbeitereinlagen geschaffen werden könnten. Zusätzlich bedürfe es guter Beratung - auch im Schul-Curriculum und durch "learning by doing". Auch könne man von den Erfahrungen in anderen Ländern lernen. Dort sei die finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter weit verbreitet.
In Deutschland sollte das Thema als Teil der Corporate Social Responsibility (CSR) gesehen werden, fordern Beyer und Naumer. "Es wäre deshalb nur konsequent, wenn die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in den gängigen Katalog der Environment-Social-Governance-Kriterien zur Prüfung für die Beschäftigungsbedingungen aufgenommen würde." Um annähernd europäisches Förderniveau zu erreichen, müsste der jährliche Steuerfreibetrag allerdings von derzeit 360 Euro auf 3000 Euro angehoben werden. Dividenden und Zinserträge dürften gar nicht besteuert werden, wenn sie zum langfristigen Vermögensaufbau reinvestiert werden.
Langfristige Anleger müssten anders besteuert werden als kurzfristig denkende und handelnde Investoren, beispielsweise durch die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne bei Aktien bei einer Haltefrist von mindestens zehn Jahren. Für langfristige Sparpläne oder Beteiligungen ist nach Ansicht der Herausgeber ein eigener Freibetrag für die nachgelagerte Besteuerung zu diskutieren. Alternativ könnte der Freibetrag für betriebliche Altersversorgung (derzeit: 6432 Euro im Jahr) für Einlagen in kapitalmarktbasierte Produkte oder das eigene Unternehmen geöffnet werden.
Entsprechend müsste dann aber auch die steuerunschädliche Übertragung dieses Kapitals in die betriebliche Altersversorgung vorgesehen werden. Statt des im Gesetz zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung von 2009 vorgesehenen Deutschlandfonds, der nicht realisiert wurde, solle ein Teilhaberfonds ins Leben gerufen werden. Zuletzt fordern die Autoren eine Abschaffung der Abgeltungsteuer und die Verhinderung einer Steuer auf Finanztransaktionen.
Das Buch enthält viele sinnvolle Vorschläge, die auch wissenschaftlich fundiert sind. Offen bleibt die Frage, ob die Deutschen dafür zu begeistern wären - in Geldfragen neigen sie ja gerne zu irrationalen Ansichten. Doch ohne eine Mitarbeiterbeteiligung würde wohl genau das passieren, was heute schon viele befürchten: Die Reichen werden reicher, und die Armen kommen nicht mehr nach.
JOCHEN ZENTHÖFER
Heinrich Beyer / Hans-Jörg Naumer (Hrsg.): CSR und Mitarbeiterbeteiligung. Springer Gabler, Berlin 2019. 306 Seiten. 29,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Teilhabe statt Umverteilung
Dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reichen werden - dieser Irrtum ist aus den Köpfen vieler Deutscher nicht herauszubekommen. Und die Debatte darüber kennt oft nur eine Antwort: Mehr Umverteilung! "Aber es gibt noch einen anderen Weg: Teilhabe durch Kapitalbeteiligung", schreiben Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung AGP, und Hans-Jörg Naumer, der in führender Position bei Allianz Global Investors tätig ist.
Die Motivation ihres Buches ist es, breiten Bevölkerungskreisen eine Kapitalbeteiligung zu ermöglichen. Nur so sei echte Teilhabe möglich: "Teilhabe an den Früchten unternehmerischer Tätigkeit, aber auch an ihren Risiken." Die Autoren orientieren sich entlang der These, dass unternehmerische Risiken durch eine Risikoprämie entlohnt werden. Letztlich führe diese Risikoprämie zu Vermögensunterschieden. Solche Unterschiede lassen sich verkleinern, entweder durch eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung oder, darüber hinausgehend, durch einen Deutschlandfonds, oder, noch weitergehend, durch ein neu zu schaffendes Konstrukt eines Teilhaberfonds. All das sei besser als das klassische Sparen, da wir uns in einer Phase äußerst niedriger, ja negativer Renditen bei den Staatsanleihen bewegen, die so schnell nicht überwunden werden dürfte. "Wird der Kaufkraftverlust selbst geringer Inflationsraten berücksichtigt, wird deutlich: Die Deutschen sparen im Rückwärtsgang."
Bisher setze die Politik auf die falschen Anreize. Denn die in Deutschland nur wenig ausgeprägte Aktienkultur, die anderswo die Vermögensbildung befördert, sei nicht der alleinige Grund für das hiesige Mittelmaß. Problematisch sei, dass die staatlich geförderten Sparformen aufgrund einer übersteigerten Risikoaversion in erster Linie auf garantierte und damit niedrig rentierliche Anlageprodukte setze. Diese Analyse ist nicht neu, erst jüngst hatte sie Friedrich Merz wieder in die Debatte gebracht - und wurde dafür mehr gescholten als gelobt. Dabei profitieren vor allem Eigentümer und Aktionäre von der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt, währen die Qualifikationen vieler Arbeitnehmer zumindest teilweise entwertet werden.
