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Anton Steenwijk ist noch ein Junge, als das nationalsozialistische Deutschland die Niederlande besetzt. Als Widerstandskämpfer einen Offizier der holländischen Faschisten erschießen und den Leichnam vor dem Haus seiner Eltern ablegen, sind die Folgen für Anton dramatisch. Die Deutschen stecken sein Elternhaus in Brand, und Anton wird von seinen Familienangehörigen getrennt, die noch an Ort und Stelle umgebracht werden. Er wächst fortan bei einem Onkel auf und beginnt nach und nach, die Ereignisse zu verdrängen. Selbst als er nach Kriegsende vom schrecklichen Los seiner Angehörigen erfährt,…mehr

Produktbeschreibung
Anton Steenwijk ist noch ein Junge, als das nationalsozialistische Deutschland die Niederlande besetzt. Als Widerstandskämpfer einen Offizier der holländischen Faschisten erschießen und den Leichnam vor dem Haus seiner Eltern ablegen, sind die Folgen für Anton dramatisch. Die Deutschen stecken sein Elternhaus in Brand, und Anton wird von seinen Familienangehörigen getrennt, die noch an Ort und Stelle umgebracht werden. Er wächst fortan bei einem Onkel auf und beginnt nach und nach, die Ereignisse zu verdrängen. Selbst als er nach Kriegsende vom schrecklichen Los seiner Angehörigen erfährt, verspürt er keinen Drang, die Täter ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Seine Berufswahl wirkt geradezu symbolhaft: Er arbeitet als Anästhesist, aber eigentlich, so scheint es, will er seine eigene traumatisierte Erinnerung betäuben. Doch immer wieder wird er mit der Vergangenheit konfrontiert, bis er eines Tages die Augen nicht mehr verschließen kann.

Mulischs Roman Das Attentat (1982) ist eine meisterhaft erzählte Parabel vom Erinnern und Verdrängen, von kollektiver Schuld und individuellen Traumata. Sie ist spannend wie eine Detektivgeschichte und war der wohl größte literarische Erfolg in den Niederlanden der Achtzigerjahre.

Autorenporträt
Harry Mulisch, 1927 in Haarlem geboren, lebt heute in Amsterdam. In seinem umfangreichen Werk - Erzählungen, Romane, Theaterstücke, Gedichte, Essays, Studien, Reportagen, Libretti und Drehbücher - spielen der Zweite Weltkrieg und dessen Folge, der Kalte Krieg, eine wichtige Rolle. Harry Mulisch erhielt zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Niederländischen Staatspreis für Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2004

Band 19
Schüsse in der Winternacht
Harry Mulischs Roman „Das Attentat”
„Weit, weit zurück, im Zweiten Weltkrieg, wohnte ein gewisser Anton Steenwijk mit seinen Eltern und seinem Bruder am Stadtrand von Haarlem.” Fast wie ein Märchen beginnt der 1982 veröffentlichte Roman „Das Attentat” des Niederländers Harry Mulisch, aber schon auf der ersten Seite begreifen wir, dass da ein raffinierter Erzähler anhebt zu einer Geschichte, die eher einem Albtraum gleicht. In einer Winternacht des Jahres 1945 fallen in einem aus vier Häusern bestehenden Weiler Schüsse. Durch die Jalousie können es der elfjährige Anton Steenwijk und sein Bruder genau sehen: Vor dem Nachbargrundstück liegt auf der Straße ein Fahrrad und daneben ein Mann, Fake Ploeg, „der größte Mörder und Verräter von Haarlem und Umgebung”. Schlimmer noch, die beiden Buben sehen auch, wie plötzlich der Nachbar aus dem Haus stürzt, sich mehrfach umschaut und den vor seiner Tür liegenden Polizeiinspektor vor das Haus der Steenwijks schleift.
Zehn Minuten später sind die deutschen Soldaten da. Der kleine Anton ist der einzige der Steenwijks, der die Vergeltungsaktion der Besatzer überlebt. Mehr als zwanzig Jahre später hört er nach einer Beerdigung einen Mann erzählen, wie er den Polizeiinspektor in jener Winternacht mit drei Schüssen vom Fahrrad geholt hat. Dieser Mann, dieser Widerstandskämpfer, schließt Anton Steenwijk, ist also dafür verantwortlich, dass seine Eltern und sein Bruder erschossen wurden.
Von da an rutscht für ihn vieles ins Unbegreifliche und Absurde. Weil die Opfer, wie sich nach und nach herausstellt, manchmal eben auch Täter sind und die Kinder der Täter nach dem Krieg auch Opfer. Weil die Ein- und Aufteilung der Welt in Täter und Opfer nicht zu taugen scheint für ein Begreifen dessen, was in diesen Kriegs- und Besatzungsjahren passiert ist. Warum haben die Widerstandskämpfer, die doch mit einer Vergeltungsaktion der Deutschen rechnen mussten, bei der Erschießung des Polizeiinspektors das Leben Unschuldiger riskiert? Und warum hat der Nachbar diesen Kollaborateur ausgerechnet vor das Haus der Steenwijks geschleift, warum hat er ihn nicht etwa vor dem Grundstück des anderen Nachbarn liegen lassen?
Während sich viele Kollaborateure nach dem Krieg - das Wunder gibt es überall - rasch in Widerstandskämpfer verwandeln, werden ihre Opfer nicht fertig mit der Vergangenheit. Und als wollte die Geschichte im Nachhinein ihre Opfer verhöhnen, haben diejenigen, die in der Nacht des Attentats nichts gehört und gesehen haben wollen, als Einzige eine weiße Weste.
„Das Attentat” ist in den Niederlanden heute ein Klassiker, Schullektüre und Thema zahlloser historischer und literarischer Dissertationen. Der Roman wurde bislang mehr als 700000-mal verkauft. Dabei ist das packend erzählte Buch des 1927 in Haarlem geborenen Mulischs, der Sohn einer jüdischen Mutter ist und eines österreichischen Vaters, welcher während der deutschen Besetzung die enteigneten Guthaben deportierter Juden verwaltete, von einer geradezu diabolischen Komplexität und Raffinesse. Mulisch räumt nicht nur mit dem Klischee vom Widerstand der (im Sinne von: aller) Niederländer auf, sondern demontiert auch dramaturgisch geschickt alle Parameter der politischen Moral. Warum und wie einer zum Schwein wird, oder eben nicht, das muss immer wieder neu erzählt werden.
CHRISTOPH BUCHWALD
Harry Mulisch
Foto: Chris van Houts
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"Ein brillanter Roman." (John Updike)