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Zehn Jahre ist es her, dass der Missbrauchsskandal am Berliner Canisius-Kolleg die Öffentlichkeit erschütterte und die katholische Kirche in Deutschland in eine tiefe Krise stürzte. Matthias Katsch ist einer der Betroffenen, die 2010 die Fälle aktiv öffentlich gemacht haben. Seitdem streitet er um Aufklärung, Hilfe und Entschädigung für die Opfer sexuellen Missbrauchs. Doch was wurde erreicht? Erstmals erzählt er, wie es ihm persönlich gelang, das Schweigen zu durchbrechen und seine Geschichte öffentlich zu machen, und zieht nach zehn Jahren des Kampfes Bilanz. Eine bewegende Geschichte. Ein…mehr

Produktbeschreibung
Zehn Jahre ist es her, dass der Missbrauchsskandal am Berliner Canisius-Kolleg die Öffentlichkeit erschütterte und die katholische Kirche in Deutschland in eine tiefe Krise stürzte. Matthias Katsch ist einer der Betroffenen, die 2010 die Fälle aktiv öffentlich gemacht haben. Seitdem streitet er um Aufklärung, Hilfe und Entschädigung für die Opfer sexuellen Missbrauchs. Doch was wurde erreicht? Erstmals erzählt er, wie es ihm persönlich gelang, das Schweigen zu durchbrechen und seine Geschichte öffentlich zu machen, und zieht nach zehn Jahren des Kampfes Bilanz.
Eine bewegende Geschichte. Ein aufrüttelndes Plädoyer. Ein Aufruf zum Handeln: Damit es aufhört.
Autorenporträt
Matthias Katsch war Schüler der Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg und gehört zu den Missbrauchsopfern der 1970er-Jahre. Auch durch sein couragiertes Auftreten wurde im Januar 2010 der damalige Rektor der Schule zur Bekanntmachung der Missbrauchsfälle veranlasst. Zusammen mit anderen Betroffenen gründete er die Initiative "Eckiger Tisch". Heute zählt er zu den wichtigsten Aktivisten im Kampf um die gesellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Internationalen Organisation "ECA - Ending Clergy Abuse" und Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2020

Im Kreislauf von Schuld und Scham
Matthias Katsch über seinen eigenen und andere Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche

Es war in den siebziger Jahren im Berliner Canisius-Kolleg, als Matthias Katsch zum ersten Mal von Pater R. zum Beichtgespräch in die "Burg" gerufen wurde. So nannten die Schüler das Gebäude der katholischen Privatschule im Bezirk Tiergarten, die unter der Trägerschaft der Jesuiten steht. Katsch gehörte 1973 zum letzten reinen Jungenjahrgang des altsprachlichen Gymnasiums.

"Peter" sollten die Schüler den Pater nennen, der die dreizehnjährigen Jungen regelmäßig zu sich bestellte. Dabei gab es für den Pater nur ein Thema: die sexuelle Selbstbefriedigung seiner Schüler. In seinem Buch "Damit es aufhört" arbeitet Matthias Katsch diese Erlebnisse auf. Möglichst genau habe er dem Pater schildern müssen, unter welchen Bedingungen er sich selbst befriedigte und welche Phantasien er damit verband. Er habe gemerkt, wie sehr den Pater das erregte: "Einmal saß ich während eines Gesprächs auf seinem Schoß und konnte die in der weiten Hose verborgene Erektion deutlich spüren."

Katsch und seine betroffenen Mitschüler mussten sich unter der Aufsicht des Paters Pornobilder anschauen und sagen, was sie dabei empfinden. Das alles fand im Namen der katholischen Lehre statt, die Selbstbefriedigung zu den schwersten Sünden der Menschen zählt. Und so befahl auch der Pater seinen Schülern, enthaltsam zu sein und sich nur noch in seiner Gegenwart selbst zu befriedigen. Er zwang sie damit in einen Kreislauf von Schuldgefühlen, tiefer Scham und Versagensängsten, während er selbst als Erlöser der Sünden auftrat.

