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Das Bauhaus gilt zu Recht als eine der bedeutendsten Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte der von Walter Gropius begründeten Schule spiegelt sowohl Erfolge und internationale Ausstrahlung, wie auch Ernüchterung in der Durchsetzung der Ziele wider. Anerkennung fand das Bauhaus nicht nur in Deutschland, sondern vor allem nach der Schließung der Schule und der Vertreibung der Lehrer und Schüler im Dritten Reich seit 1937 im New Bauhaus in Chicago.
Welches Urteil und welche Wirkung das Bauhaus hingegen in Frankreich gefunden hat, war bislang nur wenig bekannt. Die in diesem
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Produktbeschreibung
Das Bauhaus gilt zu Recht als eine der bedeutendsten Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte der von Walter Gropius begründeten Schule spiegelt sowohl Erfolge und internationale Ausstrahlung, wie auch Ernüchterung in der Durchsetzung der Ziele wider. Anerkennung fand das Bauhaus nicht nur in Deutschland, sondern vor allem nach der Schließung der Schule und der Vertreibung der Lehrer und Schüler im Dritten Reich seit 1937 im New Bauhaus in Chicago.

Welches Urteil und welche Wirkung das Bauhaus hingegen in Frankreich gefunden hat, war bislang nur wenig bekannt. Die in diesem Band der Reihe "Passagen" zusammengetragenen persönlichen Kontakte zwischen französischen und deutschen Künstlern widerlegen die Vorstellung, das Bauhaus sei in Frankreich so gut wie unbekannt gewesen. Die hier vorgelegten Studien zeigen aber auch auf, wie die unterschiedlichen kulturgeschichtlichen Voraussetzungen eine stärkere Aufnahme der Ziele des Bauhauses im institutionellen Rahmen gar nicht möglich machten. Die auf unterschiedlichen Traditionen und anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen beruhenden Kunstauffassungen hatten in beiden Ländern zu geradezu gegensätzlichen Wegen in die Modernität geführt. Die Differenz zwischen beiden Auffassungen lässt sich im schon damals diskutierten Gegensatzpaar "Individualismus" und "Standardisierung" festmachen, das den grundsätzlichen Unterschied der Stellung der Kunst in der Gesellschaft charakterisiert.

In fünf Kapiteln spüren die in ihrer Methodik breit angelegten Beiträge den verschiedenen Etappen des Austausches zwischen Bauhäuslern und ihren Kollegen in Frankreich nach. Sie handeln von der theoretischen Auseinandersetzung, den ausgeführten Projekten, persönlichen Reisen und Kontakten und von der einzigen in sich geschlossenen Präsentation des Bauhauses in Frankreich im Jahr 1930. Diese in der Forschung bislang nur wenig beachtete Ausstellung des Bauhauses war in Paris äußerst umstritten, weshalb schwer zugängliche Kritiken aus der französischen Tagespresse hier erstmals wieder zugänglich gemacht werden. Der Frage, ob Be- oder Missachtung des Bauhauses in Frankreich nicht auch oder sogar vorrangig von vermittelnden Künstlern, Kunstkritikern oder Kunsthistorikern beeinflusst waren, geht ein gesondertes Kapitel nach.

Die Publikation schließt eine Lücke in der Bauhaus-Forschung und ist gleichzeitig als ein Beitrag zur Geschichte französisch-deutscher Kunstbeziehungen im 20. Jahrhundert zu verstehen.

Aus dem Inhalt:
Thomas W. Gaehtgens: Vorwort
Éric Michaud: Einleitung

I. Von französischer Theorie und deutschen Konzepten
- Marie-Ève Celio-Scheurer: Eugène Grasset et les sources pédagogiques de Johannes Itten et Vassily Kandinsky
- Robert Scherkl: "L'art du bien faire" - Über die Evolution der Form zum Standard
- Elke Mittmann: Beziehungsgeflechte in der Diskussion um internationale Architektur

