Kristina Schröder hat Karriere gemacht und gerade ein Kind bekommen. Steht sie deshalb für ein Leitbild, an dem junge Frauen sich orientieren sollen? Nein, sagt sie, die Frauen von heute brauchen keine Leitbilder! Feministinnen machen den gleichen Fehler wie die Strukturkonservativen auf der anderen Seite des politischen Spektrums: Beide schreiben vor, wie das ideale Frauenleben auszusehen hat. »Gefährlich und falsch!«, sagt Kristina Schröder. Frauen (und Männer!) sollen endlich frei wählen können, wie sie ihr Leben gestalten wollen, ob mit oder ohne Familie, mit oder ohne Karriere. Diese Entscheidungen sind privat. Politik sollte keine Leitbilder vorgeben, sondern sicherstellen, dass alle Männer und Frauen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben haben und ihrer Verantwortung in Familie und Partnerschaft gerecht werden können. Welche Wege dahin führen zeigt sie in diesem zugleich politischen und persönlichen Buch - angriffslustig und klar.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wie schlecht es steht um den Alltag berufstätiger Eltern und um die Chancengleichheit weiß Corinna Nohn selber. Darum zeigt sie sich auch enttäuscht von diesem Buch, das die Bundesfamilienministerin Schröder zusammen mit Caroline Waldeck verfasst hat und das zwar "authentisch" die Probleme benennt und Klischees entlarvt, doch, wie Nohn berichtet, keine strukturellen gesellschaftlichen Missstände benennt und politische Konzepte vorstellt. Von der zuständigen Ministerin, findet Nohn, sollte mehr zu erwarten sein, als die Aufforderung zu mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2012Mein Bauch gehört mir
Kristina Schröders familienpolitisches Credo: Privates soll privat bleiben
Dafür, dass ihr Buch erst eine Woche auf dem Markt ist, hat Kristina Schröder schon eine Menge Kritik dafür einstecken müssen. Das überrascht nicht. Denn sie hat sich darin zwei mächtigen, wenn auch gegensätzlichen Strömungen entgegengestellt. Überraschend ist eigentlich allein, dass Kritik bislang nur aus einer dieser Richtungen kam. Vielleicht ist die andere Seite nicht so reaktionsschnell, vielleicht ist sie aber auch gar nicht mehr so mächtig.
Frau Schröder nennt die beiden Richtungen die "Feministen" und die "Strukturkonservativen". Beide versuchten, so ihre These, den Frauen bestimmte Rollenmuster aufzudrängen: Hier die "Pelikanmutter", die sich "persönliche Interessen und Ambitionen versagt und für den Nachwuchs jedes Opfer bringt". Dort die Frau, die auf nichts verzichten, schon gar nicht den Beruf für die Kinder aufgeben darf, stattdessen das Projekt "Kind" durchkalkulieren muss wie die Anschaffung einer Immobilie. An dieser Stelle ist schon klar, dass es sich bei Frau Schröders Buch nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung handelt. Es ist eine Streitschrift, in der die angegriffenen Positionen bis zur Karikatur zugespitzt werden. Das ist erlaubt, aber es ist dann auch erlaubt, wenn zurückgefaucht wird. Schwierig ist das für die schreibende Ministerin deswegen, weil sich ihre eigene Position nicht weit jenseits der angegriffenen Haltungen befindet, sondern genau dazwischen, indem sie anerkennt, dass beides etwas für sich haben kann, je nach persönlicher Vorliebe und den Umständen, gegebenenfalls eine Mixtur nach individuellem Rezept. Das kommt der Lebenswirklichkeit tatsächlich näher als die lupenreinen Extrempositionen. Aber das Einerseits-andererseits ist im Streit eine schwierige Position.
Das ist das gegenwärtige Problem der Politikerin Schröder. Lässt man sich jedoch auf das Buch ein, findet man kluge und unabhängige Gedanken und Beobachtungen. Der Text ist aus der Sicht der Ministerin verfasst, doch hat die Coautorin, Frau Schröders Altersgenossin und Mitarbeiterin im Bundesfamilienministerium Caroline Waldeck, zweifellos nicht den geringeren Anteil daran. Sicherheitshalber wird erklärt, dass beide das Buch ausschließlich in ihrer Freizeit geschrieben hätten.
