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Walter Frentz (1907-2004) begann seine Karriere als Kameramann und Fotograf in den zwanziger Jahren mit Kajakfilmen und Fotografien im Stil des Neuen Sehens. Seit 1933 arbeitete er durch Vermittlung Albert Speers als Kameramann für Leni Riefenstahl und schuf einige der bekanntesten Szenen in »Triumph des Willens« und »Olympia«. 1940 wurde er ständiger Kameramann in Hitlers Hauptquartieren. In dieser Funktion filmte er nicht nur alle offiziellen Ereignisse, sondern fotografierte auch unablässig in Farbe. Neben seiner Arbeit im Hauptquartier dokumentierte er 1942 1944 den Bau des Atlantikwalls…mehr

Produktbeschreibung
Walter Frentz (1907-2004) begann seine Karriere als Kameramann und Fotograf in den zwanziger Jahren mit Kajakfilmen und Fotografien im Stil des Neuen Sehens. Seit 1933 arbeitete er durch Vermittlung Albert Speers als Kameramann für Leni Riefenstahl und schuf einige der bekanntesten Szenen in »Triumph des Willens« und »Olympia«. 1940 wurde er ständiger Kameramann in Hitlers Hauptquartieren. In dieser Funktion filmte er nicht nur alle offiziellen Ereignisse, sondern fotografierte auch unablässig in Farbe. Neben seiner Arbeit im Hauptquartier dokumentierte er 1942 1944 den Bau des Atlantikwalls und Rüstungsprojekte wie die V2-Raketen und die zu ihrer Herstellung erzwungene mörderische Sklavenarbeit im KZ Dora-Mittelbau. Im Frühjahr 1945 schuf er schließlich ganze Bildserien zerstörter deutscher Städte. Das Buch klärt die Entstehungsumstände der Bilder, fragt nach ihren propagandistischen Aspekten und verfolgt die Karriere von Walter Frentz, die er als Kulturfilmer nach 1945 unbehelligt fortsetzen konnte.
Autorenporträt
Hans G. Hiller von Gaertringen, geb. 1972, Studium der Kunstgeschichte, Russistik und Geschichte in Dresden, Neapel und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2007

Er war Hitlers Lieblingsfotograf
Walter Frentz und wie er die Welt sah: Einen unpolitischen Dokumentaristen nannte er sich, ein neuer Bildband zeigt das Gegenteil

Gesehen hat ihn jeder schon einmal. Oder, genauer: nicht ihn, sondern mit seinen Augen. "Das Auge des Dritten Reiches" heißt, ganz zu Recht, der opulente und ausführlich kommentierte Bildband über Leben und Werk von Walter Frentz (1907-2004), "Hitlers Kameramann und Fotograf". Kaum ein Filmbild Hitlers, das seit 1939 aufgenommen und in einer "Wochenschau" gezeigt wurde - und seine filmische Fortsetzung in unseren Tagen bei Guido Knopp & Co. findet -, stammt nicht von ihm. Frentz, der seine Karriere auf Empfehlung Albert Speers bei Leni Riefenstahl begann, als ihr Kameramann etwa am ebenso legendären wie umstrittenen Olympiafilm von 1936 mitwirkte, wurde im Sommer 1939 ins Führerhauptquartier berufen. Bis zum April 1945 sollte er als "Filmberichter" für die Aufnahmen von Hitler in der "Deutschen Wochenschau" zuständig sein. Doch Frentz nutzte seine Zugehörigkeit zum engsten Kreis um Hitler, dem insgesamt etwa vierzig Personen angehörten, nicht nur für Filmaufnahmen, sondern schoss, semiprivat, auch zahlreiche Fotos, davon viele in Farbe. Kaum ein Bild wurde damals bereits veröffentlicht, einige nach dem Krieg, oft in rechtsextremen Publikationen, andere erstmals im vorliegenden Band, der etwa dreihundert der überlieferten 20 000 Frentz-Bilder aus der Zeit des Dritten Reiches zeigt.

Kritische Distanz sucht man bei Frentz vergeblich. Seine Bilder drücken nicht Zweifel, sondern Nähe aus, die im Kontext des Gezeigten heute erschreckt. Das bezieht sich nicht allein auf idyllische Berghofszenen, etwa auf die zahlreichen Bilder Hitlers mit seinem Kunststückchen vorführenden Schäferhund Blondi (es scheint von Blondi, mit und ohne Hitler, derart viele Frentz-Bilder zu geben, dass Knopp für "Hitlers Hunde" reichlich Material fände). Auch Themen wie Zwangsarbeit setzte Frentz in Szene, ohne einen Hauch des Grauens, das dieser Welt innewohnte, im Bild zuzulassen. Eher vergaß er im Konzentrationslager Dora, als er 1944 in Speers Auftrag Bilder vom Bau der "Vergeltungswaffe" V2 fertigte, einen Scheinwerfer aus dem Bild zu räumen, als dass er auch nur ein mattes Licht darauf geworfen hätte, dass mehr Menschen beim Bau dieser Raketen starben als bei ihrem unmittelbaren Kriegseinsatz; Vernichtung durch Arbeit.

