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Von den Kopfbedeckungen und Schuhen Ludwigs XIV. bis zu den Seidenkleidern von Isadora Duncan war die Kleidung der Tänzer_innen so vielfältig wie die Tanzformen selbst. Die Geschichte des ausgestellten Körpers ist auch eine Geschichte der Scham und Schamlosigkeit, der kulturellen und moralischen Akzeptanz und Provokation. Bühnenkostüme wurden zensiert und verboten, ästhetische Überlegungen hinter gesellschaftliche Tabus gestellt. Wie viel durfte und sollte gezeigt werden?Das Buch liefert erstmals eine fundierte und gut lesbare Geschichte der Ver- und Enthüllung des Körpers und der damit…mehr

Produktbeschreibung
Von den Kopfbedeckungen und Schuhen Ludwigs XIV. bis zu den Seidenkleidern von Isadora Duncan war die Kleidung der Tänzer_innen so vielfältig wie die Tanzformen selbst. Die Geschichte des ausgestellten Körpers ist auch eine Geschichte der Scham und Schamlosigkeit, der kulturellen und moralischen Akzeptanz und Provokation. Bühnenkostüme wurden zensiert und verboten, ästhetische Überlegungen hinter gesellschaftliche Tabus gestellt. Wie viel durfte und sollte gezeigt werden?Das Buch liefert erstmals eine fundierte und gut lesbare Geschichte der Ver- und Enthüllung des Körpers und der damit einhergehenden Evolution des Bühnentanzes seit dem 17. Jahrhundert.Eine umfangreiche Sammlung von Abbildungen u. a. aus dem Victoria & Albert Museum, MoMA, Musée d'Orsay, dem Museo Reina Sofía, der National Gallery of Washington, dem British Museum, dem Deutschen Historischen Museum und dem Kunst-haus Zürich veranschaulicht die Entwicklung bis in die Gegenwart.
Autorenporträt
Elna Matamoros (*1972 in Madrid) ist Ballettmeisterin und Tanzforscherin. Regelmäßige Dozentin und Mitarbeiterin von Theater-, Design- und Tanzmagazinen, Mitglied des Ballet Nacional de España und der Compañía Nacional de Danza. Seit 2016 unterrich-tet sie an der Zürcher Hochschule der Künste.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2021

Der Weg zum Trikot

Elna Matamoros widmet sich in einer detailreichen und exzellenten Darstellung der Rolle der Kostüme in der Geschichte des Tanzes.

Der Titel des Buchs von Elna Matamoros fasst die Ergebnisse ihrer Forschung perfekt zusammen. Ihre Geschichte des Tanzes und seiner Kostüme handelt von den vielfältigen Möglichkeiten, Bewegung zu umhüllen, von den Wechselwirkungen zwischen Kostüm und Bewegung. Beim Entwerfen von Tanzkostümen geht es um mehr als nur darum, einen Bühnencharakter so einzukleiden, dass die dargestellte Figur zu erkennen ist. Der Prozess ist komplizierter, wie es die Tanzkuratorin des Londoner Victoria and Albert Museums, Jane Pritchard, in ihrem Vorwort beschreibt: "Das Kostüm wird ein Teil des Tanzes", und es "entstehen die interessantesten Kostüme eng an der Bewegung entlang, die Choreographen und Tänzer entwerfen".

So sehr entwickelt sich das Kostüm über die Jahrhunderte in die Richtung größerer Bewegungsspielräume, dass sich die historische Erzählung als Darstellung einer fortschreitenden Minimalisierung und Reduktion liest. Was mit dem Fortlassen von Masken, Perücken oder Kopfschmuck beginnt, sich mit dem sukzessiven Freilegen von Knöcheln, Waden, Knien, Oberschenkeln fortsetzt und zum Trikot führt, findet seine letzte Konsequenz in Rudolf von Labans im Freien tanzenden nackten Männern zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.

