Ein Bühnenzauberer und ein Gigant ermitteln in einem bizarren Mordfall im viktorianischen London ein Meisterwerk voll schauriger Poesie, Verschwörungen und wandelnder Toter. »Ein groteskes, atmos phärisches und unwiderstehlich schönes Debüt.« The Guardian
»Dieser Roman ist ein grässliches Konvolut von Unsinnigkeiten, bevölkert von wenig überzeugenden Charakteren, geschrieben in öder Prosa, oft genug lächerlich und durchweg bizarr. Sie werden kein Wort glauben, und doch ist alles wahr!« Im Jahr 1901 ermittelt der Bühnenzauberer und Detektiv Edward Moon mit seinem Assis tenten, einem zwei Meter großen, schlafwandelnden Giganten, in der Unterwelt des viktorianischen London: Eine bizarre Mordserie führt sie in ein Reich der Fliegenmenschen, Hellseher und Geheimbünde Alle Fans von Susanna Clarke und Jasper Fforde haben endlich ein neues Lebenselixier. »Barnes' superbes Debüt ist ein betörendes, geistreiches und geisterhaftes Kabinett der Kuriositäten.« The Observer
»Dieser Roman ist ein grässliches Konvolut von Unsinnigkeiten, bevölkert von wenig überzeugenden Charakteren, geschrieben in öder Prosa, oft genug lächerlich und durchweg bizarr. Sie werden kein Wort glauben, und doch ist alles wahr!« Im Jahr 1901 ermittelt der Bühnenzauberer und Detektiv Edward Moon mit seinem Assis tenten, einem zwei Meter großen, schlafwandelnden Giganten, in der Unterwelt des viktorianischen London: Eine bizarre Mordserie führt sie in ein Reich der Fliegenmenschen, Hellseher und Geheimbünde Alle Fans von Susanna Clarke und Jasper Fforde haben endlich ein neues Lebenselixier. »Barnes' superbes Debüt ist ein betörendes, geistreiches und geisterhaftes Kabinett der Kuriositäten.« The Observer
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2008Monstren, Mumien, Mutationen
Der Gehilfe ist ein stummer Hüne, die Prostituierte trägt Bart, und der Mordfall ist zu Ende, bevor er begonnen hat: eine bizarre Detektivgeschichte von Jonathan Barnes.
Manche Albträume zeigen uns das erschreckend andere, das unter der Oberfläche von Alltäglichkeiten begraben liegt. Sie rekombinieren vermeintlich banale Elemente, zwingen den Träumenden in ungewohnte Blickwinkel und lösen durch diese Verfremdungen die für die Schlafstörung charakteristische Angst aus. Literarischer als in diesen Momenten der REM-Phase kann die menschliche Psyche nicht sein. Im Umkehrschluss bleibt Literatur stets traumhaft. Diese Eigenart narrativer Texte macht sich Jonathan Barnes in seinem Debütroman "Das Albtraumreich des Edward Moon" zunutze. Er bedient sich, nicht als Erster, des viktorianischen Londons als Steinbruch, um dann aus den unterschiedlichsten Bausteinen ein phantasmagorisches Mosaik zu legen, dessen Bizarrheit Barnes' Programm ist.
Der Erzähler warnt daher gleich zu Beginn vor den Folgen dieser Tatsachen: "Dieses Buch besitzt keinen wie auch immer gearteten literarischen Wert. Es ist ein grässliches, gewundenes, zweifelhaftes Konvolut von Unsinnigkeiten, bevölkert von wenig überzeugenden Charakteren, geschrieben in trockener, öder Prosa, des Öfteren lächerlich und gewollt bizarr." Ebenso wenig wie den eigenen Stil schätzt der Erzähler seinen Protagonisten, Bühnenmagier und Hobbydetektiv Edward Moon. Ausdrücklich warnt er davor, ihm Sympathien entgegenzubringen. Moons Stern ist im Sinken begriffen, seine Zaubershows sind schon lange nicht mehr ausverkauft, die Einladungen zu den Partys der Londoner High Society werden immer seltener. Die Rettung vor der drohenden Apathie ist Inspektor Merryweather, der ihn zu einem aussichtslosen Fall hinzuzieht, jedoch erst, nachdem er Moon bei der Lösung eines klassischen Whodunnit-Falls zuvorgekommen ist.
