Ein Spitzenpolitiker steht Rede und Antwort
Thomas de Maizière steht Rede und Antwort. Dabei nimmt er die Politik und sich selbst in die Pflicht, weil er nicht möchte, dass in diesem Land die Banken, die Unternehmen, die Gewerkschaften regieren. Wann aber funktioniert Politik, wann dient sie den Menschen - und wann nicht? Welchen Anspruch hat er an sich selbst? Kurzum, was heißt das: Macht und Regieren?
In diesem Buch gewährt de Maizière außergewöhnlich tiefe Einblicke in das Innenleben der Politik. Er äußert sich offen über bedeutende politische Ereignisse wie die Verhandlungen zur Wiedervereinigung oder den Kampf der Großen Koalition gegen die Weltfinanzkrise. Mit Leidenschaft verteidigt er die Politik - und spart dabei nicht mit Kritik, auch an der eigenen Partei. Gleichzeitig wehrt er sich vehement gegen die weitverbreitete Stimmung, Politiker seien korrupt, egoistisch und könnten das Land nicht regieren. Er spricht über das Fundament seiner Werte, die Verantwortung von Soldaten und die historische Schuld des Militärs im Zweiten Weltkrieg; über die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit und erlaubte Notlügen; über seinen Glauben an die Auferstehung; wie ihn Niederlagen und Verletzungen weiterbringen und welche Ratschläge seines Vaters er noch heute berücksichtigt.
Thomas de Maizière steht Rede und Antwort. Dabei nimmt er die Politik und sich selbst in die Pflicht, weil er nicht möchte, dass in diesem Land die Banken, die Unternehmen, die Gewerkschaften regieren. Wann aber funktioniert Politik, wann dient sie den Menschen - und wann nicht? Welchen Anspruch hat er an sich selbst? Kurzum, was heißt das: Macht und Regieren?
In diesem Buch gewährt de Maizière außergewöhnlich tiefe Einblicke in das Innenleben der Politik. Er äußert sich offen über bedeutende politische Ereignisse wie die Verhandlungen zur Wiedervereinigung oder den Kampf der Großen Koalition gegen die Weltfinanzkrise. Mit Leidenschaft verteidigt er die Politik - und spart dabei nicht mit Kritik, auch an der eigenen Partei. Gleichzeitig wehrt er sich vehement gegen die weitverbreitete Stimmung, Politiker seien korrupt, egoistisch und könnten das Land nicht regieren. Er spricht über das Fundament seiner Werte, die Verantwortung von Soldaten und die historische Schuld des Militärs im Zweiten Weltkrieg; über die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit und erlaubte Notlügen; über seinen Glauben an die Auferstehung; wie ihn Niederlagen und Verletzungen weiterbringen und welche Ratschläge seines Vaters er noch heute berücksichtigt.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Heinrich Wefing kann diesem Buch des Verteidigungsministers Thomas de Maizière viel abgewinnen, der sich darin als ein tüchtiger Vertreter der preußischen Funktionärsaristokratie präsentiert, der Politik eher aus dem Apparat heraus gestaltet als in der Hitze des öffentlichen Gefechts. Im Gespräch mit dem SZ-Redakteur erzählt de Maizière von seiner Jugend als Sohn eines Bundeswehr-Offiziers in Bonn, seine Beamtenkarriere in verschiedenen Ministerien, seine Arbeit als Ministers. Enthüllungen sollte man sich lieber nicht erwarten, baut Wefing falschen Erwartungen vor, was man von de Maizière erfahren kann, ist die Erklärung politischer Technik: Wie werden Informationen gesteuert, wie Regierungspolitik gestaltet, Koalitionen organisiert. Interessant erscheinen Wefing aber auch die inhaltlichen Fragen, die de Maizière aufwirft, etwa wie abhängig eine Informationsgesellschaft von Großkonzernen werden darf.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"[Es] ist ein eingehendes Interview entstanden, das de Maizière Gelegenheit gibt, einige Gedanken zu entfalten, in Ruhe, nicht in fernsehtauglichen Schnipseln." Die Zeit
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2019Banker ohne Vorbereitung
Erfahrungen mit Wirtschaftsführern und Lobbyisten
Thomas de Maizière hatte 28 Jahre lang Regierungsverantwortung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und dem Bund. Dort war er Chef des Kanzleramtes, Verteidigungsminister und Innenminister. Nun hat er ein Buch mit dem Titel "Regieren" vorgelegt. Und tatsächlich geht es dort ums Regieren, es geht um Institutionen, Mechanismen, Rollen, Erwartungen, Inszenierungen, Alltag, Krisen, Loyalität, Illoyalität, Kritik und Haltungen. Das Buch ist kein politisches Testament, keine Bewerbung für andere Aufgaben, keine Rechtfertigung vergangener Entscheidungen (beziehungsweise nur ganz selten). Es ist ein Lehrbuch übers Regieren und sollte von jedem gelesen werden, der Minister werden will, und von jedem, der beruflich mit Ministern zu tun hat.