II. Das Bauhaus im Austausch: Realisierte Verwandtschaft
- Matthias Noell: "Choisir entre l'individu et le standard" - Das Künstlerhaus bei Gropius, Le Corbusier, Van Doesburg, Bill
- Gabriele Diana Grawe: Unité et diversité. Ein imaginärer Dialog zwischen Eileen Gray und Marcel Breuer über Innenräume
- Petra Christina Riesterer: Die "École de Plein Air" in Suresnes im Spiegel der reformpädagogischen Bestrebungen in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts
- Roxane Jubert: Typographie & graphisme. Dissemblances, dissonances ... Disconvenance? La France en marge de la "révolution typographique"

III. Die Bauhäusler auf dem Weg nach Frankreich
- Isabelle Ewig: Paul Klee. De la "maison de la construction" au "musée du rêve"
- Dirk Scheper: Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" 1932 in Paris
- Anne-Kathrin Weise: Pariser Impressionen. Marianne Brandt und Frankreich
- Sandra Cattini: Les expériences photographiques de Moshé Raviv-Vorobeichic, dit Moï Ver

IV. Paris 1930: Das Bauhaus in Frankreich
- Joachim Driller: Bauhäusler zwischen Berlin und Paris: zur Planung und Einrichtung der "Section allemande" in der Ausstellung der Société des artistes décorateurs français 1930
- Robin Krause: Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes von Walter Gropius im "20e Salon des Artistes décorateurs français"
- Christian Derouet: Le Bauhaus des peintres contre Walter Gropius ou le silence des "Cahiers d'art" sur le Werkbund au "Salon des Artistes décorateurs français" en 1930
- Matthias Noell: Zwischen Krankenhaus und Mönchszelle: "Le nouveau visage de l'Allemagne" - Die Werkbund-Ausstellung 1930 im Spiegel der französischen Tagespresse

V. Bauhaus und Frankreich: Nur eine Frage der Vermittlung?
- Jean-Louis Cohen: Roger Ginsburger: agent double et critique radical entre France et Allemagne
- Simon Texier, Christian Freigang: Jean Badovici et "L'Architecture vivante"
- Aymone Nicolas: La réception du Bauhaus dans la revue "L'Architecture d'aujourd'hui"
- Christian Freigang: Julius Posener in Frankreich. Zwischen der Kritik am deutschen Bauhaus und der Aporie einer modernen Architektur
- Christian Derouet: "Walter Gropius" --- Un article inédit destiné aux "Cahiers d'art"
- Iris Bruderer-Oswald: Carola Giedion-Welcker und die Entdeckung der Moderne
- Gabriele Mahn: Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp - Bauhausfreunde in Frankreich
- Helmut Leppien: Das Bauhaus und Jean Leppien
- Wulf Herzogenrath: Von der Bauhaus-Bühne zum kurvenlinearen Raumbild: Albert Flocon
- Christian Derouet: Les photographies du Bauhaus dans le fonds Vassily Kandinsky, Documentation du Musée national d'Art moderne, Paris
- Robert Scherkl: Verständigungsschwierigkeiten: "venez étudier à bauhaus"
Autorenporträt
Matthias Noell, Assistent am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Die spinnen, die Deutschen
Auch Frankreich diskutierte das Bauhaus, fand es aber dann doch entschieden zu ideologisch / Von Wolfgang Pehnt

Der Auftritt des Deutschen Werkbundes im Paris des Jahres 1930 muß Fachleute und Laien gleichermaßen überrascht haben. In fünf engen und dunklen Räumen des Grand Palais, das in seinen Sälen die Jahresausstellung der Société des Artistes décorateurs aufnahm, entfaltete sich eine lichte Welt des Neuen: nicht schwerblütig, märchenselig, monumental und teutonisch, wie man es von deutschen Präsentationen vor dem Ersten Weltkrieg gewohnt war, sondern leicht, federnd, transparent und technikbewußt. Organisiert hatte die Schau Walter Gropius, der damals nicht mehr das Bauhaus leitete, aber eine Reihe seiner früheren Dessauer Kollegen wie Herbert Bayer, Marcel Breuer und László Moholy-Nagy hinzugezogen hatte.