Beim Tanzen auf der Bühne, das arbeitet Matamoros heraus, ist Nacktheit schon problematischer, denn bei aller Freiheit, die Bekleidungslosigkeit schenken mag, kann sie Tänzer auch in ihren Bewegungen vor dem Publikum, dem sie in denkbar intimster Weise gegenübertreten, hemmen. Die Tänzerin und Kostümbildnerin Lydia Azzopardi meinte einmal, es sei sehr viel interessanter, "die Tänzer anzuziehen, als sie auszuziehen". Eines der besten Beispiele für diese These wäre Merce Cunninghams und Andy Warhols Zusammenarbeit an "Rainforest" im Jahr 1968. Zwischen heliumgefüllten, silbernen Kissen, die ihre unvorhersehbaren Flugwege über die Bühne nahmen, tanzte die Company in hautfarbenen Ganztrikots mit vielen großen Löchern. Auf diese Trikots einigte sich Cunningham mit Warhol, nachdem dieser zunächst vorgeschlagen hatte, die Tänzer nackt auftreten zu lassen, was der Choreograph ablehnte. In einem Tanzgeschehen wie "Rainforest" waren die Trikots eine gute Idee. Um die animalische Qualität der Bewegung zu betonen, müssen die Muskeln sich abzeichnen, aber Nacktheit würde hier die Charakterisierung als sexuelle Wesen überbetonen.

Elna Matamoros, eine klassisch ausgebildete Tänzerin, lässt Cunningham zwar an anderer Stelle vorkommen, kann aber mit der wechselseitigen Unabhängigkeit im Entstehungsprozess von Kostüm und Tanz wenig anfangen - denn diese Haltung passt nun einmal nicht zu ihrer These der wechselseitigen Beeinflussung von Tanz und Kostümbild. Das frühe Kapitel "Unveiling the Body" schließt die Autorin daher ohne dieses großartige Beispiel, aber sehr gelassen mit der These, Nacktheit sei heute auf der Bühne "keine Überraschung oder soziale Errungenschaft, sondern einfach eine weitere ästhetische Möglichkeit".

Wenn man die amerikanischen modernen Tänzer Ruth St. Denis und Ted Shawn auf Fotos betrachtet - sie leiteten zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsam die Denishawn Company -, dann ist außerdem zu erkennen, dass mit dem Beginn der Moderne auch die üppigen, schweren und, wie man meinen könnte, der Bewegung hinderlichen Kopfbedeckungen wieder zurückkehren können. Es ist wie in der Mode - alles kehrt, leicht verwandelt, wieder. Zusätzlich zu einer Felldecke, die Ted Shawn an einem Zipfel in der Hand hält, trägt er für das Stück "Xochitl" einen imposanten Federschmuck auf dem Kopf. Je üppiger die Kostüme, desto mehr Handlung, desto weniger temporeiche Bewegung, könnte man annehmen - jedenfalls geht es darum, die richtige Balance zwischen diesen Elementen zu finden.

Matamoros betrachtet immer wieder die ganze Erscheinung des Tänzers, von den Schuhen über die Kleidung bis hin zum Make-up. Sie erzählt, wie sich die Ballerina von dem Moment an, in dem sie die frühen Absatzschuhe des tanzenden Adels auszieht und in die ersten Seidenslipper schlüpft, zur Muse und zum Star jeder Aufführung entwickelt. Das ist gleichzeitig der Prozess der Professionalisierung und Akademisierung des ehemals höfischen Tanzes. Ist anfangs nur ein sehr kurzes Verbleiben auf Spitze möglich, so perfektioniert man die Schuhe und die Tanztechnik, bis dann der Spitzentanz in der klassischen Epoche zwischen 1870 und 1910 zur artistischen Vollkommenheit getrieben wird. Technik und Ästhetik gehören für Matamoros zusammen, und das bezieht sich auch auf die Details der Künste der Gewandmeister bis heute. Wie muss ein Tutu gearbeitet sein, damit der Tüll schön gebauscht stehen bleibt und nicht in sich zusammensinkt, wie muss es an die Proportionen jeder Tänzer angepasst werden, damit es nicht aufträgt?