Die Autorinnen legen dar, die Frauenbewegung habe große Verdienste um die rechtliche Gleichstellung der Frauen. Doch ausgerechnet die, die jahrzehntelang für Freiheit, Unabhängigkeit und Emanzipation der Frau gekämpft hätten, ließen nun individuelle Bedürfnisse nicht gelten. "Feministinnen haben zwar dafür gesorgt, dass Frauen ihre Biographie heute zumindest in der Theorie genauso frei wie Männer planen können. Doch die Eigenverantwortung für die Wahl des richtigen Lebensentwurfs wollen sie den Frauen dann doch nicht überlassen. Wehe, die jüngeren Nutznießerinnen der Freiheit greifen zu Mustern, von denen deren ältere Vorkämpferinnen sie befreien wollten: Verachtung und Vorwürfe sind ihnen sicher." Des Weiteren müsse das schwache Geschlecht auch vor den raubtierhaften Männern geschützt werden. Wie "Hubschrauber über der Kampfzone" kreisten Feministinnen überall dort, wo Mann und Frau zusammentreffen, "immer bereit, ihren Geschlechtsgenossinnen von oben herab durchs mediale Megaphon Rügen und Ratschläge zu erteilen".
Nicht nur nach dem fundamentalen Feminismus dürfen Frauen auf keinen Fall auf Berufstätigkeit verzichten, sondern das gilt auch für eine "postideologische Variante". "Hier handelt es sich um einen ökonomisch motivierten Rollenleitbildfanatismus, der nicht die Selbstverwirklichung der Frau im Blick hat, sondern funktionale Erfordernisse des Staates und der Wirtschaft." Eine wichtige Beobachtung, die die Autorinnen leider nicht vertiefen. Da ginge es ans Eingemachte der eigenen Partei, der CDU.
Stattdessen arbeiten sie sich wiederkehrend am Emma-Emanzentum ab, das gewiss einflussreich ist, schließlich ist Alice Schwarzer medienpräsent. Aber hier hätte sich doch gehörig straffen lassen. Auf der anderen Seite wird der einstigen Nachrichtensprecherin Eva Herrmann viel der Ehre angetan, wenn sie zur Kronzeugin des konservativen Leitbildes erklärt wird. Auch das seitenweise Selbstzitat einer Ministerinrede vor der Frauen-Union wäre besser einem strengen Lektorat zum Opfer gefallen.
Dass das Gezerre von links und rechts an den Frauen nicht geeignet ist, Lust und Mut zur Familiengründung zu wecken, wird jedenfalls glaubwürdig dargelegt. Erstaunlich, wie sich manche Leute in intime und höchstpersönliche Angelegenheiten einmischen, dargelegt in Briefen an die Ministerin. Frau Schröders Credo könnte man dagegen so formulieren: gesellschaftlich betrachtet, gehört mein Bauch mir. Das Private soll - entgegen dem 68er Motto - eben nicht politisch und mithin öffentlich sein.
Bloß, was hat dann eine Frauen- und Familienministerin noch zu tun? Frau Schröders Antwort: Die Steuerung nach Rollen- und Familienleitbildern unterlassen und die Menschen in der Verwirklichung ihrer persönlichen Vorstellung von einem guten Leben unterstützen. Das klingt allerdings ein wenig nach Patchwork-Politik.
STEPHAN LÖWENSTEIN
Kristina Schröder mit Caroline Waldeck: Danke, emanzipiert sind wir selber! Abschied vom Diktat der Rollenbilder. München 2012, Piper Verlag, 240 Seiten, 14,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kristina Schröders familienpolitisches Credo: Privates soll privat bleiben
Dafür, dass ihr Buch erst eine Woche auf dem Markt ist, hat Kristina Schröder schon eine Menge Kritik dafür einstecken müssen. Das überrascht nicht. Denn sie hat sich darin zwei mächtigen, wenn auch gegensätzlichen Strömungen entgegengestellt. Überraschend ist eigentlich allein, dass Kritik bislang nur aus einer dieser Richtungen kam. Vielleicht ist die andere Seite nicht so reaktionsschnell, vielleicht ist sie aber auch gar nicht mehr so mächtig.
Frau Schröder nennt die beiden Richtungen die "Feministen" und die "Strukturkonservativen". Beide versuchten, so ihre These, den Frauen bestimmte Rollenmuster aufzudrängen: Hier die "Pelikanmutter", die sich "persönliche Interessen und Ambitionen versagt und für den Nachwuchs jedes Opfer bringt". Dort die Frau, die auf nichts verzichten, schon gar nicht den Beruf für die Kinder aufgeben darf, stattdessen das Projekt "Kind" durchkalkulieren muss wie die Anschaffung einer Immobilie. An dieser Stelle ist schon klar, dass es sich bei Frau Schröders Buch nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung handelt. Es ist eine Streitschrift, in der die angegriffenen Positionen bis zur Karikatur zugespitzt werden. Das ist erlaubt, aber es ist dann auch erlaubt, wenn zurückgefaucht wird. Schwierig ist das für die schreibende Ministerin deswegen, weil sich ihre eigene Position nicht weit jenseits der angegriffenen Haltungen befindet, sondern genau dazwischen, indem sie anerkennt, dass beides etwas für sich haben kann, je nach persönlicher Vorliebe und den Umständen, gegebenenfalls eine Mixtur nach individuellem Rezept. Das kommt der Lebenswirklichkeit tatsächlich näher als die lupenreinen Extrempositionen. Aber das Einerseits-andererseits ist im Streit eine schwierige Position.