Natürlich fand das Ereignis kein einheitliches Echo. Einige französische Kritiker bewunderten Klarheit und Präzision, die gemeinhin als französische Tugenden galten. Aber es kristallisierte sich doch ein Stimmungsbild heraus, bei dem den Deutschen ideologische Konsequenz, normatives Denken, unnachsichtige Funktionalität, Disziplin, Kälte, Mechanik und Kollektivismus zugeschrieben wurden - und der heimischen Produktion Individualität, Gediegenheit und Charme, Kunst- und Luxuscharakter, Liebe zum Detail, eben der "goût français". Während man sich in Frankreich nach wie vor im Salon wohl fühlte, schienen die Deutschen nun in keimfreien Laboratorien, hygienischen Krankenzimmern oder puristischen Mönchszellen leben zu wollen. Unheimlich blieb der rechtsrheinische Nachbar nach dieser Verwandlung erst recht.

Die Section Allemande überraschte in Paris so sehr, weil man lange nichts von den Deutschen gesehen hatte und nicht auf dem laufenden war. Bei der Exposition des Arts Décoratifs von 1925, die den Umfang einer Weltausstellung hatte, war das Deutsche Reich nicht vertreten gewesen. Sieben Jahre nach Kriegsende hing das Fernbleiben sowohl mit wechselseitigen politischen Aversionen zusammen wie mit Minderwertigkeitsgefühlen deutscherseits und französischer Sorge vor der erwachenden Konkurrenz. Abermals fünf Jahre später, 1930, war die Visite der Weimarer Republik an der Seine politisch gewollt. Sie entsprach dem Versöhnungsprogramm, das die Außenminister Briand und Stresemann verfolgten.

Das Thema bietet also wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Facetten einer konfliktreichen Beziehung. Dem Deutschen Forum für Kunstgeschichte, das in Paris sitzt, bot es sich als lohnender Forschungsgegenstand geradezu an. Zahlreiche Archivfunde waren möglich. Das Bauhaus, so stellt sich heraus, war in Frankreich nicht so unbekannt, wie man zuvor angenommen hatte, doch auch nicht so bekannt, wie der heutige weltweite Ruf dieser deutschen Muster- und Vorzeige-Institution es vermuten ließe.

Dem Sujet angemessen, schreiben die Autoren des Sammelbandes teils französisch, teils deutsch. Sie haben es sich nicht leichtgemacht. Da ist zum Beispiel der Fall Le Corbusier. In seinem eigenen Land wurde dem Pariser Avantgardisten, der Arbeitsbeziehungen zu Walter Gropius und Mies van der Rohe unterhielt, der "style boche" vorgeworfen. Seinerseits stand Corbu den Weggefährten in Dessau oder Berlin durchaus skeptisch gegenüber. Das frühe Bauhaus fand er nicht ohne Grund kunstgewerblich. Nicht zuletzt machte er Prioritätsansprüche geltend, als Verfechter des architektonischen Gesamtkunstwerks, aber auch als Schrittmacher der Rationalisierung.

Es ergab sich die paradoxe Situation, daß französische Kritiker die Moderne als französisches Produkt beanspruchten - "die moderne Architektur ist in Frankreich geboren worden" -, sie aber andererseits eigentlich nicht mochten. Auch umgekehrt wurden Vorbehalte geltend gemacht. Stellvertretend für die deutsche Seite und kauzig auf eigene Rechnung hat sie der Architekt und Architekturphilosoph Hugo Häring formuliert. Ihm galt Le Corbusier als der mediterrane Formenspieler, der seine Bauten dem Zwang der Geometrie aussetzt, statt sie ihrem Gesetz entsprechend zu entwickeln. Architecture moderne stand gegen das Neue Bauen der "nordischen Kulturkreise". Kurioserweise hat Le Corbusier den Deutschen eine ähnliche Befangenheit für das bloße "paraître", den Schein, vorgeworfen. Das Sammelwerk, in dem man den Namen Häring vergeblich sucht, hat sich diese Pointe entgehen lassen.

