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"Sing mir, Muse...", mit diesen Worten bat einst der griechische Dichter Homer die Göttin, ihm von der längst vergangenen Welt seiner Vorfahren zu künden. Wer heute nach einer gleichermaßen aktuellen wie zuverlässigen Darstellung der griechischen Frühzeit sucht, die ihm die Jahrhunderte von den Tagen Mykenes bis zur anbrechenden Volksherrschaft in Athen erschließt, darf sich Elke Stein-Hölkeskamp anvertrauen.

Produktbeschreibung
"Sing mir, Muse...", mit diesen Worten bat einst der griechische Dichter Homer die Göttin, ihm von der längst vergangenen Welt seiner Vorfahren zu künden. Wer heute nach einer gleichermaßen aktuellen wie zuverlässigen Darstellung der griechischen Frühzeit sucht, die ihm die Jahrhunderte von den Tagen Mykenes bis zur anbrechenden Volksherrschaft in Athen erschließt, darf sich Elke Stein-Hölkeskamp anvertrauen.
Autorenporträt
Elke Stein-Hölkeskamp lehrt Alte Geschichte an der Universität Duisburg-Essen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2015

Pocahontas in Kleinasien

Pralle Wege führen nach Rom: Zwei exzellente Bände erzählen die Geschichte der Antike - im Zentrum steht das Versagen einer Elite.

Ein Rundblick in die aktuelle Welt zeigt inzwischen beunruhigend häufig den Zerfall von Staaten und das Versagen institutioneller Gefüge. Formative Epochen der Geschichte gewinnen vor dieser Erfahrung neues Interesse. Zwei von ihnen lassen sich jetzt in neuen, handlichen Überblicksdarstellungen studieren: das frühe Griechenland, an dessen Ende um 500 vor Christus die institutionalisierte Polis stand, und die römische Republik, die an ihrem Ende eine blutige Umwälzung der inneren Machtstrukturen erfuhr, ohne aber von außen als Machtbildung gefährdet zu sein.

Elke Stein-Hölkeskamp verweigert sich freilich allen teleologischen Zumutungen, das archaische Hellas stracks in die athenische Demokratie münden zu lassen. Im Sinne der neueren, aber auch schon der älteren Forschung entfaltet sie das komplexe Panorama einer Epoche des Aufbruchs, der Innovation und des Experimentierens, wägt Bruch und Kontinuität zwischen den bronzezeitlichen Palästen und den sehr einfach strukturierten Gemeinden der "dunklen Jahrhunderte" ab und lässt nacheinander die mykenischen Herrschaftsbildungen und ihren Zusammenbruch, die Welten Homers, den Aufbruch in neue Welten, die Polis sowie die Lebenswelten der Bauern, der Aristokraten, der Tyrannen und schließlich der Polisbürger entstehen.

Ausführlich, für nichtakademische Leser manchmal wohl zu detailreich, werden archäologische Befunde ausgebreitet, denen die Autorin ein Vetorecht gegen die unzuverlässigen späteren Texte zumisst, skizziert die Autorin dichte Fallstudien, um die genannten Lebenswelten wieder zusammenzuführen, und formuliert Bilanzen. Glänzend gelungen und originell ist die Schilderung der sogenannten griechischen Kolonisation. Sie muss man sich in der Tat eher wie die Erschließung Nordamerikas durch die Europäer vorstellen, die im achtzehnten Jahrhundert in kleinen Gruppen eng mit den Indianern zusammenlebten, bevor die großen Massen der Siedler kamen und rückblickend eine ganz andere Geschichte, die der triumphalen, auf Überlegenheit gegründeten Landnahme, erzählt wurde. Die Autorin verweist einmal beiläufig, aber treffend auf Pocahontas.

Man wird in der akademischen Lehre gern zu dem Werk greifen, weil es den aktuellen Forschungsstand trefflich bündelt. Aber dem Bemühen, "auf die Konstruktion von jeglicher Art von Linearität oder gar Kausalität zu verzichten", ist manches zum Opfer gefallen, so der Aufbruch des Denkens seit Thales oder die faszinierende Gestalt Solons als ein Höhepunkt der Archaik. Bezeichnenderweise fehlt Christian Meiers Darstellung der gleichen Epoche, "Kultur, um der Freiheit willen", im ansonsten durchaus nicht schmalen Literaturverzeichnis.

Die Aufgabe einer zeitgemäßen Geschichte der römischen Republik stellt sich anders dar. Abgesehen von der Frühzeit bis etwa 400, die wegen der Quellenlage eher einen breiten Pinsel und eine gewisse konstruktive Phantasie benötigt, liegt das Gerüst an chronologisch abzuarbeitenden Fakten fest und gibt es wirkmächtige Meistererzählungen von Mommsen bis Meier. Da diese auf dem gleichen Quellenbestand beruhen, der auch uns vorliegt, erscheinen sie zwar durch ihren zeitgenössischen Hintergrund beeinflusst, sind aber nicht einfach durch grundlegend neue Erkenntnisse überholt.