Ein anderer Pater, von dem Katsch erzählt, lebte seine sadistischen Neigungen an den Schülern aus. Pater Wolfgang erpresste Katsch: Er werde ihm, der Schwierigkeiten mit dem Unterrichtsstoff hatte, in der Schule helfen; wenn er die Versetzung schaffen würde, sollte er sich dafür vom Pater "übers Knie legen" lassen. Katsch willigte ahnungslos ein. Er wurde versetzt, und es drohte ihm die versprochene Tracht Prügel. Der Pater schlug ihm den nackten Hintern blutig.

Während seiner Schulzeit fanden er und seine Mitschüler keine Sprache für das, was ihnen angetan worden war. Jahrzehnte des Schweigens und Verdrängens vergingen, bevor Katsch den Mut fasste, zu reden. Er und ehemalige Mitschüler wandten sich im Jahr 2010 an die Schule, kurze Zeit später wurde der Missbrauchsskandal öffentlich. Es sind typische Strukturen systematischen Missbrauchs und seiner verspäteten Aufarbeitung, von denen Katsch eindringlich Zeugnis ablegt.

Das mediale Interesse war groß, es gab runde Tische, Aufarbeitungskommissionen, Präventionsmaßnahmen. Der Kampf um Entschädigungszahlungen gestaltet sich - wie immer in solchen Fällen, die lange zurückliegen und als verjährt eingestuft werden - nach wie vor als schwierig, es gibt Täter, aber keine Institution, die als Ganze Verantwortung übernimmt.

Katsch ist inzwischen als Unternehmensberater tätig. Sein gesamtes Erwachsenenleben habe er wie hinter einer Milchglasscheibe verbracht. Lange Zeit sei seine Erinnerung an den erlittenen Missbrauch ausgelöscht gewesen. Er schildert, wie sehr sein Leben davon geprägt gewesen sei, ohne dass er die Mechanismen dahinter immer hätte greifen können. Sein Buch ist nicht das eines versierten Autors. Es hat eher den Charakter von persönlichen Notizen, die der eigenen Aufarbeitung und der Dokumentation der Missbrauchsfälle dienen. Doch es ist nicht nur ein wichtiges Zeugnis eines Betroffenen. Katsch findet auch sehr deutliche Worte für seine Kritik an der katholischen Kirche.

Für ihn steht außer Frage, dass die katholische Kirche als System für den Kindesmissbrauch verantwortlich ist. Als einen zentralen Fehler sieht Katsch den Zölibat und die hohe Autorität der Priester. Die starren Hierarchien, gepaart mit der moralisierenden katholischen Lehre, die Sexualität mit Sünde koppelt, begünstigten Strukturen, die Missbrauch ermöglichen. Mehr noch: "Sexualisierte Gewalt ist eingeschrieben in das System."

Der Autor verdeutlicht, wie tief die Wechselwirkung von Schuld und Scham im Katholizismus greift. Die Bereitschaft, sich mit der Kirche und ihren Oberhäuptern anzulegen, sei gering. Dezidiert beschreibt Katsch die vielen Rädchen im Getriebe, die durch Verschweigen, Vertuschen, Mitmachen das Unrecht am Leben erhalten. Dass so etwas von Dauer sein kann, verwundert nicht, "wenn man den Kindesmissbrauch durch Priester als das begreift, was er für die katholische Kirche ist: eine Bedrohung ihres Ideologiegebäudes und damit ihrer Existenz".

Katsch legt den Finger in die Wunde, und das macht sein Buch zu einer lohnenden Lektüre. Eine wirkliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kann es nicht geben, wenn sie das Übel nicht an den Wurzeln packt. Der Synodale Weg, den die katholische Kirche neuerdings einschlägt, ist ein Anfang. Er darf nicht ihr letzter Schritt sein. Das ist das mindeste, was sie ihren Opfern schuldig ist.

HANNAH BETHKE

Matthias Katsch: "Damit es aufhört." Vom befreienden Kampf der Opfer sexueller Gewalt in der Kirche.

Nicolai Verlag, Berlin 2020. 168 S., geb., 18,- [Euro].

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