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Laut einer alten Legende wachen vier Gottheiten über die Geburt des Menschen: Daimon, Tyche, Eros und Ananke. Früher oder später hat sich ein jeder von uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Diesen zwiespältigen Mächten ins Auge zu sehen, heißt, sein Leben als Abenteuer zu leben. Im Gang durch Goethes "Urworte" und die höfische Literatur, Dante und die Philosophie wird klar, dass das Abenteuer nicht nur in der Wildnis oder im Boudoir auf uns wartet, sondern die Grunderfahrung unseres Lebens ist. Lebbar ist sie nur, weil mit Elpis, der in Pandoras Büchse zurückgebliebenen Hoffnung, eine fünfte…mehr

Produktbeschreibung
Laut einer alten Legende wachen vier Gottheiten über die Geburt des Menschen: Daimon, Tyche, Eros und Ananke. Früher oder später hat sich ein jeder von uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Diesen zwiespältigen Mächten ins Auge zu sehen, heißt, sein Leben als Abenteuer zu leben. Im Gang durch Goethes "Urworte" und die höfische Literatur, Dante und die Philosophie wird klar, dass das Abenteuer nicht nur in der Wildnis oder im Boudoir auf uns wartet, sondern die Grunderfahrung unseres Lebens ist. Lebbar ist sie nur, weil mit Elpis, der in Pandoras Büchse zurückgebliebenen Hoffnung, eine fünfte Gottheit unser Dasein bestimmt. Auch die Freundschaft ist für Agamben eine grundlegende Erfahrung. Sie ist, wie sich im Rückgang auf Aristoteles zeigt, keine Beziehung zwischen zwei Individuen, sondern schafft den politischen Raum des Zusammenlebens, der jeder Identität, jeder teilbaren Erfahrung vorausgeht.
Autorenporträt
Giorgio Agamben, geboren 1942 in Rom, ist Professor für Ästhetik und Philosophie in Venedig und am Collège international de philosophie in Paris. Er ist einer der bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. 1995 erschien sein einflussreiches Werk Homo sacer, in dem er politische Konzepte von Carl Schmitt, Walter Benjamin, Hannah Arendt und Michel Foucault, vor allem dessen Begriff der Biopolitik, weiterentwickelt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2019

Was ist ein Abenteuer? Und was ist ein Freund?
Für Giorgio Agamben ist ein Abenteurer jemand, der weiß, dass das Leben kurz ist, es hinnimmt und Kunst daraus macht

In der Moderne ist es zur Gewohnheit geworden, das Abenteuer als etwas dem gewöhnlichen Leben gegenüber Fremdes - Exzentrisches oder Abweichendes - zu verstehen. Deshalb konnte der Mount Everest zum Paradigma des Abenteuers werden. Sich in eine Gegend zu begeben, in der die Luft so dünn ist, dass sie jedem Leben zum Feind wird, ist somit zum Inbegriff des Abenteuers geworden, mit allen fast schon allegorisch zu nennenden Folgen für den in Jethöhe ragenden Berg: den Menschenmüll eben auch noch dahin zu tragen, wo er unsere Zeiten wegen der verlangsamten Verwesung bestimmt überdauert.

Weil das Leben aber kurz, die Gelegenheit flüchtig und schwer zu fassen, die Erfahrung trügerisch ist und die Urteile schwierig sind, geht Giorgio Agamben in seinem kurzen Text über "Das Abenteuer" einen anderen Weg. Was, so könnte man seine Grundfrage benennen, ist das Abenteuer, bevor es in der Tourismusbranche zum Gipfelselfie verkam? Eine Antwort darauf findet Agamben in Wolfram von Eschenbachs "Parzival". Das Abenteuer tritt darin als Frau auf, die den Dichter bittet, in sein Herz eintreten zu dürfen, um ihm Wunderbares zu berichten. Bemerkenswert findet Agamben, dass das Abenteuer in dem Text nicht Parzivals Erlebnis, sondern die Frau bezeichnet. "So lag das erwünschte Abenteuer da", heißt es an einer Stelle über die schlafende Frau. Und diese schlafende Frau ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, die dem Dichter sozusagen "passiert". Sie tritt von außen in sein Leben ein, sie ist keine innere Ressource. Sie ist, mit Klaus Theweleit gesprochen, die "lustvolle Weltlichkeit", die in den Text eintritt und ihn belebt.

Ein Abenteurer ist demnach also jemand, der weiß, dass das Leben kurz, die Gelegenheit flüchtig und die Beurteilung schwierig ist, sich von diesen Tatsachen tragen lässt, sie hinnimmt und daraus Kunst macht. Eine Kunst wie den "Parzival", die es bis heute schafft, Menschen Leben einzuhauchen, indem sie vom Leben selbst als Abenteuer erzählt. Das Gegenteil des Mount Everest.

Um die Erweiterung und Belebung des eigenen Körpers und seiner Empfindungen geht es auch in einem zweiten kurzen Text Agambens. "Der Freund" heißt er und untersucht, von Aristoteles ausgehend, das spezifische Moment, das den einen Freund ausmacht. Denn wer viele Freunde hat, hat keinen Freund, wie nicht nur Aristoteles und Agamben meinen. Freundschaft, so definiert Agamben in diesem äußerst präzisen Text, "ist die Instanz der Mit-Empfindung der Existenz des Freundes in der Empfindung der eigenen Existenz". Der Freund ist also keine Kategorie, sondern etwas sehr Reales: Er lebt. Und was es in der Freundschaft zu teilen gilt, ist das bloße Faktum der Existenz, das Leben selbst. Und das ist, meint Agamben, einfach schön.

CORD RIECHELMANN

Giorgio Agamben: "Das Abenteuer. Der Freund". Aus dem Italienischen von Andreas Hiepko. Matthes & Seitz, 96 Seiten, 10 Euro

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