Jonathan Barnes versteht es, literarische Konventionen fast beiläufig zu brechen und auf diese Weise, wie im Fall des von der Polizei geschlagenen Amateurdetektivs, seinem Plot unerwartete Wendungen zu geben - die vermeintliche Ermittlung in einem Mordfall ist zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hat. Damit begnügt sich Barnes jedoch nicht; er enthält den Lesern auch bereits antizipierte Ereignisse vor. Noch bevor er in den eigentlichen Fall involviert wird, weht Moon ein Zeitungsfetzen mit der Nachricht vom Mord vor die Füße, an dem er später den Faden des Verbrechens aufnehmen wird. Dieser Fingerzeig bleibt, entgegen literarischen Konventionen, unbeachtet. Vom üblichen Determinismus der Literatur ist hier keine Spur.
In Jonathan Barnes' Welt ist der Zufall nicht nur zufällig, sondern auch ohne Bedeutung. Kontextreiche Versatzstücke sind hier nicht mehr als schmückendes Beiwerk. Eine bärtige Prostituierte - ein Anklang an die Kuriositätenshows des neunzehnten Jahrhunderts - steht gleichberechtigt neben Lud, dem legendären Gründer Londons, der im "Albtraumreich" die Zeit rückwärts durchlebt, den biblischen Riesen Gog und Magog, die das Rathaus der britischen Hauptstadt zieren und einen späten Auftritt im Roman haben, sowie dem historischen London Stone, der ehemals exakt im Zentrum der Metropole gelegen haben soll.
Keiner dieser kulturellen Verweise ist jedoch für die Handlung relevant. Die belanglos scheinende Üppigkeit ist das stilistische Äquivalent der Dekadenz, die in Barnes' London herrscht. Der Griff zur Opiumpfeife ist hier ebenso leicht wie der Gang in ein Bordell, in dem nur Frauen mit körperlichen Deformierungen, wie eben die bärtige Hure, arbeiten. Begnügte Sherlock Holmes sich noch mit Kokain, zieht es Edward Moon in die Arme ebenjener kuriosen Frauen, und zwar immer dann, wenn ihn die Langeweile überwältigt oder sein Fall stagniert.
Dies ist schnell der Fall, als er zwei rätselhafte Morde aufklären soll. Moon und sein Gehilfe, ein haarloser, stummer Hüne, der den Namen "Schlafwandler" trägt, spüren Hinweise auf, ohne dadurch einer Lösung näher zu kommen. Ein Medium prophezeit den Untergang der Stadt, ein inhaftiertes Verbrechergenie sieht eine Revolution kommen, der britische Inlandsgeheimdienst presst Moon in seine Dienste, wohlhabende Damen verschwinden, eine Utopie scheint Wirklichkeit zu werden. Die Gedichte Samuel Taylor Coleridges, des Mitbegründers der sogenannten pantisokratischen Idee eines von allen Einwohnern gleichermaßen bestimmten Staatswesens, scheinen entscheidende Hinweise zu enthalten. Doch Edward Moon ahnt, noch während er die letzten Puzzleteile zusammensetzt, dass ihm sein Gegenspieler immer einen Schritt voraus war. Aber da nehmen die vorhergesagten Katastrophen bereits ihren Lauf.
Jonathan Barnes' bizarre Komposition kulturhistorischer Komponenten aus zweitausend Jahren Geschichte, narrativen Ideen viktorianischer Groschenromane und modernen Verschwörungstheorien mutet wie die literarische Vorlage eines gemeinsamen Filmprojekts von Tim Burton und Quentin Tarantino an. Im Gegensatz zu den gefeierten Regisseuren ist Jonathan Barnes jedoch noch auf der Suche nach einem unverwechselbaren Stil, in dem er seine originellen Geschichten erzählen kann.