Dazu gehören Wirtschaftsführer, Lobbyisten und Unternehmer. Viele von ihnen machen sich ein falsches Bild von den Abläufen innerhalb des "Berliner S-Bahn-Rings", wie de Maizière die "Blase" geographisch eingrenzt. Regierungsgeschäfte verlaufen anders als Verhandlungen in Vorstandsetagen und ganz anders, als es Studenten in Vorlesungen zum Staatsrecht lernen.
Als Minister hatte de Maizière immer eine Ausgabe des Märchens "Der kleine Häwelmann" von Theodor Storm dabei. Dabei geht es um einen kleinen Jungen, der immer mehr und noch mehr Aufmerksamkeit beansprucht, nicht genug bekommen kann, in seinem Bettchen aus dem Haus fliegt und immer "mehr, mehr" schreit. "Ein solches Verhalten habe ich oft bei Interessenverbänden und Unternehmen kennengelernt", resümiert de Maizière: "Es konnte nie genug sein. Jeder Fortschritt, den sie zuvor eingefordert hatten, war nicht genug."
Er habe dann in solchen Gesprächen die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt oder sogar ein Exemplar an die Betroffenen gesendet: "Bewirkt hat es wahrscheinlich wenig, außer Erstaunen. Manche waren sicher beleidigt." Für de Maizière sind Interessenverbände unersättlich. "Genauso wie es legitim ist, dass die Verbände ihre Interessen einseitig vertreten, ist es notwendig, dass die Regierung die Interessen der Allgemeinheit vertritt."
Spannend ist, wie de Maizière die Arbeit der Berliner Lobbyisten bewertet: "So unterschiedlich der Hintergrund der Interessenverbände ist, so ähnlich ist die Arbeitsweise. Es gibt Geschäftsstellen mit hauptamtlichen Mitarbeitern. Es gibt Zeitschriften und Newsletter, die inzwischen die Posteingänge der E-Mail-Adressen so zustopfen, dass sie kaum noch zur Kenntnis genommen werden. Es werden Parlamentarische Abende veranstaltet, Preise verliehen, Konzerte durchgeführt, Partys gemacht und Gutachten vergeben."
Zu den Parlamentarischen Abenden schreibt der frühere Politiker: "Die Veranstalter geben sich große Mühe. Ein wirklicher Imagegewinn ist damit trotzdem nicht verbunden. Es gibt zu viele derartige Veranstaltungen, und sie unterscheiden sich inzwischen oft nur danach, ob die Location cool ist." Er hätte diese Veranstaltungen daher nur selten besucht, sich aber regelmäßig im Ministerium mit den Verbänden getroffen. Das sei nicht kritikwürdig. Aber: "Es gibt Verbände, denen es gelungen ist, aus den Ministerien zuweilen Vorlagen an den Minister zu bekommen, bevor der Minister sie auf dem Tisch hat. So ist es beim Bundeswehrverband. Man hört es auch aus dem Gesundheitsministerium. Das ist nicht in Ordnung." Im Buch beschreibt de Maizière, eher beiläufig, mit welchem Trick er undichten Quellen im Ministerium auf die Spur gekommen ist.
Welcher Lobbyismus scheitert? Besonders beachtet würden in der Politik immer die Positionspapiere der Kirchen, schreibt der Christdemokrat, aber er warnt: "Je gefälliger und austauschbarer die Stellungnahmen werden, wenn sie ihr Spezifisches verlieren und sich äußern wie jeder andere Interessenverband, dann werden sie von der Regierung auch so behandelt: als wichtig, aber wie andere unter ferner liefen." So werde eine Stellungnahme der Kirchen zum Mindestlohn oder zum Rentenniveau nicht mehr beachtet als die des Deutschen Gewerkschaftsbundes. "Deshalb ist hier Zurückhaltung angeraten", schreibt de Maizière.