Wie es nicht anders sein kann, sind die dreißig Essays in Anlage und Qualität unterschiedlich geraten, überschneiden sich auch vielfach. Von biographischen Miniaturen - etwa zu Roger Ginsburger, einem elsässischen Mittelsmann zwischen den Kulturen, oder Carola Giedion-Welcker, einer Meisterin des vergleichenden Sehens - reichen sie über Stoffsammlungen zeitgenössischer Presseurteile bis zu luziden Analysen. Zu ihnen gehört die brillante Arbeit des Mitherausgebers Matthias Noell über das Künstlerhaus bei Gropius, Le Corbusier, Theo van Doesburg und Max Bill. Dafür muß man hinnehmen, daß die Autorin eines anderen Aufsatzes das Lungensanatorium Zonnestraal in Hilversum für eine Pavillonschule hält.

Obwohl seine Herausgeber es nicht beabsichtigten, trägt auch dieser Band zur Zementierung der Bauhaus-Legende bei. Zwar ist auch von Bruno Taut, Erich Mendelsohn oder Ernst May und vielen anderen die Rede. Dem Bauhaus haben sie nie angehört. Taut, Mendelsohn, May waren Schüler des Stuttgarter und Münchener Hochschullehrers Theodor Fischer; wie überhaupt mehr bedeutende Architekten des Neuen Bauens aus der Schule dieses maßvollen Pädagogen hervorgegangen sind als je aus dem Bauhaus. Bezeichnenderweise war die Pariser Ausstellung von 1930 anfangs nicht Gropius anvertraut, sondern Bruno Paul, dem Direktor der Berliner Kunstgewerbeschule, einem gemäßigten Modernen. Schließlich war es eine Ausstellung nicht des Bauhauses, sondern des Deutschen Werkbundes, der viele unterschiedliche Temperamente zu den Seinen zählte.

Aber auf der Titelseite des neuen Bandes prangt allein der Name des alles verschlingenden Bauhauses. Wer immer hier erscheint, ist bereits auf dem Altar dieser Gottheit geopfert. In Design und Architektur war das Bauhaus eine historische Tat, aber auch eine fulminante Propagandaleistung. Bauhaus heißt inzwischen alles, was glatte Wände, ein flaches Dach und viel Glas hat, ob es in Celle oder Tel Aviv steht. Die Entstehung dieses Schöpfungsmythos wäre ein eigenes, noch viel dickeres Buch wert.

Isabelle Ewig, Thomas W. Gaehtgens, Matthias Noell (Hrsg.): "Das Bauhaus und Frankreich. Le Bauhaus et la France". 1919-1940. Akademie Verlag, Berlin 2002. 526 S., 224 Abb., geb., 49,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Pehnt hat sich einen Tagungsband zur Bauhaus-Rezeption im Frankreich der Zwischenkriegszeit angeschaut. Die dreißig Aufsätze deutscher und französischer Wissenschaftler nähern sich dieser "konfliktreichen Beziehung" aus vielseitigen Perspektiven. Bei unterschiedlich qualitativem Ertrag ermöglichen die Arbeiten insgesamt lohnende Einblicke in das Thema und wertvolle neue Quellenkenntnisse. Auf ihrer Grundlage folgert Pehnt, dass die französische Rezeption des Bauhauses stärker war als bisher angenommen, gleichwohl aber diese "deutsche Muster- und Vorzeige-Institution" (Pehnt) noch nicht sein heutiges Renommee besaß. Hier findet Pehnt nun zu seinem Thema: Auch dieser nützliche Band trage, wenngleich ungewollt, "zur Zementierung der Bauhaus-Legende" bei. Bedeutende zeitgenössische Architekten werden, klagt Pehnt, ungerechtfertigt dem Bauhaus zugeordnet, der stilistischen Vielfalt des "Neuen Bauens" unzureichend Rechnung getragen. So hält Pehnt mal allmählich eine Studie zur Entstehung des "Schöpfermythos" Bauhaus für angebracht.

© Perlentaucher Medien GmbH