Der Detailreichtum des gut geschriebenen Buches ist von großer, immer wieder überraschender Schönheit. Aber es ist Matamoros' behutsame, intelligente Einordnung der Phänomene, die das Interesse, ihr in die entlegensten Winkel der Geschichte zu folgen, nie ermüden lässt. Ob es um Isadora Duncan geht, die erste Tänzerin, die auf einer Bühne ohne Schuhe und in wehenden Tuniken tanzte, oder um ein Paradeobjekt der Kostümforschung, Sergej Diaghilews Ballets Russes - die ehemalige Tänzerin und Ballettmeisterin Matamoros versteht es, Wissen und Erfahrung als klassische Ballerina und promovierte Tanzwissenschaftlerin zusammenzuführen. Ihr Buch zu lesen ist, als würde man ihr zuschauen, wie sie ihre Fundstücke nachdenklich hin- und herwendet und Zusammenhänge herstellt, weshalb sie ihr Vorgehen auch nicht chronologisch, sondern thematisch entfaltet.

Immer wieder ist von dem Jahrhunderttänzer Vaclav Nijinsky die Rede. Dass sein Direktor und Liebhaber Diaghilew nicht unbeteiligt daran war, wie Nijinskys von der Taille abwärts enge Kostüme seinen muskulösen Körper attraktiv herausstellten und ihn trotz seines nicht hohen Wuchses beeindruckend gebaut wirken ließen, konstatiert Matamoros so sachlich, wie sie auch aus interessanten Briefen seiner Schwester Bronislava zitiert. Nijinska schreibt, damit ihr Bruder einen Ägypter darstellen könne, habe man ihn mit braunem Make-up geschminkt. Das aber habe den Nachteil gehabt, dass es eine volle Stunde gebraucht habe, das Make-up wieder abzuwaschen, weshalb der Tänzer an dem Abend nicht mehr in einem anderen Stück habe auftreten können. Deshalb kam man auf die Idee, für ihn ein enges Kostüm aus brauner Seide zu nähen.

Matamoros meint, dass die Vorliebe für exotische Schauplätze und Protagonisten aus überseeischen Ländern, die der Tanz aus dem neunzehnten ins zwanzigste Jahrhundert mitnahm, einfach mit einer kalkulierten erotischen Wirkung auf das Publikum zusammenhing. Das klingt sehr wahrscheinlich, denn Diaghilew musste dafür sorgen, dass seine Ballets Russes Geld einspielten, viel Geld. Es ist nicht das geringste Verdienst dieses Buchs, zu zeigen, dass die Bedienung mancher nicht direkt mit den künstlerischen Intentionen des Tanzes verknüpfter Interessen ein schwer wegzudiskutierender Aspekt dieser Kunst ist. WIEBKE HÜSTER.

Elna Matamoros: "Dance and Costumes". A History of Dressing Movement.

Alexander Verlag, Berlin 2021. 459 S., Abb., geb., 48,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Wiebke Hüster liest begeistert über das Wechselspiel zwischen Kostüm und Bewegung beim Tanz. Ein großer Vorteil ist für Hüster, dass Elna Matamoros sowohl Tänzerin als auch Tanzwissenschaftlerin ist. So vermag die Autorin sowohl die historische Entwicklung des Tanzkostüms und aller weiteren Erscheinungselemente der Tänzerin nachzuzeichnen oder die Akademisierung des höfischen Tanzes als auch die wirtschaftlichen Aspekte des Tanzes und der großen Kompanien. Der ganzheitliche Ansatz der Betrachtung überzeugt Hüster ebenso wie der Detailreichtum des Buches. Vor allem aber scheint ihr die Autorin bei der "Einordnung der Phänomene" auf besonders kluge und behutsame Weise vorzugehen, worin ihr die Rezensentin mit großer Freude folgt.

© Perlentaucher Medien GmbH