"Wenn sich die Spaltung der Gesellschaft in Eigentümer und Nichteigentümer nicht weiter vertiefen soll, ist die Förderung der breiten Teilhabe am Kapital der Wirtschaft unabdingbar", schreiben die Herausgeber. Aber können die unternehmerischen Zielsetzungen der Mitarbeiterbeteiligung - Bindung, Engagement, Vertrauen und unternehmerisches Denken - allein durch finanzielle Teilhabe erreicht werden? "Die Antwort ist ein klares Nein. Hinzukommen muss eine Vertrauenskultur, die Bereitschaft des Unternehmens, über die wirtschaftliche Entwicklung zu berichten, eine Kommunikation auf Augenhöhe und letztlich auch die Einbeziehung der Mitarbeiterteilhaber in Entscheidungsprozesse." Ein möglicher Verlust von eigenem Geld werde dadurch begrenzt, dass ein maßgeblicher Anteil der angesparten Einlagen als freiwillige Leistung vom Unternehmen beigesteuert wird.
Was spricht gegen solche Formen der Mitarbeiterbeteiligung? Genannt wird in der Regel das Argument des doppelten Risikos: Verlust des Arbeitsplatzes und des Kapitals. Dagegen verweisen die Autoren auf den prosperierenden Arbeitsmarkt und den Fachkräftemangel in Deutschland. Gleichwohl könne darüber diskutiert werden, ob Möglichkeiten für eine freiwillige Insolvenzsicherung der Mitarbeitereinlagen geschaffen werden könnten. Zusätzlich bedürfe es guter Beratung - auch im Schul-Curriculum und durch "learning by doing". Auch könne man von den Erfahrungen in anderen Ländern lernen. Dort sei die finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter weit verbreitet.
In Deutschland sollte das Thema als Teil der Corporate Social Responsibility (CSR) gesehen werden, fordern Beyer und Naumer. "Es wäre deshalb nur konsequent, wenn die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in den gängigen Katalog der Environment-Social-Governance-Kriterien zur Prüfung für die Beschäftigungsbedingungen aufgenommen würde." Um annähernd europäisches Förderniveau zu erreichen, müsste der jährliche Steuerfreibetrag allerdings von derzeit 360 Euro auf 3000 Euro angehoben werden. Dividenden und Zinserträge dürften gar nicht besteuert werden, wenn sie zum langfristigen Vermögensaufbau reinvestiert werden.
Langfristige Anleger müssten anders besteuert werden als kurzfristig denkende und handelnde Investoren, beispielsweise durch die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne bei Aktien bei einer Haltefrist von mindestens zehn Jahren. Für langfristige Sparpläne oder Beteiligungen ist nach Ansicht der Herausgeber ein eigener Freibetrag für die nachgelagerte Besteuerung zu diskutieren. Alternativ könnte der Freibetrag für betriebliche Altersversorgung (derzeit: 6432 Euro im Jahr) für Einlagen in kapitalmarktbasierte Produkte oder das eigene Unternehmen geöffnet werden.
Entsprechend müsste dann aber auch die steuerunschädliche Übertragung dieses Kapitals in die betriebliche Altersversorgung vorgesehen werden. Statt des im Gesetz zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung von 2009 vorgesehenen Deutschlandfonds, der nicht realisiert wurde, solle ein Teilhaberfonds ins Leben gerufen werden. Zuletzt fordern die Autoren eine Abschaffung der Abgeltungsteuer und die Verhinderung einer Steuer auf Finanztransaktionen.
Das Buch enthält viele sinnvolle Vorschläge, die auch wissenschaftlich fundiert sind. Offen bleibt die Frage, ob die Deutschen dafür zu begeistern wären - in Geldfragen neigen sie ja gerne zu irrationalen Ansichten. Doch ohne eine Mitarbeiterbeteiligung würde wohl genau das passieren, was heute schon viele befürchten: Die Reichen werden reicher, und die Armen kommen nicht mehr nach.
JOCHEN ZENTHÖFER
Heinrich Beyer / Hans-Jörg Naumer (Hrsg.): CSR und Mitarbeiterbeteiligung. Springer Gabler, Berlin 2019. 306 Seiten. 29,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"... Die Beiträge behandeln Ansatzpunkte und Gestaltungswege in Deutschland, beschreiben den Nutzen für Unternehmen wie für die Arbeitnehmer und stellen Best Practices vor." (Absolut impact, Heft 1, 2019)
"... All jene, die sich für das Thema Mitarbeiterbeteiligung interessieren, finden hier viele gute Anregungen." (Thieß Petersen, in: Zentrum Liberale Moderne, libmod.de, 4. Dezember 2018)
"... All jene, die sich für das Thema Mitarbeiterbeteiligung interessieren, finden hier viele gute Anregungen." (Thieß Petersen, in: Zentrum Liberale Moderne, libmod.de, 4. Dezember 2018)