Wolfgang Blösel gibt dem Rahmen und der Tradition insofern Kredit, als auch er den Verlauf der zahlreichen Kriege relativ ausführlich, hier und da vielleicht sogar zu detailliert schildert. Die Rechtfertigungsklimmzüge früherer Generationen um Kriegsschuldfragen und Imperialismus schiebt er indes entschlossen beiseite: Seine Römer brechen Verträge, führen Kriege mindestens präventiv, wenn auch ohne "grand strategy", und folgen dem Ruf des Ruhms und des Goldes.

Allenfalls implizit, in manchen Akzentuierungen geht Blösel das historiographische Kernproblem an: Wie kann man die Geschichte der römischen Republik einer Leserschaft nahebringen, die Leistungen und Leidensfähigkeit im Krieg längst nicht mehr für selbstverständlich oder gar bewundernswert hält, sondern eher postheroisch befremdet und verstört darauf schaut, wie sich die Römer höchst aktiv und immer bereit, fremdes wie eigenes Blut zu vergießen, zu Herren der antiken Welt machten?

Blösel erklärt die atemberaubende Dynamik der Expansion und den nahezu unersättlichen Eroberungsdrang der Römer aus der bis zum Ende der Republik verbindlichen stadtstaatlichen Struktur der Republik und der Konstruktion der politisch führenden Aristokratie, der Nobilität. Alle Wege führten tatsächlich nach Rom, nur hier, auf dem Forum, dem Comitium und bei den jährlichen Wahlen der Amtsträger auf dem Marsfeld, wurden Ämter, Rang und Prestige vergeben, nur hier fanden die Triumphzüge statt, wurde die Beute zur Schau gestellt und verausgabt.

Die Ausweitung des Herrschaftsgebietes führte also nicht zu einer Dezentralisierung der soziopolitischen Prozesse in die Peripherie; es gab weder einen Reichsadel noch eine föderale Vertretung oder Organisation. Als die Verbündeten der Römer in Italien einmal in diese Richtung vorstießen, führte das zu einem recht kurzen, aber heftigen Krieg, der die Hemmschwelle gegenüber der Anwendung von Gewalt im an sich befriedeten Binnenraum nochmals erheblich senkte und für die Generation Ciceros zum prägenden Trauma werden sollte.

Je mehr Erfolge Rom aber in der weiten Fläche errang, desto schärfer wurde der Wettbewerb um Ämter, Rang und Status im Zentrum und desto schlechter funktionierte das ohnehin höchst labile politische System, das durch das Veto von Volkstribunen leicht paralysiert werden konnte und von allen Beteiligten viel Disziplin und Aushandlungsbereitschaft verlangte. Dieser Zusammenhang ist geläufig. Aber Blösel kann aus eigener jüngster Forschung einen wichtigen neuen Akzent setzen: Die Konzentration militärischer Kompetenz und Machtmittel auf wenige Einzelpersonen wie Marius, Sulla, Pompeius, Caesar und am Ende Oktavian ergab sich keineswegs systemnotwendig, weil etwa "das Reich" neue Formen und Dimensionen militärischer Vollmachten erfordert hätte oder weil diese ambitionierten Führernaturen so rücksichtslos waren. Vielmehr schoss sich die lange so breit gelagerte und erfolgreiche Nobilität selbst aus dem Rennen, indem sie seit dem zweiten Jahrhundert ihre Aktivität verstärkt auf die Metropole konzentrierte und, plakativ gesagt, über dem Rhetorikstudium das Kriegführen verlernte.

Die zweite Hälfte des Buches bietet insgesamt die kühle Autopsie eines Elitenversagens; Blösel nennt Wahrnehmungsdefizite, "politische Arroganz", einen starrsinnigen Senat und "dramatischen Verlust an zentralen Leitungskompetenzen". Er zitiert die Quellen sparsam und berichtigt sie gern, aber in dieser Zuschreibung tatsächlicher und persönlicher Verantwortung liegt er näher bei Sallust als bei Montesquieu. Wie das alles zusammenhing, die rasante Expansion Roms unter Führung der Nobilität, deren militärische Dequalifizierung und Legitimitätsverlust sowie die Überwältigung des republikanischen Systems durch wenige Militärs, die aber aus der Wertemitte der römischen Gesellschaft kamen, all das wird hier präzise und gedankenreich entwickelt, vieles auch, was vielleicht noch halbwegs geläufig ist, etwa die Ständekämpfe, der alte Cato oder die Gracchen, neu und originell beleuchtet.

Die beiden Bücher sind zweifellos Aktivposten in der rasch auf vier Bände von geplanten sechs angewachsenen "Geschichte der Antike" des Beck-Verlages (F.A.Z. vom 24. Mai 2014); sie kartographieren den Strom und die Stromschnellen der jeweiligen Epoche in einem traditionellen Format, aber auf sehr hohem Niveau.

UWE WALTER.

Elke Stein-Hölkeskamp: "Das archaische Griechenland". Die Stadt und das Meer.

Verlag C. H. Beck, München 2015. 302 S., Abb., br., 16,95 [Euro].

Wolfgang Blösel: "Die römische Republik". Forum und Expansion.

C. H. Beck Verlag, München 2015. 304 S., Abb., br., 16,95 [Euro].

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"Eine ebenso lesbare wie verblüffende Zwischenbilanz."
Berthold Seewald, Welt-Online, 24. August 2015
"Nicht nur Geschichtsstudenten dürfen sich freuen."
Berthold Seewald, Welt Online, 15. Juni 2015