Ein historischer Lesegenuss
Ich nehme das Fazit gleich vorneweg: 'Darmstädter Nachtgesänge' ist ein inhaltlich und sprachlich fantastischer Roman. Allein den Schreibstil finde ich hervorragend. Fast fühlt man sich als Lesender getrieben, durch die knappen, teils telegrammartigen Sätze und den
schnellen Handlungsverlauf. Da ist einfach kein Wort zu viel. Vor allem aber ist jedes Wort und jeder…mehrEin historischer Lesegenuss
Ich nehme das Fazit gleich vorneweg: 'Darmstädter Nachtgesänge' ist ein inhaltlich und sprachlich fantastischer Roman. Allein den Schreibstil finde ich hervorragend. Fast fühlt man sich als Lesender getrieben, durch die knappen, teils telegrammartigen Sätze und den schnellen Handlungsverlauf. Da ist einfach kein Wort zu viel. Vor allem aber ist jedes Wort und jeder Satz lesenswert.
Die Geschichte spielt in der Mitte des 19-ten Jahrhunderts. Die Armut der Bauern und Arbeiter ist allgegenwärtig während sich der Adel Sonderrechte verschafft und das Gerichtswesen das ermöglicht. Aufklärerische Gedanken und politische Treffen werden gnadenlos verfolgt.
Es geht um den Mord an einem gräflichen Förster. Jacob Trumpfheller, arm, wildernd und stehlend, wird verdächtigt die Tat begangen zu haben und gerät in die Fänge der unerbittlichen Gerichtsbarkeit. Anna, das Hausmädchen der Familie Büchner, der Jacob einmal geholfen hat versucht nun ihrerseits Jacob zu helfen. Dabei kommt Oscar, der angehende Journalist, ins Spiel, an den sich Anna wendet. Doch Oscar ist selbst in einer prekären Situation gefangen, da sein Chef ihn zwingt die Familie Büchner auszuspionieren, insbesondere deren ältesten Sohn, Georg. Georg ist Teil einer Gruppe politischer Aktivisten und veröffentlicht Schriften, die zum Klassenkampf aufrufen.
In der durchweg spannenden Erzählung erfahren wir wie weit die Familie Büchner, mit ihren Kindern Georg, Mathilde, Wilhelm, Luise, Ludwig und Alexander ihrer Zeit voraus waren. Und wie die Kinder sich in diesem Umfeld entwickeln konnten. Luise wird trotz ihrer körperlichen Behinderung gleichwertig von allen Familienmitgliedern behandelt und überzeugt durch einen messerscharfen Verstand und einer ebensolchen Zunge. Die politisch-gesellschaftliche Bewegung, heraus unter der Knute des herrschenden Systems hin zu einem freieren, gleicheren und selbstbestimmteren Leben, begleitet die Geschichte um den Kampf zum Unschuldsbeweis Jacob Trumpfhellers. Dabei geht es jedoch nicht nur todernst zu. Es gibt herrliche Anekdoten, z.B. zum Weg einer politischen Schrift vom Koffer, übers Plumpsklo auf den Acker. Jeder einzelne Protagonist, und es gibt eine ganze Menge davon, wird wunderbar beschrieben, so dass man als Lesender ein klares Bild vor Augen hat.
Das Lesen des Romans hat mir richtig viel Spaß gemacht. Gerade auch da ich die Orte und die genannten Gegenden bestens kenne und natürlich auch die bekannten Namen (Büchner, Bretano, von Liebig). Die Geschichte hätte für mich durchaus noch weiter gehen können. Es verbergen sich noch zahlreiche weitere Schicksale und Handlungen hinter den einzelnen Protagonisten. So hoffe ich auf eine Fortsetzung. Bis dahin gebe ich auf jeden Fall schon einmal meine 5-Sterne-Empfehlung für dieses Buch ab.