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Daphnis und ChloeVorrede Erstes Buch Zweites Buch Drittes Buch Viertes Buch Anmerkungen Literaturhinweise Nachwort

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Produktbeschreibung
Daphnis und ChloeVorrede Erstes Buch Zweites Buch Drittes Buch Viertes Buch Anmerkungen Literaturhinweise Nachwort
Autorenporträt
Otto Schönberger, geboren 1926, leitete ein Würzburger Gymnasium und beeinflusste als Fachdidaktiker die Lehre des Lateinischen maßgeblich. Er ist bekannt als Übersetzer zahlreicher antiker Werke der Weltliteratur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2002

Solang es Schönheit gibt und Augen sehen
Der hellenistische Roman von Daphnis und Chloe erscheint in einer schönen Neuausgabe
Wie spricht man von einem Buch, das in Wahrheit ein Gemälde ist? Denn dies offenbar hat der griechische Autor Longos im Sinn (man weiß so gut wie nichts von ihm und datiert ihn mit Vorbehalt um das Jahr 200 n. Chr.), wenn er beginnt: „Zu Lesbos auf der Jagd, in einem Hain der Nymphen, sah ich den schönsten Gegenstand, den ich je gesehen, ein Werk der Malerei, eine Geschichte der Liebe.” Gebärende sieht man darauf, ausgesetzte Kinder und Tiere, die sie nähren, auch feindliche Überfälle und Streifereien von Räuberbanden, aber doch in der Hauptsache „überschwengliche Kunst und ein Abenteuer der Liebe”. Ringsum sind Quellen, Blumen und Bäume, so dass es sich ohne Rahmen in die Landschaft hinein entgrenzt; und den Erzähler ergreift das Verlangen, mit diesem Bild in einem Werk in Worten zu wettei-fern, „ein Weihgeschenk dem Eros, den Nymphen und dem Pan, allen Menschen aber ein erfreuliches Besitztum, das dem Kranken zur Heilung, dem Trauernden zum Trost, dem Liebeskundigen zur Erinnerung, dem Unkundigen als lehrende Vorbereitung dienen wird. Denn keiner ist je dem Eros entflohen oder wird ihm entfliehen, so lang es Schönheit gibt und Augen sehen.”
Nymphen-Opfer
Das Malerische gibt dem Dichter Halt und Stütze, da er das Rückgrat der klassischen Literatur, den Vers, entbehrt. So selbstverständlich es spätestens seit dem 18. Jahrhundert ist, dass man lange Bücher erfundenen Inhalts in einer um Re-alismus bemühten Prosa abfasst, so geringschätzig betrachtet die Antike die für ihr Empfinden formlose Gattung des Romans. Als Tableau entfaltet sich die Liebesgeschichte der beiden Hirtenkinder Daphnis und Chloe, fünfzehn und dreizehn Jahre alt. Sie ist reich an Episoden und arm an eigentlicher Handlung, obwohl immer wieder Raub und Entführung durch Piraten, Rivalen und böse Nachbarn drohen. Wenn man erfährt, dass beide einst als Findelkinder, gesäugt von einer Ziege beziehungsweise einem Schaf, in ihre jeweilige Familie gelangt sind, weiß man schon, dass man es hier mit einer der hanebüchenen Aussetzungsfabeln der griechischen Komödie zu tun hat und alles zum Schluss in eine große Orgie der Winderfindung münden wird. Mit dem Aufbau von Spannung und erzählerischen Wahrscheinlichkeiten gibt der Autor sich nicht ab. Ihm ist es um die anmutige Szene zu tun, wenn den Nymphen ländliche Opfer gebracht werden oder der alte Philetas in seinem Garten den Amorknaben als Obstdieb ertappt.
