J’accuse! Eine Anklage gegen die geschichtsvergessene Berliner „Kultur“politik
Bereits 2012 erschien vom selben Autor eine Monografie zur Innenausstattung des Berliner Schlosses, die damals das Ziel hatte, den Entscheidungsprozess über die Ausgestaltung des Humboldt-Forums beratend zu
unterstützen. Zu einem Zeitpunkt, als die Bauarbeiten am Forum nicht einmal begonnen hatten, wäre es ein…mehrJ’accuse! Eine Anklage gegen die geschichtsvergessene Berliner „Kultur“politik
Bereits 2012 erschien vom selben Autor eine Monografie zur Innenausstattung des Berliner Schlosses, die damals das Ziel hatte, den Entscheidungsprozess über die Ausgestaltung des Humboldt-Forums beratend zu unterstützen. Zu einem Zeitpunkt, als die Bauarbeiten am Forum nicht einmal begonnen hatten, wäre es ein Leichtes gewesen, die geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erkenntnisse mit einfließen zu lassen und das Berliner Schloss nicht nur als architektonisches Zentrum Berlins anzuerkennen, sondern auch seinen geschichtlichen Stellenwert zu betonen. Heute findet man nur einige wenige Versatzstücke aus der alten Ausstattung lieblos und ohne Kontext präsentiert und laute aktivistische Stimmen fordern immer häufiger, sämtliche Bezüge auf Preußen, das Christentum und westliche Kultur nachträglich zu entfernen. Dieser woke Totalitarismus bekämpft aggressiv und kompromisslos unsere kulturellen und geschichtlichen Wurzeln und belegt sie mit einer condamnatio memoriae, auch gegen den erklärten Willen der Mehrheit.
Die Wiederauflage des Buches durchzieht nicht nur die Kritik an den im Planungsverfahren vergebenen Chancen, sondern es ist in Umfang und Eindringtiefe noch einmal deutlich erweitert worden. Zahlreiche weitere Objekte konnten identifiziert werden, weitere Bilddokumente ergänzen den visuellen Eindruck mittlerweile so detailliert, dass man anhand des Buches tatsächlich einen Rundgang durch alle wichtigen Räume, insbesondere der Privatgemächer absolvieren kann. Der Autor zeichnet mit großer historischer Präzision die unterschiedlichen Nutzungsphasen nach, die spätestens ab dem Ende des 19. Jahrhunderts sehr gut belegt sind. Aus nahezu jeder Stilepoche seit dem 16. Jahrhundert waren bis zum Ende des Weltkriegs originale Raumensembles erhalten und wenn auch die mobile Einrichtung wechselte, so war die wandgebundene Dekoration oft noch unverändert. Guido Hinterkeuser thematisiert das Thema „Originalität“ sehr qualifiziert, indem er bewusst macht, dass es so etwas wie eine „originale Einrichtung“ nie gegeben hat. Der letzte Bewohner des Schlosses, Wilhelm II., hatte beispielsweise einen fast schon kleinbürgerlichen Geschmack, der sich auch in seinen mit Andenken und Nippes vollgestellten Wohnräumen widerspiegelt und den man in seinem letzten Domizil im holländischen Doorn auch heute noch sehen kann. Das nach der Revolution von 1918 eingerichtete Schlossmuseum bemühte sich über 35 Jahre lang, das Nutzungskonzept unter stilhistorischen Gesichtspunkten mit Leben zu füllen und testete in dieser Zeit unterschiedliche Varianten aus. Guido Hinterkeuser fordert zu keinem Zeitpunkt, dass eines dieser früheren Konzepte zur Grundlage einer Präsentation im heutigen Humboldt Forum werden müsse, aber es wäre historisch sehr wünschenswert, wenn einige wenige Räume rekonstruiert und illustrativ mit Originalstücken als dem alten Bestand möbliert würden, um das Schloss als Wohnresidenz und Machtzentrum wieder erlebbar werden zu lassen. Die Finanzierung wäre im übrigen nie das Problem gewesen, es waren und sind dagegen politische „Überlegungen“, die Geschichte durch Totschweigen umzuschreiben, wie man es aus totalitären Regimen kennt.
Der Band ist ein Mahnmal. Ein Mahnmal für das, was untergegangen ist, aber auch ein Mahnmal, was nun erneut unterzugehen droht. Wenn wir die historische Realität zukünftig nur noch in Fachpublikationen in Eigeninitiative recherchieren, aber nicht mehr aus eigener Anschauung in Museen erleben können, dann werden die Wurzeln unserer Kultur durchtrennt. Der woke Aktivismus schießt in seiner kompromisslosen Intoleranz, Geschichts- und Kulturvergessenheit völlig über das Ziel hinaus. Bücher wie „Das Berliner Schloss“ sind über ihren informativen Gehalt wichtige Wissensspeicher für die Zeit nach der Hysterie und vielleicht erfüllt sich dann auch Guido Hinterkeusers Wunsch, das Schloss nicht nur als teilrekonstruierte Fassade wiedererstehen zu lassen, sondern auch im Inneren in ausgewählten Bereichen einen authentischen Blick in die Vergangenheit zu erlauben. Das Originalmaterial steht in großer Auswahl zur Verfügung, man muss nur gewillt sein, es auch auszustellen.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)