Sie sind über sechshundert. Ohne Obdach, ohne Land, ohne Bestimmung. Sie sind Damnificados. Nacho Morales ist ihr Hoffnungsträger, Nacho, dieser polyglotte Krüppel, dieser atheistische Prophet, dieser Schachspieler, Lehrer und Geschichtenerzähler ist entschlossen, sie ins Gelobte Land zu führen. Das Ziel ihrer Landnahme ist der berühmte Torres-Turm, ein im Rohbau belassener Wolkenkratzer in der Megalopole Favelada.So beginnt das epische und spektakuläre Abenteuer der Damnificados, die sich einem zweiköpfigen Wolf ausgesetzt sehen, einer biblischen Sintflut, korrupten Polizisten, einer Armee von Libellen, schwer bewaffneten Müllkriegern und schließlich den Besitzern des Gebäudes, in einem heroischen und oft komischen Kampf ums Überleben - und um ihre Würde. Sie besetzen den Turm und errichten eine anarchische Gemeinschaft mit Schulen, Läden, Schönheitssalons und einer Verteidigungsmiliz.»Damnificados« wurde inspiriert vom Torre de David in Caracas, der von Bewohnern der Armenviertel besetzt wurde - bis zur Räumung 2014. JJ Amaworo Wilson macht aus dieser realen Vorlage eine fantastische Fabel von einer Zufluchtsstätte für die Verdammten dieser Erde. »Damnificados« ist eine hochaktuelle Geschichte von Migration und sozialen Kämpfen: Landlose gegen Landbesitzer, Arme gegen Reiche, Verdammte gegen Vergoldete.
buecher-magazin.deWie das Tor zur Unterwelt ist auch der Eingang in den Torre de Torres von einer mehrköpfigen Bestie bewacht. Doch mehrere Hundert Damnificados lassen sich davon nicht schrecken. Sie haben nichts zu verlieren und vor ihnen liegt die Möglichkeit eines Zuhauses. Ihr Anführer Nacho Morales bewegt sich mühsam auf zwei Krücken, doch sein Geist ist rege, und er findet für alles eine Lösung. Trotz aller Not leitet er die Damnificados zu einem friedvollen Zusammenleben an. Nicht weniger als eine Utopie! Der Turm der Türme ist Arche und Babel und es gibt sogar ein reales Vorbild dafür: den Torre de David in Caracas. Auch dieser Bau wurde von Obdachlosen besetzt – doch für Wilson ist dies nur der Beginn. Mit einer deutlichen Spur magischen Realismus beschreibt er einen globalen Archetyp Slum. Wilsons eigene Biografie liest sich wie eine Reise rund um den Globus und vielleicht ist sie eine Art Erklärung für seine so waghalsigen wie stimmigen polyglotten Anleihen in den Elendsvierteln wie Mythen dieser Welt. Manchmal mag er sich in einer Episode vergaloppieren – doch wen stört das, wenn sie so rasant und absurd komisch erzählt sind? Die Spannung um den Torre de Torres bis zum Finale im fünften der Müllkriege, der so eigentlich gar nicht genannt werden kann, hält er in jedem Fall.
© BÜCHERmagazin, Jana Kühn (jk)
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