Philetas auch erteilt dem unerfahre-nen Paar, das nicht weiß wohin mit seiner Liebesglut, den verschämt verschlüsselten Rat, es gäbe hierfür nur drei Mittel, die Umarmung, den Kuss und das nackte Beieinanderliegen. Daphnis und Chloe, die ihn in unergiebiger Wörtlichkeit befolgen, finden sich noch immer ungestillt; und der Anschauungsunterricht, den sie von ihren Herden erhalten, genügt durchaus nicht, im Gegenteil, er verwirrt Chloe, und sie wendet ein: „Siehst du aber nicht, Daphnis, dass die Ziegen und die Böcke, die Schafe und die Widder aufrecht dabei stehen; die einen aufspringen, die andern den Rücken bieten? Und du verlangst, dass ich neben dir liegen soll, und zwar entkleidet! Wieviel umhüllter sind jene doch als ich in der Kleidung!” Es bedarf der Nachhilfe durch die Städterin Lycänion, damit Daphnis versteht, worauf es ankommt.
So ist das ganze Buch in das Licht einer holden Schlüpfrigkeit getaucht, einer Unschuld, der sich nicht trauen lässt. Es ist ein später sentimentalischer Seufzer, der sich, so früh er uns erscheint, seinerseits schon nach einer verlorenen Frühe sehnt. Umso mehr muss man die Übersetzung von Friedrich Jacobs bewundern, die der Neuausgabe zugrunde liegt. Sie stammt aus dem Jahr 1823 und vermag es für unser heutiges Ohr, den jugendlichen Schwung einer noch fast kindlichen Liebe mit einer angemessenen Altertümlichkeit der Dikti-on zu klangvoll rhythmischen Sätzen zu verbinden. Man höre ihm zu, wie er Daphnis der Chloe einen Apfel überreichen lässt:
„,Diesen Apfel, Mädchen, haben die schönen Horen erzeugt, ein schöner Baum hat ihn ernährt, die Sonne hat ihn gereift und das Glück ihn aufbewahrt. Ich konnte ihn nicht dort lassen, da ich Augen hatte. Er wäre zur Erde gefallen, und ein Schaf hätte ihn beim Weiden zertreten oder ein kriechender Wurm ihn vergiftet oder die Zeit ihn verzehrt, den daliegenden, den beschauten, den gepriesenen!‘ Mit diesen Worten legte er ihr den Apfel in den Busen, und als er ihr nahte, küsste sie ihn. Darum reute ihn auch die Kühnheit nicht, in den hohen Wipfel gestiegen zu sein; denn er empfing, was besser war, als selbst ein goldener Apfel, einen Kuss.”
In diesem Paradies ohne Sündenfall werden sogar die zwei klar gezogenen Grenzen überspielt, von denen die Antike weiß. Chloe schmückt das Grab ihrer Amme, des Schafs, mit Kränzen, als ob es eine menschliche Mutter wäre; und Daphnis erweist sich als Sohn des Mannes, dessen Sklave er ist. Überspielt – denn aufheben lassen sie sich nun ein für allemal nicht, das wäre wider die Natur.
Hervorzuheben ist die außergewöhnlich schöne Gestaltung des schmalen Bandes. Der malerischen Qualität des In-halts trägt sie Rechnung durch die weinrote und tiefblaue Farbe des Umschlags mit ein bisschen Gelb, der, mit gutem Griff gewählt, ein Ölbild des späten 19. Jahrhunderts zeigt, ein sehr junges Liebespaar in einem abendlichen Licht darstellend. Man spürt, wie nah dieses Bild, als wandfüllender Schinken mit hohen Sepia-Anteilen, wohl von Haus aus dem schwülen Salonkitsch gestanden hat – und dass es sich doch, wie es hier ausgeschnitten und eingesetzt ist, auf eine beglückend frische Weise davon befreit.
BURKHARD MÜLLER
LONGOS: Daphnis und Chloe. Aus dem Altgriechischen übersetzt von Friedrich Jacobs, mit einem Nachwort von Niklas Holzberg. Artemis & Winkler, Zürich 2002. 111 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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"Eine Liebesschule besonderer, tieferer Art, die Sexualität nicht verteufelt oder vergötzt, sondern sie als natürlichen Teil des Eros darzustellen weiß und dem Eros die schönste Huldigung erweist, die man sich denken kann. Ein Buch, das sich auf dem Schulplan der dreizehnjährigen Mädchen und der fünfzehnjährigen Jungen finden sollte. Es sagt am Anfang von sich, es wolle dem, der geliebt hat, angenehme Erinnerung, dem, der die Liebe noch nicht kennt, gute Vorschule, allen Menschen ein angenehmer Besitz sein.