Das ist das gegenwärtige Problem der Politikerin Schröder. Lässt man sich jedoch auf das Buch ein, findet man kluge und unabhängige Gedanken und Beobachtungen. Der Text ist aus der Sicht der Ministerin verfasst, doch hat die Coautorin, Frau Schröders Altersgenossin und Mitarbeiterin im Bundesfamilienministerium Caroline Waldeck, zweifellos nicht den geringeren Anteil daran. Sicherheitshalber wird erklärt, dass beide das Buch ausschließlich in ihrer Freizeit geschrieben hätten.
Die Autorinnen legen dar, die Frauenbewegung habe große Verdienste um die rechtliche Gleichstellung der Frauen. Doch ausgerechnet die, die jahrzehntelang für Freiheit, Unabhängigkeit und Emanzipation der Frau gekämpft hätten, ließen nun individuelle Bedürfnisse nicht gelten. "Feministinnen haben zwar dafür gesorgt, dass Frauen ihre Biographie heute zumindest in der Theorie genauso frei wie Männer planen können. Doch die Eigenverantwortung für die Wahl des richtigen Lebensentwurfs wollen sie den Frauen dann doch nicht überlassen. Wehe, die jüngeren Nutznießerinnen der Freiheit greifen zu Mustern, von denen deren ältere Vorkämpferinnen sie befreien wollten: Verachtung und Vorwürfe sind ihnen sicher." Des Weiteren müsse das schwache Geschlecht auch vor den raubtierhaften Männern geschützt werden. Wie "Hubschrauber über der Kampfzone" kreisten Feministinnen überall dort, wo Mann und Frau zusammentreffen, "immer bereit, ihren Geschlechtsgenossinnen von oben herab durchs mediale Megaphon Rügen und Ratschläge zu erteilen".
Nicht nur nach dem fundamentalen Feminismus dürfen Frauen auf keinen Fall auf Berufstätigkeit verzichten, sondern das gilt auch für eine "postideologische Variante". "Hier handelt es sich um einen ökonomisch motivierten Rollenleitbildfanatismus, der nicht die Selbstverwirklichung der Frau im Blick hat, sondern funktionale Erfordernisse des Staates und der Wirtschaft." Eine wichtige Beobachtung, die die Autorinnen leider nicht vertiefen. Da ginge es ans Eingemachte der eigenen Partei, der CDU.
Stattdessen arbeiten sie sich wiederkehrend am Emma-Emanzentum ab, das gewiss einflussreich ist, schließlich ist Alice Schwarzer medienpräsent. Aber hier hätte sich doch gehörig straffen lassen. Auf der anderen Seite wird der einstigen Nachrichtensprecherin Eva Herrmann viel der Ehre angetan, wenn sie zur Kronzeugin des konservativen Leitbildes erklärt wird. Auch das seitenweise Selbstzitat einer Ministerinrede vor der Frauen-Union wäre besser einem strengen Lektorat zum Opfer gefallen.
Dass das Gezerre von links und rechts an den Frauen nicht geeignet ist, Lust und Mut zur Familiengründung zu wecken, wird jedenfalls glaubwürdig dargelegt. Erstaunlich, wie sich manche Leute in intime und höchstpersönliche Angelegenheiten einmischen, dargelegt in Briefen an die Ministerin. Frau Schröders Credo könnte man dagegen so formulieren: gesellschaftlich betrachtet, gehört mein Bauch mir. Das Private soll - entgegen dem 68er Motto - eben nicht politisch und mithin öffentlich sein.
Bloß, was hat dann eine Frauen- und Familienministerin noch zu tun? Frau Schröders Antwort: Die Steuerung nach Rollen- und Familienleitbildern unterlassen und die Menschen in der Verwirklichung ihrer persönlichen Vorstellung von einem guten Leben unterstützen. Das klingt allerdings ein wenig nach Patchwork-Politik.
STEPHAN LÖWENSTEIN
Kristina Schröder mit Caroline Waldeck: Danke, emanzipiert sind wir selber! Abschied vom Diktat der Rollenbilder. München 2012, Piper Verlag, 240 Seiten, 14,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main