Fahrrad und Mode das sitzt perfekt!
There are Nine Million Bicycles in Beijing und nicht nur dort hat man die Vorzüge des Fahrradfahrens in überfüllten Innenstädten erkannt. Amsterdam und Kopenhagen sind in Europa längst Vorreiter eines weltweiten Trends, bei dem das Fahrrad nicht nur als preiswertes und umweltfreundliches Fortbewegungsmittel dient, sondern zum Lifestyleartikel und Modeaccessoire geworden ist. Eine junge, flexible Generation nutzt ihr City-, Mountain- oder Cruiserbike als Fashion-Statement. Cycle Chic zeigt in unzähligen Schnappschüssen witzige, praktische, originelle und in jedem Fall individuelle Stylings von Radfahrern all over the world. Lassen Sie sich inspirieren!
There are Nine Million Bicycles in Beijing und nicht nur dort hat man die Vorzüge des Fahrradfahrens in überfüllten Innenstädten erkannt. Amsterdam und Kopenhagen sind in Europa längst Vorreiter eines weltweiten Trends, bei dem das Fahrrad nicht nur als preiswertes und umweltfreundliches Fortbewegungsmittel dient, sondern zum Lifestyleartikel und Modeaccessoire geworden ist. Eine junge, flexible Generation nutzt ihr City-, Mountain- oder Cruiserbike als Fashion-Statement. Cycle Chic zeigt in unzähligen Schnappschüssen witzige, praktische, originelle und in jedem Fall individuelle Stylings von Radfahrern all over the world. Lassen Sie sich inspirieren!
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2012All die hübschen Menschmaschinen
Fahrradfahren ist die einfachste Option, gutes Gewissen mit Stil zu verbinden: Zwei neue Bildbände feiern die schicksten Kombinationen von Mensch und Rad.
von Max Scharnigg
Es ist ziemlich einfach, seinem Fahrrad eine Seele zu attestieren, und zwar nicht nur angesichts der aktuellen Benzinpreise. Nein, das gutmütig rollende Gefährt fühlt sich doch schnell nach mehr an als nur nach der Summe seiner Konstruktionsteile. Das liegt zum einen daran, dass so ein Fahrrad ja erst mit uns als Fahrer eine sinnstiftende Symbiose ergibt. Es braucht uns. Einmal aufgestiegen, teilen wir die erlebten Abenteuer gerecht mit ihm, während bei einem Auto der Fahrer ja weder zur Funktion noch zum Gesamtbild Wesentliches beiträgt, er ist dort eher Passagier, der gerade noch die Richtung bestimmen darf. Nicht umsonst wird akribisch am führerlosen Automobil gearbeitet, während ein führerloses Fahrrad schlichtweg Unsinn wäre. Zum anderen ist das Fahrrad in den letzten hundert Jahren wohltuend analog geblieben und hat sich allzu modernistischer Umdeutung verweigert. Die Silhouette des Fahrradfahrers ist seit jeher die gleiche geblieben: zwei Räder, ein Sattel und darauf ein beschwingter Mensch, der den Kopf auf angenehmer Höhe durch die Welt tragen kann und dabei Autofahrer und Fußgänger überragt.
Trotz derart exponierter Stellung im Straßenbild war die Mode des radelnden Flaneurs bisher ein recht vernachlässigtes Sujet. Einerseits war das Stadtfahrrad wohl immer zu alltäglich und zu proletarisch, um die Modeschöpfer anhaltend zu beschäftigen, andererseits ist es gerade Teil seiner betörenden Schlichtheit, dass man sich eben nicht zum Fahrradfahren umzieht. Es befördert einen im Anzug ebenso gut wie in Badehose und sogar nackt, wie die zunehmende Zahl der Protestradler beweist. Was die Rennsport-Fraktion in ihren bunten Funktionspellen angeht, so sind sie in dieser Betrachtung zu vernachlässigen, erstens weil sie dankenswerterweise meist frühmorgens aus der Stadt auf die Landstraßen verschwinden und zweitens, weil sie dem Fahrrad das Vergnügliche und Würdevolle versagen – wer schon mal versucht hat, eine Schwadron ehrgeiziger Amateur-Rennradler auf einer Bergetappe zu überholen, weiß, was gemeint ist.
