John Boyne ist vielen sicherlich durch seinen Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ bekannt. 2009 wurde die Geschichte verfilmt. Darüber hinaus hat Boyne viele weitere Romane geschrieben, „Cyril Avery“ ist nun sein neuestes Werk. Darin geht es um einen Jungen, der im engstirnigen und
gottesfürchtigen Irland der Nachkriegszeit mit seiner Homosexualität zu kämpfen hat. Wir begleiten ihn auf seinem…mehrJohn Boyne ist vielen sicherlich durch seinen Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ bekannt. 2009 wurde die Geschichte verfilmt. Darüber hinaus hat Boyne viele weitere Romane geschrieben, „Cyril Avery“ ist nun sein neuestes Werk. Darin geht es um einen Jungen, der im engstirnigen und gottesfürchtigen Irland der Nachkriegszeit mit seiner Homosexualität zu kämpfen hat. Wir begleiten ihn auf seinem gesamten Lebensweg, von seiner Geburt bis hin ins hohe Alter, 70 Jahre lang. Dabei widmet sich John Boyne den wichtigen Themen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die diese vergangenen Jahrzehnte besonders prägten.
„Cyril Avery“ – im Original übrigens „The Heart’s Invisible Furies“ – hat mich nachhaltig beeindruckt. Es hat mich tief berührt, es hat mich schrecklich wütend gemacht, ich war sprachlos und fassungslos und doch habe ich regelmäßig herzhaft gelacht. All diese Emotionen stecken in den Zeilen, dicht an dicht nebeneinander. Oft so dicht, dass man bei einem Satz am liebsten vor lauter Ärger schreien möchte, nur um im nächsten in schallendes Gelächter auszubrechen. Was für ein atemberaubender Drahtseilakt für die Nerven und gleichzeitig: Was für ein informativer und hochinteressanter gesellschaftskritischer Roman.
Die Geschichte beginnt mit der Geburt von Cyril, die bereits unter einem schlechten Stern steht. Eine uneheliche Geburt in Irland im Jahr 1945 ist eine undenkbare Schande – sagt die Kirche. Frauen werden von ihren Familien aus dem Haus geworfen, sollen sie zusehen, wie sie zurechtkommen. So auch Cyril’s Mutter, die ihn gezwungenermaßen zur Adoption freigibt. Cyril hat Glück im Unglück, es mangelt ihn bei seinen Adoptiveltern an nichts materiellem, allerdings sind sie etwas speziell, beachten ihn kaum und wenn, führen sie die absurdesten Gespräche mit ihm. Sein beschauliches, seltsames Leben nimmt eine Wende, als er Julian trifft. Und Cyril? Er verliebt sich.
Fortan begegnet der Leser Cyril in Intervallen von sieben Jahren. Man wird Zeuge, wie er als Teenager gegen die Kirche und ihre Zwänge und Restriktionen rebelliert, wie er seine Homosexualität entdeckt und in Angst lebt, entdeckt zu werden. Wie er sich selbst und seine Wünsche verleugnet, um in Sicherheit leben zu können. Als er endlich flieht, erlebt er Mitte/Ende der 80er Jahre in New York die Aids-Krise mit, die Ausbreitung der „Schwulenkrankheit“. Aber auch Feminismus spielt in dem Roman eine große Rolle, die Geringschätzung weiblicher Intelligenz wird zentral thematisiert sowie der respektlose Umgang mit der weiblichen Sexualität. Am Ende schließt sich der Kreis und Cyril kehrt 2015, nach dem Referendum über die Homo-Ehe, nach Irland zurück.
Fazit
Geradezu monumental ist „Cyril Avery“: 70 Jahre gesellschaftskritische Lektüre, von Irland über Amsterdam bis hin nach New York, von der Nachkriegszeit 1945 bis 2015. John Boyne widmet sich in „Cyril Avery“ seinem Protagonisten und begleitet ihn durch sein herausforderndes Leben. Homosexualität, Homophobie, Emanzipation, Liebe, Freundschaft, Heimat, Familie, Aids und Tod – alle diese Themen finden in diesem großartigen Roman Platz. Und anstatt angesichts dieser Themen in Schwermut zu versinken, verleiht ihnen Boyne’s teils deftiger, aber immer herzlicher Humor eine äußerst angenehme Leichtigkeit. Was für eine Mischung! Wer auch nur ansatzweise interessiert ist: Dieses Buch will gelesen werden.