Mit diesem Hörbuch habe ich, was meine Lese- und Lauscherfahrung betrifft, Neuland betreten. Wir haben zwar sämtliche Thriller von le Carré auf englisch zu Hause, aber für mich waren sie immer etwas schwierig und die Materie ungewohnt. Aus diesem Grund war ich nicht sehr erstaunt, dass mir der
Einstieg in dieses Hörbuch erst nicht leicht gefallen ist. Le Carrés Welt des Geheimdienstes…mehrMit diesem Hörbuch habe ich, was meine Lese- und Lauscherfahrung betrifft, Neuland betreten. Wir haben zwar sämtliche Thriller von le Carré auf englisch zu Hause, aber für mich waren sie immer etwas schwierig und die Materie ungewohnt. Aus diesem Grund war ich nicht sehr erstaunt, dass mir der Einstieg in dieses Hörbuch erst nicht leicht gefallen ist. Le Carrés Welt des Geheimdienstes unterscheidet sich sehr von der „Whiskey – geschüttelt nicht gerührt“-Welt von James Bond. Sie ist unauffällig, bescheiden und teilweise sogar schmuddelig. Wer von diesem Thriller viel Action, Verfolgungsjagden und Schießereien erwartet, wird enttäuscht werden. Die Handlung ist zum größten Teil aus der Perspektive von George Smiley beziehungsweise Peter Guillam erzählt und besteht vorwiegend aus Gesprächen, Erinnerungen und Berichten, die Smiley oder Guillam lesen. Dazwischen sind wenige kurze Sequenzen, die uns Jim Prideaux näher bringen, der an einer Privatschule französisch unterrichtet und ein eher kauziges Leben führt.
Ich denke, man merkt es diesem Roman an, dass der Autor persönliche Erinnerungen und Erfahrungen eingearbeitet hat. Der Roman ist erstmals 1974 unter dem englischen Titel „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“ erschienen sicherlich als Reaktion auf die Enthüllungen der Affäre um Kim Philby, die 1963 dazu geführt hat, dass le Carré den Britischen Geheimdienst verlassen musste. Es lohnt sich, vor der Lektüre oder dem Hören des Hörbuchs, sich mit diesen Entwicklungen etwas vertraut zu machen. So ganz ohne gewisse Kenntnisse über den Kalten Krieg und die wichtigsten Enthüllungen wird man sehr vieles nicht verstehen. Mir fallen praktisch jedes Mal, wenn ich einzelne Passagen noch mal höre, neue Einzelheiten und Zusammenhänge auf.
Der englische Titel „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“ bezieht sich auf einen beliebten englischen Abzählreim, der jedem Kind in irgendeiner Abwandlung bekannt ist:
„Tinker, tailor, soldier, sailor, rich man, poor man, beggar man, thief”
Wer der „Tinker“ und der „Tailor“ ist, habe ich bis jetzt nicht sicher herausgefunden. Den „Soldier“ und den „Spy“ meine ich, identifiziert zu haben.
Als Gewohnheitsleser von Thrillern, die in der Gegenwart spielen, fand ich es sehr interessant, wie sich die Agenten gegenseitig informiert hatten, in einem Zeitalter ohne Handy und Computer. Ein Badeanzug vor dem Fenster, ein Plakat an einer Wand oder ein hochgestellter Kragen zeigte dem anderen, ob ein Treffen stattfindet oder ob die Luft rein ist. Mit jeder Verabredung wurden gleichzeitig mehrere Ersatzverabredungen getroffen, falls die erste nicht klappte.
Auf dem Hörbuch gibt es keine Musik oder Hintergrundgeräusche. Der Sprecher Rainer Maria Erhardt versucht beim Lesen verschiedene Stimmen zu intonieren, so dass man bei Gesprächen gut versteht, wer gerade spricht. Bei Hörbüchern, die zu so großem Anteil aus wörtlicher Rede bestehen, ist mir das für das Verständnis sehr wichtig.
Die größeren Kapitel sind durch Untertitel gekennzeichnet, die auf den Inhalt vorbereiten und praktischerweise der Aufteilung der „tracks“ entsprechen. Bei Perspektivwechseln innerhalb der Kapitel hat mir der Sprecher manchmal etwas zu schnell darüber hinweg gelesen, so dass ich öfter zurückgehen musste, um den Übergang zu finden. Aber ich finde das viel weniger schlimm, wenn die Lesung dafür ungekürzt ist.
Ich habe von diesem Buch sehr viel mitgenommen. Anfangs musste ich mir das Verständnis etwas erkämpfen und mir erst etwas historische Hintergründe erarbeiten oder auffrischen. Es ist eine Welt, in der Vertrauen auf Misstrauen trifft und Loyalität auf Verrat, die mir persönlich völlig fremd ist, aber die doch veranschaulicht, wie fragil das Kräftegleichgewicht zur Zeit des Kalten Krieges gewesen ist.
Dame, König, As, Spion ist sicher keine schnelle Lektüre für zwischendurch. Aber wer sich bereits etwas auskennt mit der Materie oder an der jüngeren Geschichte interessiert ist, wird mit spannender und subtiler Unterhaltung