Nun ist das alte Stadtfahrrad in den letzten Jahren aber auf ähnliche Art in den Fokus gerückt wie der Balkon oder das Einweckglas – als Ausdruck urbaner Selbstbestimmung und Nachhaltigkeit sowie als Möglichkeit, Stil und gutes Gewissen zu verbinden. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Street-Style-Fotografen nicht nur der Mode zufälliger Passanten auf den Straßen zwischen Kopenhagen und Sydney huldigten, sondern auch das Fahrrad in diese neu empfundene Alltags-Ästhetik einbanden und ihm modische Bedeutung verliehen wurde. Zwei Fotobände feiern nun besonders gelungene Kombinationen von Mensch und Rad. Das Buch „Cycle Chic“, geboren aus dem gleichnamigen Blog von Mikael Colville-Andersen, schickt seinen Aufnahmen dabei ein Manifest voraus: „Ich werde stets mit Anmut, Eleganz und Würde fahren.“ Oder: „Ich werde danach streben, dass der Gesamtwert meiner Kleidung immer den Wert meines Fahrrads übersteigt.“ ist da unter anderem zu lesen, gefolgt von einer deutlichen Ablehnung aller Funktionsklamotten. Die Bilder, rund um die Welt aufgenommen, zeigen dann Rad und Fahrer in Aktion; mal ist das Fahrrad Menschmaschine und Logistikwerkzeug, mal Symbol wonnigster Lebensfreude. Den Fahrradfahrer, das wird angesichts dieser Aufnahmen klar, umgibt immer dann besonderer Glanz, wenn er mit der Stadt im Hintergrund kontrastiert, wenn er durch eine stehende Autokolonne manövriert oder auch nur das einzig bewegte Teilchen vor Glasfassaden und Brückenpfeilern ist. Klar: Wo alles erstarrt ist, ist jeder Tritt in die Pedale ein herrliches Versprechen.
Etwas subversiver gibt sich der „Cycle-Style“ im gleichnamigen Buch aus dem Prestel Verlag, für das der Fotograf Horst A. Friedrichs die Londoner Fahrradszene mit der Kamera besuchte. Die bietet ein wild wucherndes Abbild der neuen Fahrradmoden, da sind die dünnen Fixie-Bike-Hipster und die Blitz-Chic-Matronen auf den restaurierten Vorkriegsrädern, da sind tätowierte Kuriere und neuerdings auch viele Nostalgiker im Tweed-Anzug – für sie wird in der Stadt sogar seit einigen Jahren der Tweed-Run abgehalten, gesponsert vom ehrwürdigen Sattelhersteller Brooks. Die stilistische Einheit von Mensch und Rad, die die Fahrradhelden hier anstrengen, ist tatsächlich etwas Neues, eine Lust, die nicht selten in maßgeschneiderter Kleidung zum customized bike kulminiert. Altbekannt ist dagegen die selbstverständliche Zärtlichkeit, mit der alle Protagonisten auf den Bildern ihre Lenkergabel und Sattel umfassen – diese Zärtlichkeit kennt schließlich jeder, der schon mal darüber nachgedacht hat, ob sein Fahrrad eine Seele haben könnte.
Unser zeitgemäßes Fahrradfahren kann sehr hart sein. Vor allem, wenn nebenher noch so viel anderes bedacht und erledigt werden muss. Termine müssen geplant, Telefongespräche geführt, Matschpfützen umfahren und Freunde fest geküsst werden. Und bei all dem darf man nie vergessen, immer auch richtig fahrradchicmäßig auszusehen. Aber natürlich, man gibt sich alle Mühe. Fotos: Horst A. Friedrichs (3), Mikael Colville-Andersen (3)/ Prestel Verlag
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Fahrradfahren ist die einfachste Option, gutes Gewissen mit Stil zu verbinden: Zwei neue Bildbände feiern die schicksten Kombinationen von Mensch und Rad.
von Max Scharnigg
Es ist ziemlich einfach, seinem Fahrrad eine Seele zu attestieren, und zwar nicht nur angesichts der aktuellen Benzinpreise. Nein, das gutmütig rollende Gefährt fühlt sich doch schnell nach mehr an als nur nach der Summe seiner Konstruktionsteile. Das liegt zum einen daran, dass so ein Fahrrad ja erst mit uns als Fahrer eine sinnstiftende Symbiose ergibt. Es braucht uns. Einmal aufgestiegen, teilen wir die erlebten Abenteuer gerecht mit ihm, während bei einem Auto der Fahrer ja weder zur Funktion noch zum Gesamtbild Wesentliches beiträgt, er ist dort eher Passagier, der gerade noch die Richtung bestimmen darf. Nicht umsonst wird akribisch am führerlosen Automobil gearbeitet, während ein führerloses Fahrrad schlichtweg Unsinn wäre. Zum anderen ist das Fahrrad in den letzten hundert Jahren wohltuend analog geblieben und hat sich allzu modernistischer Umdeutung verweigert. Die Silhouette des Fahrradfahrers ist seit jeher die gleiche geblieben: zwei Räder, ein Sattel und darauf ein beschwingter Mensch, der den Kopf auf angenehmer Höhe durch die Welt tragen kann und dabei Autofahrer und Fußgänger überragt.
