Von toxischer Mäuslichkeit befallene Nager und auseinanderdriftende Pilgerinnen bevölkern die Welt, Ovarienflüsterer und Dämoninnen, kreative Hunde und Sexpuppen aus einem Dortmunder Bordoll, geswattete Samichläuse und Gemsen als Totemtiere, durchs All schwebende Kartoffeln und ein Lord. Das klingt wie das Bestiarium einer Fantasiewelt. Ist es aber nicht. Weder sind die Figuren besonders allegorisch, noch ist die Moral so klar an ihrem Platz. Vielmehr schickt die Autorin das Figurenpersonal ihrer versammelten Zeitungskolumnen (Der Bund) als literarische Sonden in einen Alltag, der uns nur zu vertraut ist. Einen Alltag aber auch, der in seiner leicht verschobenen Normalität zur Terra incognita wird. Das ist keine Gegenwelt, auch wenn uns das manchmal recht wäre. Die immer schon inbegriffene Endzeit schwelt vielmehr unter der bekannten Tatsachenebene - unter der Wochenendweiterbildung, auf der Ombudsstelle oder am Klassentreffen. Mit kuriosem Blick und scharfer dialektaler Klinge zieht Sarah Elena Müller in "Culturestress" los, ihre Szenen aus dem Weltzusammenhang zu befreien.