"Ein Buch, das sein Ziel erreicht hat." -- Die Zeit

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2019

Eine Liebesgeschichte von goldiger Naivität

Und zugleich die gelungenste Parodie der Gattung: "Daphnis und Chloe", Longos' antiker Roman über Verlangen und Erfüllung, ist von Kurt Steinmann neu ins Deutsche übertragen worden, vergnüglich.

Man müßte ein ganzes Buch schreiben, um alle großen Vordienste dieses Gedichts nach Würden zu schätzen. Man tut wohl, es alle Jahr einmal zu lesen, um immer wieder daran zu lernen und den Eindruck seiner großen Schönheit aufs neue zu empfinden." Als Goethe mit diesen Worten gegenüber Eckermann am 20. März 1831 den kleinen Schäferroman "Daphnis und Chloe" zu jährlich neuer Lektüre empfahl, war das Interesse des Publikums an allen Gattungen der Bukolik gerade auf den tiefsten Punkt gesunken. Die Romantik konnte mit dem tändelnden Ton und der Symbolik der Hirtendichtung nichts mehr anfangen, einer antiken literarischen Form, deren neuzeitliche Wiederbelebung im Humanismus begann und in Rokoko endete und zu der Goethe im seiner Jugend selbst noch beigetragen hatte. Er hatte "Daphnis und Chloe", den berühmtesten Roman der Antike, nicht im griechischen Original gelesen, sondern in der französischen Übersetzung des Humanisten Jacques Amyot aus dem Jahre 1559, die noch vor dem griechischen Erstdruck (Paris 1598) erschien. Der Geistliche Amyot ist überhaupt der neuzeitliche Wiederentdecker des griechischen Romans und hat unter anderem auch die großen welthaltigen, wohl im 3. Jahrhundert n. Chr. entstandenen "Aithiopika" ("Äthiopische Geschichten") des Heliodor aus Emesa in französischer Übertragung herausgebracht.

Die "Äthiopischen Geschichten" sind ein richtiger ,Wälzer' voller Abenteuer, doch an Bekanntheit und Beliebtheit unter den zahlreichen, großenteils verlorenen griechischen Romanen wurden sie schon im Altertum von "Daphnis und Chloe" weit übertroffen, dem kleinsten griechischen Hirtenroman. Über den Autor des Buches weiß man so gut wie nichts. Er trug den Namen Longos, dessen lateinische Form Longus in der Spätantike ein verbreiteter Name für freigelassene griechische Sklaven war. Er lebte, wie man aus Indizien, etwa der subtilen Bauform, schließen möchte, nicht vor dem Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus in Mytilene auf der Insel Lesbos, wo rund 800 Jahre zuvor auch Sappho, die berühmteste Dichterin des Altertums, ihre Lieder von der "süß-bitteren" (so ihr Wort!) Macht der Liebe gesungen hatte. Kein schlechter Herkunftsort also auch für den Dichter eines Liebesromans, der unter den zahlreichen Werken dieser Gattung deutlich herausragt. Es ist erfreulich, dass Kurt Steinmann, der in diesem Jahr den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erhält, nach den Übertragungen von "Ilias" und "Odyssee" und der Orestie des Aischylos seine Kunst an die Übertragung dieses eher selten verdeutschten heiteren Romans gewandt hat.

Die Handlung ist ganz auf zwei junge Menschen konzentriert, die, als Findelkinder von Hirten aufgenommen, selbst als Ziegen- und Schafhirten in einer schönen Landschaft aufwachsen. "Schön" ist eines der häufigsten Adjektive, mit dem immer wieder sie selbst oder zu ihnen gehörige Gegenstände charakterisiert werden, so auch die ihnen bei der Aussetzung in Körbchen gelegten kostbaren Erkennungszeichen. Findelkinder mit solchen Requisiten finden sich überall auch in der sogenannten Neuen Komödie Menanders, der zur Zeit Alexanders des Großen schrieb. Aus den "Idyllen" Theokrits, des wenige Jahrzehnte jüngeren Begründers der Hirtendichtung, übernahm Longos zahlreiche Stellen wörtlich.

