Ein junger Mann, der, merkwürdig genug, von sich sagt, "noch 27, bald 29 Jahre alt" zu sein, beschließt, künftig sein Leben in der Badewanne zu verbringen. Er will ein abstraktes Leben führen, unabgelenkt sein, warum, das verrät er nicht. Er liest Bücher, geht eigenen Gedanken nach. Ein Ich in Isolation, das registriert, was um es herum passiert. Da ist Edmondsson, seine Frau, die in einer Kunstgalerie arbeitet; da gibt es zwei Polen, Kunstmaler eigentlich, die für billig Geld die Küche streichen sollen. Ein Freund der Familie schaut vorbei, die besorgte Mutter kommt ihn besuchen. Dann aber eines Tages, fast überstürzt und ohne Gepäck, verlässt er sein Badezimmer, verlässt Paris, nimmt einen Zug, der ihn nach Venedig in ein Hotelzimmer bringt, das er nur selten verlässt. Dort spielt er Dart. Und er ist auf der Suche nach einem Tennisplatz. Als Jean-Philippe Toussaint 1985 in Frankreich "Das Badezimmer" veröffentlichte, seinen inzwischen berühmten Traktat über Bewegung und Stillstand, über den Sinn menschlichen Handelns und den Tod, rüttelte das die damals eintönig gewordene französische Romanlandschaft auf. Da legte ein unbekannter junger Autor ein Buch vor, das so ganz anders war, ein karger, alles Unnötige verbannender, glasklarer Stil, eine kuriose Geschichte. Hier war unerwartet in der ernst-komischen Schnittstelle eines Samuel Beckett und Jacques Tati ein neuer großer Autor aus dem Nichts aufgetaucht. Im Herbst 2004 erscheint in der FVA dieser moderne Klassiker in einer neuen Übersetzung.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Die Welt ein Rätsel ohne Sinn und alles Tun ist irrational und Selbstbetrug - klassische Motive der Moderne, hält Ulrich Rüdenauer fest, um den todessehnsüchtigen Helden zu beschreiben, einen "Oblomow unserer Tage", der umotiviert Dinge tut, Reisen unternimmt, seinen Rückzug in die Badewanne beschließt, den Regen beobachtet und sich schließlich aus der Wanne wieder erhebt - doch ebenso unmotiviert, schreibt Rüdenauer. "Die Dinge des Lebens geschehen, und sie geschehen ganz ohne Kontur." Der Held hat sich Gleichgültigkeit und Galgenhumor verordnet. Das Buch ist zwanzig Jahre alt, es war Toussaints Romandebüt. Und es hat, so der Rezensent, kaum etwas von seiner provozierend berechnenden Rätselhaftigkeit und sprachlichen Suggestionskraft verloren", zumal es "in angemessener Kühle (und Komik!)" von Joachim Unseld neu übersetzt wurde. Eine gute Sache!
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Pascal steckt in seinen Büchern, Flaubert mit seiner Impassibilite, Ionesco, Camus, der Nouveau roman in seiner Vielfalt - und wahrscheinlich steht Toussaint auch noch mit Marc Aurel, Kierkegaard und Derrida auf gutem Fuße." (SDZ)"Ein Candide mit belgischem Pass." (Figaro)"Um Toussaint einzuordnen, müsste man ihn irgendwo neben Kafka und Beckett stellen, eine Brücke zwischen Mondrian und Pascal. Mit großer schriftstellerischer Reife lotet sein neuer Roman die Tiefen eines Liebeswahns aus. Und den Moment danach, das Nicht-mehr-Lieben. Beeindruckend und mit großer Meisterschaft vereint er in diesem Roman alle seine Gaben: Das ist große Kunst, die Toussaints Ruf als großer Autor festigt." (Le Monde)