THOMAS SCHOLZ
Jonathan Barnes: "Das Albtraumreich des Edward Moon". Aus dem Englischen übersetzt von Biggy Winter. Piper Verlag, München 2008. 400 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Gehilfe ist ein stummer Hüne, die Prostituierte trägt Bart, und der Mordfall ist zu Ende, bevor er begonnen hat: eine bizarre Detektivgeschichte von Jonathan Barnes.
Manche Albträume zeigen uns das erschreckend andere, das unter der Oberfläche von Alltäglichkeiten begraben liegt. Sie rekombinieren vermeintlich banale Elemente, zwingen den Träumenden in ungewohnte Blickwinkel und lösen durch diese Verfremdungen die für die Schlafstörung charakteristische Angst aus. Literarischer als in diesen Momenten der REM-Phase kann die menschliche Psyche nicht sein. Im Umkehrschluss bleibt Literatur stets traumhaft. Diese Eigenart narrativer Texte macht sich Jonathan Barnes in seinem Debütroman "Das Albtraumreich des Edward Moon" zunutze. Er bedient sich, nicht als Erster, des viktorianischen Londons als Steinbruch, um dann aus den unterschiedlichsten Bausteinen ein phantasmagorisches Mosaik zu legen, dessen Bizarrheit Barnes' Programm ist.
Der Erzähler warnt daher gleich zu Beginn vor den Folgen dieser Tatsachen: "Dieses Buch besitzt keinen wie auch immer gearteten literarischen Wert. Es ist ein grässliches, gewundenes, zweifelhaftes Konvolut von Unsinnigkeiten, bevölkert von wenig überzeugenden Charakteren, geschrieben in trockener, öder Prosa, des Öfteren lächerlich und gewollt bizarr." Ebenso wenig wie den eigenen Stil schätzt der Erzähler seinen Protagonisten, Bühnenmagier und Hobbydetektiv Edward Moon. Ausdrücklich warnt er davor, ihm Sympathien entgegenzubringen. Moons Stern ist im Sinken begriffen, seine Zaubershows sind schon lange nicht mehr ausverkauft, die Einladungen zu den Partys der Londoner High Society werden immer seltener. Die Rettung vor der drohenden Apathie ist Inspektor Merryweather, der ihn zu einem aussichtslosen Fall hinzuzieht, jedoch erst, nachdem er Moon bei der Lösung eines klassischen Whodunnit-Falls zuvorgekommen ist.
Jonathan Barnes versteht es, literarische Konventionen fast beiläufig zu brechen und auf diese Weise, wie im Fall des von der Polizei geschlagenen Amateurdetektivs, seinem Plot unerwartete Wendungen zu geben - die vermeintliche Ermittlung in einem Mordfall ist zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hat. Damit begnügt sich Barnes jedoch nicht; er enthält den Lesern auch bereits antizipierte Ereignisse vor. Noch bevor er in den eigentlichen Fall involviert wird, weht Moon ein Zeitungsfetzen mit der Nachricht vom Mord vor die Füße, an dem er später den Faden des Verbrechens aufnehmen wird. Dieser Fingerzeig bleibt, entgegen literarischen Konventionen, unbeachtet. Vom üblichen Determinismus der Literatur ist hier keine Spur.
In Jonathan Barnes' Welt ist der Zufall nicht nur zufällig, sondern auch ohne Bedeutung. Kontextreiche Versatzstücke sind hier nicht mehr als schmückendes Beiwerk. Eine bärtige Prostituierte - ein Anklang an die Kuriositätenshows des neunzehnten Jahrhunderts - steht gleichberechtigt neben Lud, dem legendären Gründer Londons, der im "Albtraumreich" die Zeit rückwärts durchlebt, den biblischen Riesen Gog und Magog, die das Rathaus der britischen Hauptstadt zieren und einen späten Auftritt im Roman haben, sowie dem historischen London Stone, der ehemals exakt im Zentrum der Metropole gelegen haben soll.