Was ihm auch nicht gefallen habe, seien schlecht vorbereitete Bankenchefs: "Ich habe gemeinsam mit dem Kollegen Peer Steinbrück in der Finanzkrise Vorstandsvorsitzende von Banken erlebt, die zuvor in der Öffentlichkeit vor Kraft nicht laufen konnten, in der Krise aber nicht nur klein mit Hut, sondern auch substanzlos waren bei der Beschreibung der Krise oder bei der Analyse der Lage der eigenen Bank. Ich habe selbstbewusste Unternehmensführer bei der Bundeskanzlerin erlebt, die eine Frage der Kanzlerin nicht beantworten konnten - obwohl sie nahelag -, weil sie nicht Teil der vorbereiteten Unterlagen war, und die dann plötzlich unsicher und fahrig wurden."
Und was schreibt de Maizière über ebendiese Bundeskanzlerin? "Sie hat den mit Abstand schwierigsten, anspruchsvollsten und arbeitsreichsten Job in der Regierung. Ihr Arbeitspensum ist immens, dass man allein davor nur den Hut ziehen kann, wie sie das schafft. Die Bundeskanzlerin muss zu allen wichtigen Themen auskunftsfähig sein. Allein das verlangt harte Arbeit, ein gutes Gedächtnis und eine ungeheure Intelligenz." Er habe Angela Merkel oft als warmherzig, witzig und dem Gesprächspartner als Menschen zugewandt erlebt.
Ob er auch ihr einmal die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt hat? Diese endet übrigens mit dem Absturz des Jungen in ein großes Gewässer. Zuletzt schreibt Storm, etwas unvermittelt, an den Leser seines Märchens: "Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!" De Maizière hat 28 Jahre lang viele kleine Häwelmänner an die Hand genommen. Sein Antrieb war die Loyalität zu unserem Staat, den er nie hat ertrinken lassen. Respekt.
JOCHEN ZENTHÖFER
Thomas de Maizière: Regieren. Herder, Freiburg 2019. 252 Seiten. 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erfahrungen mit Wirtschaftsführern und Lobbyisten
Thomas de Maizière hatte 28 Jahre lang Regierungsverantwortung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und dem Bund. Dort war er Chef des Kanzleramtes, Verteidigungsminister und Innenminister. Nun hat er ein Buch mit dem Titel "Regieren" vorgelegt. Und tatsächlich geht es dort ums Regieren, es geht um Institutionen, Mechanismen, Rollen, Erwartungen, Inszenierungen, Alltag, Krisen, Loyalität, Illoyalität, Kritik und Haltungen. Das Buch ist kein politisches Testament, keine Bewerbung für andere Aufgaben, keine Rechtfertigung vergangener Entscheidungen (beziehungsweise nur ganz selten). Es ist ein Lehrbuch übers Regieren und sollte von jedem gelesen werden, der Minister werden will, und von jedem, der beruflich mit Ministern zu tun hat.
Dazu gehören Wirtschaftsführer, Lobbyisten und Unternehmer. Viele von ihnen machen sich ein falsches Bild von den Abläufen innerhalb des "Berliner S-Bahn-Rings", wie de Maizière die "Blase" geographisch eingrenzt. Regierungsgeschäfte verlaufen anders als Verhandlungen in Vorstandsetagen und ganz anders, als es Studenten in Vorlesungen zum Staatsrecht lernen.
Als Minister hatte de Maizière immer eine Ausgabe des Märchens "Der kleine Häwelmann" von Theodor Storm dabei. Dabei geht es um einen kleinen Jungen, der immer mehr und noch mehr Aufmerksamkeit beansprucht, nicht genug bekommen kann, in seinem Bettchen aus dem Haus fliegt und immer "mehr, mehr" schreit. "Ein solches Verhalten habe ich oft bei Interessenverbänden und Unternehmen kennengelernt", resümiert de Maizière: "Es konnte nie genug sein. Jeder Fortschritt, den sie zuvor eingefordert hatten, war nicht genug."
Er habe dann in solchen Gesprächen die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt oder sogar ein Exemplar an die Betroffenen gesendet: "Bewirkt hat es wahrscheinlich wenig, außer Erstaunen. Manche waren sicher beleidigt." Für de Maizière sind Interessenverbände unersättlich. "Genauso wie es legitim ist, dass die Verbände ihre Interessen einseitig vertreten, ist es notwendig, dass die Regierung die Interessen der Allgemeinheit vertritt."