Daphnis und Chloe sind zu Beginn des Romans 15 und 13 Jahre alt und brauchen knapp zwei Jahre, um die Geheimnisse der Liebe kennenzulernen, so dass sie am Ende des Romans, wenn sie heiraten, ganz realistisch in dem damals üblichen Heiratsalter stehen. In den zwei Jahren kann der Leser sie als Voyeur beobachten, wie etwa an der folgenden Stelle, wo er Chloe beim Schauen zuschaut: "Rückte der Mittag heran, wurden ihre Augen gebannt und bezaubert. Wenn sie Daphnis nackt sah, verfiel sie sogleich seiner Schönheit, und ihr Herz schmolz dahin, konnte sie doch nicht den geringsten Makel an ihm entdecken. Er aber glaubte, wenn er sie im Rehfell und mit dem Fichtenkranz sah, wie sie ihm die Schale reichte, eine von den Nymphen aus der Grotte zu sehen. Dann riss er ihr den Fichtenkranz vom Haupt und bekränzte sich selbst damit, nicht ohne ihn zuvor zu küssen, und sie schlüpfte, wenn er sich nackt ausgezogen hatte und badete, in sein Kleid, nachdem sie es zuvor geküsst hatte." Das alles ist mit einer so ,goldigen' Naivität erzählt, dass man auf den ersten Blick übersehen könnte, wie sehr dieser bekannteste aller griechischen Romane zugleich die gelungenste Parodie der Gattung ist.

Der Roman zeigt eine immer wieder neue Folge von Entdeckungen der Liebe mit immer wieder neuer Unerfülltheit: Der Anblick der Schönheit macht ganz unruhig; diese Unruhe wird beim Küssen nur gesteigert und endet in Verwirrung. Sie verschwindet auch dadurch nicht, dass die Liebenden den guten Rat, man müsse nur aufeinander liegen, ganz parzivalisch dumm allzu wörtlich nehmen und von neuer Unruhe gepeinigt werden. Der lange Weg zur endlichen Erfüllung ihres Verlangens führt über die Mitwirkung einer lüsternen Liebeslehrerin, die sich den Daphnis greift, und das Eingreifen des knabenhaften Gottes Eros selbst, der sich als in Wirklichkeit ältester aller Götter zu erkennen gibt. Zum Schluss des Spiels tauchen auch die Eltern von Daphnis und Chloe auf und erkennen ihre Kinder, denen sie ein Leben in städtischem Wohlstand schenken wollen.

Endlich vereinigt, beschließen Daphnis und Chloe aber, ganz "reformpädagogisch", das Landleben fortzusetzen und ihre eigenen Kinder nicht in der reichen städtischen Umwelt aufwachsen zu lassen, sondern sie genau den eigenen Lebensweg als Hirtenkinder auf dem Lande wiederholen zu lassen.

Endlich einmal Eltern, die ihren Kindern nicht dadurch schaden, dass sie es für sie besser haben wollen. Auch hier aber hebt der raffinierte Roman sich selbst sogleich wieder ironisch auf. Denn die wichtigste Voraussetzung ihrer Existenz werden Daphnis und Chloe an die künftigen eigenen Kindern ja nicht weitergeben können: nämlich das Dasein als Findelkinder.

Die neue Übersetzung lädt zu vergnüglicher Lektüre eines Werks ein, das in den europäischen Künsten und Literaturen zahllose Spuren hinterlassen hat: von Salomon Geßner bis zu Arno Holz, von Giovanni Battista Guarini bis zu Torquato Tasso, von Paris Bordone bis zu Auguste Rodin. Den schönsten Ausdruck aber hat das Wechselspiel glückender und zugleich missglückender Annäherung vielleicht durch Sergei Diaghilev und Maurice Ravel 1912 in der Choreographie von Michel Fokine in den "Ballets Russes" gefunden.

HANS-ALBRECHT KOCH

Longos: "Daphnis und Chloe". Ein Liebesroman.

Aus dem Altgriechischen übersetzt und mit einem Nachwort von Kurt Steinmann. Manesse Verlag, München 2019. 192 S., geb., 22,- [Euro].

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