Keiner dieser kulturellen Verweise ist jedoch für die Handlung relevant. Die belanglos scheinende Üppigkeit ist das stilistische Äquivalent der Dekadenz, die in Barnes' London herrscht. Der Griff zur Opiumpfeife ist hier ebenso leicht wie der Gang in ein Bordell, in dem nur Frauen mit körperlichen Deformierungen, wie eben die bärtige Hure, arbeiten. Begnügte Sherlock Holmes sich noch mit Kokain, zieht es Edward Moon in die Arme ebenjener kuriosen Frauen, und zwar immer dann, wenn ihn die Langeweile überwältigt oder sein Fall stagniert.
Dies ist schnell der Fall, als er zwei rätselhafte Morde aufklären soll. Moon und sein Gehilfe, ein haarloser, stummer Hüne, der den Namen "Schlafwandler" trägt, spüren Hinweise auf, ohne dadurch einer Lösung näher zu kommen. Ein Medium prophezeit den Untergang der Stadt, ein inhaftiertes Verbrechergenie sieht eine Revolution kommen, der britische Inlandsgeheimdienst presst Moon in seine Dienste, wohlhabende Damen verschwinden, eine Utopie scheint Wirklichkeit zu werden. Die Gedichte Samuel Taylor Coleridges, des Mitbegründers der sogenannten pantisokratischen Idee eines von allen Einwohnern gleichermaßen bestimmten Staatswesens, scheinen entscheidende Hinweise zu enthalten. Doch Edward Moon ahnt, noch während er die letzten Puzzleteile zusammensetzt, dass ihm sein Gegenspieler immer einen Schritt voraus war. Aber da nehmen die vorhergesagten Katastrophen bereits ihren Lauf.
Jonathan Barnes' bizarre Komposition kulturhistorischer Komponenten aus zweitausend Jahren Geschichte, narrativen Ideen viktorianischer Groschenromane und modernen Verschwörungstheorien mutet wie die literarische Vorlage eines gemeinsamen Filmprojekts von Tim Burton und Quentin Tarantino an. Im Gegensatz zu den gefeierten Regisseuren ist Jonathan Barnes jedoch noch auf der Suche nach einem unverwechselbaren Stil, in dem er seine originellen Geschichten erzählen kann.
THOMAS SCHOLZ
Jonathan Barnes: "Das Albtraumreich des Edward Moon". Aus dem Englischen übersetzt von Biggy Winter. Piper Verlag, München 2008. 400 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Thomas Scholz kann sich der Faszination, die von der alptraumhaft-phantastischen Welt dieses Debütromans ausgeht, kaum entziehen und folgt dem englischen Autor Jonathan Barnes mit einem gewissen Vergnügen in das viktorianische London, das den Schauplatz für diesen unkonventionellen Kriminalroman abgibt. Barnes bricht darin mit sämtlichen Genre-Verabredungen, die man sich nur denken kann und warnt selbst gleich zu Anfang, dem Plot oder dem Protagonisten Edward Moon, einem Showmagier, der zwei Morde aufzuklären hat, Vertrauen oder Sympathie entgegenzubringen, teilt der Rezensent mit. Der Autor greife kulturhistorische Versatzstücke, historische Personen und literarische Zitate auf, ohne dass sie für die Handlung wirksam würden und mische das mit der traumhaften Erzähllogik, die jeglicher Narration mehr oder weniger ohnehin zu Eigen ist, wie der Rezensent meint. Das Einzige, was ihm bei diesem Buch fehlt, ist ein "unverwechselbarer Stil", der diesem schrägen Plot auch angemessen wäre, aber der Rezensent scheint sich keine echten Sorgen zu machen, dass sich Barnes hier noch weiterentwickeln wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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