Auf der anderen Seite näherte sich Frentz mit seiner harmonisierenden Bildsprache auch Motiven, die andere Fotografen veranlassten, die nationalsozialistische "Rassenkunde" zu inszenieren. Etwa porträtierte er auf einer Reise nach Weißrussland im Juli 1941 sowjetische Kriegsgefangene in farbigen Einzelbildern. Allenfalls die Abgerissenheit ihrer Kleidung (Uniform nur selten) hätte für Propagandazwecke getaugt, nicht jedoch die mal ängstlichen, mal neugierigen, mal freundlichen Blicke in die Kamera.

Das erschütterndste Kapitel des Bandes - und wohl auch des Lebens von Frentz - beschreibt seine Reise im August 1941 nach Minsk. Er unternahm sie im Gefolge Heinrich Himmlers. Die Reise ist bekannt und in der historischen Forschung oft behandelt, weil Himmlers Tross einer Massenerschießung von "Partisanen", wie man den Mord der Juden nannte, beiwohnte. Das persönliche Erlebnis der Exekution soll für Himmler ein wichtiger Beweggrund gewesen sein, auf eine "humanere" Tötungsart zu drängen - wohlgemerkt für die Mörder, nicht für die Opfer.

Frentz war, eigenen Angaben zufolge, Zeuge des Massakers, von dem sich weder Bilder noch Filmaufnahmen erhalten haben. Später erklärte er, "aus Neugier" an der Reise teilgenommen zu haben und von der Erschießung geschockt gewesen zu sein. Klaus Hesse legt in seinem Beitrag zur Minsk-Reise jedoch nahe, dass Frentz eher im Auftrag Hitlers agierte, vielleicht, um den Alltag hinter der Front, samt Ermordung der jüdischen Bevölkerung, filmisch zu dokumentieren. Der Schock des Augustmorgens scheint jedenfalls nicht lange angehalten zu haben: Am selben Tag, nur wenige Stunden nach den Morden per Genickschuss an Männern und Frauen, besuchte Himmlers Tross eine Sowchose, und Frentz schoss muntere Bilder einer quirligen Kinderschar, die sich Himmlers Wagens (und seiner SS-Schirmmütze) bemächtigte.

Als unpolitischer Akteur, als Dokumentarist hat sich Walter Frentz, zu seiner Rolle im Dritten Reich befragt, immer ausgegeben. Seine Bilder sprechen eine andere Sprache, und es ist ein großes Verdienst des Bandes, der mit wohltuender Vorsicht, zweifelsohne geschult an der Debatte um die Wehrmachtsausstellung, dem Kontext und den Hintergründen der gezeigten Bilder große Aufmerksamkeit widmet, die Macht der Bilder am Beispiel eines der wichtigsten Verantwortlichen zu thematisieren. Ebenso begrüßenswert wie erstaunlich ist auch die Tatsache, dass Frentz' Sohn, Hanns-Peter Frentz, den beteiligten Forschern vollen Zugang zum Nachlass seines Vaters gewährte und mit Auskünften nach Möglichkeit half (F.A.Z. vom 9. März 2005). Dies und die Sachkunde der elf Autoren, die das Bildwerk Frentz' aus vielerlei Perspektiven analysieren, lässt manche Redundanz verzeihlich erscheinen.

"Das waren noch Zeiten - wunderschön", schrieb Leni Riefenstahl im Jahr 2000 auf ein Bild, das sie und Frentz am Rande der Dreharbeiten zum Olympiafilm von 1936 zeigt und das sie ihrem ehemaligen Kameramann schickte. Wunderschöne Zeiten - jedenfalls für diese beiden.

TILMANN LAHME

Hans Georg Hiller von Gaertringen (Hrsg): "Das Auge des Dritten Reiches". Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz. Deutscher Kunstverlag, München 2006. 256 S., geb., Abb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Gerhard Paul verdankt diesem Band mit Fotos des Kameramanns und Fotografen Walter Frentz erhellende Einblicke in Selbstbild und Selbstinszenierung führender Nationalsozialisten. Frentz sei einer der einflussreichsten Bildpropagandisten des Dritten Reichs gewesen und habe die Nazi-Welt als heil und rein dargestellt. Selbst der Überfall auf Polen und der folgende Vernichtungskrieg sehe auf Frentz' Fotos eher wie eine Reise, ein Abenteuer aus. Gewalt komme auf den Bildern nie vor. Dem vorliegenden Band rechnet der Rezensent hoch an, den Fotos nun endlich einen "kritischen zeit- und kunsthistorischen Rahmen" gegeben zu haben, ihre Perspektiven entschlüsselt und damit auch den "Bildpropagandisten" selbst ins "rechte Licht" gerückt zu haben.

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