Trotz derart exponierter Stellung im Straßenbild war die Mode des radelnden Flaneurs bisher ein recht vernachlässigtes Sujet. Einerseits war das Stadtfahrrad wohl immer zu alltäglich und zu proletarisch, um die Modeschöpfer anhaltend zu beschäftigen, andererseits ist es gerade Teil seiner betörenden Schlichtheit, dass man sich eben nicht zum Fahrradfahren umzieht. Es befördert einen im Anzug ebenso gut wie in Badehose und sogar nackt, wie die zunehmende Zahl der Protestradler beweist. Was die Rennsport-Fraktion in ihren bunten Funktionspellen angeht, so sind sie in dieser Betrachtung zu vernachlässigen, erstens weil sie dankenswerterweise meist frühmorgens aus der Stadt auf die Landstraßen verschwinden und zweitens, weil sie dem Fahrrad das Vergnügliche und Würdevolle versagen – wer schon mal versucht hat, eine Schwadron ehrgeiziger Amateur-Rennradler auf einer Bergetappe zu überholen, weiß, was gemeint ist.
Nun ist das alte Stadtfahrrad in den letzten Jahren aber auf ähnliche Art in den Fokus gerückt wie der Balkon oder das Einweckglas – als Ausdruck urbaner Selbstbestimmung und Nachhaltigkeit sowie als Möglichkeit, Stil und gutes Gewissen zu verbinden. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Street-Style-Fotografen nicht nur der Mode zufälliger Passanten auf den Straßen zwischen Kopenhagen und Sydney huldigten, sondern auch das Fahrrad in diese neu empfundene Alltags-Ästhetik einbanden und ihm modische Bedeutung verliehen wurde. Zwei Fotobände feiern nun besonders gelungene Kombinationen von Mensch und Rad. Das Buch „Cycle Chic“, geboren aus dem gleichnamigen Blog von Mikael Colville-Andersen, schickt seinen Aufnahmen dabei ein Manifest voraus: „Ich werde stets mit Anmut, Eleganz und Würde fahren.“ Oder: „Ich werde danach streben, dass der Gesamtwert meiner Kleidung immer den Wert meines Fahrrads übersteigt.“ ist da unter anderem zu lesen, gefolgt von einer deutlichen Ablehnung aller Funktionsklamotten. Die Bilder, rund um die Welt aufgenommen, zeigen dann Rad und Fahrer in Aktion; mal ist das Fahrrad Menschmaschine und Logistikwerkzeug, mal Symbol wonnigster Lebensfreude. Den Fahrradfahrer, das wird angesichts dieser Aufnahmen klar, umgibt immer dann besonderer Glanz, wenn er mit der Stadt im Hintergrund kontrastiert, wenn er durch eine stehende Autokolonne manövriert oder auch nur das einzig bewegte Teilchen vor Glasfassaden und Brückenpfeilern ist. Klar: Wo alles erstarrt ist, ist jeder Tritt in die Pedale ein herrliches Versprechen.
Etwas subversiver gibt sich der „Cycle-Style“ im gleichnamigen Buch aus dem Prestel Verlag, für das der Fotograf Horst A. Friedrichs die Londoner Fahrradszene mit der Kamera besuchte. Die bietet ein wild wucherndes Abbild der neuen Fahrradmoden, da sind die dünnen Fixie-Bike-Hipster und die Blitz-Chic-Matronen auf den restaurierten Vorkriegsrädern, da sind tätowierte Kuriere und neuerdings auch viele Nostalgiker im Tweed-Anzug – für sie wird in der Stadt sogar seit einigen Jahren der Tweed-Run abgehalten, gesponsert vom ehrwürdigen Sattelhersteller Brooks. Die stilistische Einheit von Mensch und Rad, die die Fahrradhelden hier anstrengen, ist tatsächlich etwas Neues, eine Lust, die nicht selten in maßgeschneiderter Kleidung zum customized bike kulminiert. Altbekannt ist dagegen die selbstverständliche Zärtlichkeit, mit der alle Protagonisten auf den Bildern ihre Lenkergabel und Sattel umfassen – diese Zärtlichkeit kennt schließlich jeder, der schon mal darüber nachgedacht hat, ob sein Fahrrad eine Seele haben könnte.
Unser zeitgemäßes Fahrradfahren kann sehr hart sein. Vor allem, wenn nebenher noch so viel anderes bedacht und erledigt werden muss. Termine müssen geplant, Telefongespräche geführt, Matschpfützen umfahren und Freunde fest geküsst werden. Und bei all dem darf man nie vergessen, immer auch richtig fahrradchicmäßig auszusehen. Aber natürlich, man gibt sich alle Mühe. Fotos: Horst A. Friedrichs (3), Mikael Colville-Andersen (3)/ Prestel Verlag
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