Spannend ist, wie de Maizière die Arbeit der Berliner Lobbyisten bewertet: "So unterschiedlich der Hintergrund der Interessenverbände ist, so ähnlich ist die Arbeitsweise. Es gibt Geschäftsstellen mit hauptamtlichen Mitarbeitern. Es gibt Zeitschriften und Newsletter, die inzwischen die Posteingänge der E-Mail-Adressen so zustopfen, dass sie kaum noch zur Kenntnis genommen werden. Es werden Parlamentarische Abende veranstaltet, Preise verliehen, Konzerte durchgeführt, Partys gemacht und Gutachten vergeben."
Zu den Parlamentarischen Abenden schreibt der frühere Politiker: "Die Veranstalter geben sich große Mühe. Ein wirklicher Imagegewinn ist damit trotzdem nicht verbunden. Es gibt zu viele derartige Veranstaltungen, und sie unterscheiden sich inzwischen oft nur danach, ob die Location cool ist." Er hätte diese Veranstaltungen daher nur selten besucht, sich aber regelmäßig im Ministerium mit den Verbänden getroffen. Das sei nicht kritikwürdig. Aber: "Es gibt Verbände, denen es gelungen ist, aus den Ministerien zuweilen Vorlagen an den Minister zu bekommen, bevor der Minister sie auf dem Tisch hat. So ist es beim Bundeswehrverband. Man hört es auch aus dem Gesundheitsministerium. Das ist nicht in Ordnung." Im Buch beschreibt de Maizière, eher beiläufig, mit welchem Trick er undichten Quellen im Ministerium auf die Spur gekommen ist.
Welcher Lobbyismus scheitert? Besonders beachtet würden in der Politik immer die Positionspapiere der Kirchen, schreibt der Christdemokrat, aber er warnt: "Je gefälliger und austauschbarer die Stellungnahmen werden, wenn sie ihr Spezifisches verlieren und sich äußern wie jeder andere Interessenverband, dann werden sie von der Regierung auch so behandelt: als wichtig, aber wie andere unter ferner liefen." So werde eine Stellungnahme der Kirchen zum Mindestlohn oder zum Rentenniveau nicht mehr beachtet als die des Deutschen Gewerkschaftsbundes. "Deshalb ist hier Zurückhaltung angeraten", schreibt de Maizière.
Was ihm auch nicht gefallen habe, seien schlecht vorbereitete Bankenchefs: "Ich habe gemeinsam mit dem Kollegen Peer Steinbrück in der Finanzkrise Vorstandsvorsitzende von Banken erlebt, die zuvor in der Öffentlichkeit vor Kraft nicht laufen konnten, in der Krise aber nicht nur klein mit Hut, sondern auch substanzlos waren bei der Beschreibung der Krise oder bei der Analyse der Lage der eigenen Bank. Ich habe selbstbewusste Unternehmensführer bei der Bundeskanzlerin erlebt, die eine Frage der Kanzlerin nicht beantworten konnten - obwohl sie nahelag -, weil sie nicht Teil der vorbereiteten Unterlagen war, und die dann plötzlich unsicher und fahrig wurden."
Und was schreibt de Maizière über ebendiese Bundeskanzlerin? "Sie hat den mit Abstand schwierigsten, anspruchsvollsten und arbeitsreichsten Job in der Regierung. Ihr Arbeitspensum ist immens, dass man allein davor nur den Hut ziehen kann, wie sie das schafft. Die Bundeskanzlerin muss zu allen wichtigen Themen auskunftsfähig sein. Allein das verlangt harte Arbeit, ein gutes Gedächtnis und eine ungeheure Intelligenz." Er habe Angela Merkel oft als warmherzig, witzig und dem Gesprächspartner als Menschen zugewandt erlebt.
Ob er auch ihr einmal die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt hat? Diese endet übrigens mit dem Absturz des Jungen in ein großes Gewässer. Zuletzt schreibt Storm, etwas unvermittelt, an den Leser seines Märchens: "Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!" De Maizière hat 28 Jahre lang viele kleine Häwelmänner an die Hand genommen. Sein Antrieb war die Loyalität zu unserem Staat, den er nie hat ertrinken lassen. Respekt.
JOCHEN ZENTHÖFER
Thomas de Maizière: Regieren. Herder, Freiburg 2019. 252 Seiten. 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main