Pablo José Miralles, genannt Balu, ist hauptberuflich Sohn betuchter Eltern aus bester katalanischer Hochbourgeoisie, fett, faul, politisch unkorrekt. Als allerdings sein älterer, in jeder Beziehung erfolgreicher Bruder eines Tages spurlos verschwindet, macht sich Pablo auf die Suche nach ihm. Der sonst so träge Kerl gerät bei seinen Nachforschungen auf eine immer wahnwitziger werdende Reise durch die Straßenschluchten Barcelonas. Eine absurde, groteske, humorvolle Geschichte voller abgefahrener Erlebnisse.
"Rasanter Detektivroman mit Kultstatus." - Der Bund
"Sein Spitzname ist Balu, so wie der Bär aus dem Dschungelbuch,ein harmloser Alkoholiker in den Dreißigern, ein Nichtsnutz, sexuell besessen und ansonsten Sohn von Papa. Er nimmt uns mit auf eine Reise durch die Nacht in Barcelona." - Frédéric Beigbeder
"Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Ein sehr vergnüglicher Roman, der frech und flott erzählt ist." - Elke Heidenreich.
"Sein Spitzname ist Balu, so wie der Bär aus dem Dschungelbuch,ein harmloser Alkoholiker in den Dreißigern, ein Nichtsnutz, sexuell besessen und ansonsten Sohn von Papa. Er nimmt uns mit auf eine Reise durch die Nacht in Barcelona." - Frédéric Beigbeder
"Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Ein sehr vergnüglicher Roman, der frech und flott erzählt ist." - Elke Heidenreich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2003Die Poetik des Limbos
Fettes Brot mit Wassergurke: Pablo Tussets Schelmenroman
Schelmenromane sind Selbstläufer, zumal in Spanien: Schon das Urbild aller Pikaros, "Lazarillo de Tormes", erstürmte 1554 die Bestsellerlisten der Frühen Neuzeit. Nicht viel anders Mateo Alemáns "Guzmán de Alfarache", Grimmelshausens "Simplizissimus" und ihre Nachfolger im Namen des desengaño, der schelmischen Enttäuschung: Das Geheimnis des Erfolges liegt nicht zuletzt in ihrer unbändigen terroristisch-grobianischen Energie, die alles Mächtige erzittern läßt - bis in ihre auf die Moderne vorausweisende Poetik hinein.
Eine fiktive Autobiographie aus der Schelmenperspektive und ein spanischer Bestseller ist auch Pablo Tussets Erstlingsroman "Das Beste was einem Croissant passieren kann", der jetzt in der hervorragenden Übersetzung von Susanna Mende erschienen ist. Auch daß die kaum so zu nennende Handlung eine Krimi-Persiflage ist - die Entführung des reichen, athletischen und fleißigen Bruders der ebenfalls reichen, aber fetten und faulen Hauptfigur Pablo Miralles durch die barcelonesische Freimaurer-Mafia, welcher der Held mit der ihm eigenen Gemütlichkeit allmählich auf die Schliche kommt -, auch das widerspricht noch nicht dem Genre des Pikaresken.
Allerdings findet sich in Tussets Blätterteig nicht ein Krümel von Partisanen-Geist; Politik scheint nirgends ferner als in der oberflächlichen Welt des Pablo Miralles, der durchweg einem ausgewachsenen Epikureismus frönt. Dabei aber wird die hedonistisch-orgiastische Grundverfassung des Helden erstaunlicherweise asketisch veredelt: Arthur Schopenhauers idealer Märtyrer scheint durch, der in der Mortifikation des Willens bis zum Äußersten geht. Kein Picaro also, eher ein Mittelding zwischen dem mürrischen Onan und einem gutgelaunten Teletubby, nimmt uns der Ich-Erzähler mit auf eine Reise ans Ende des Genres. Keineswegs gerissen oder gar heimtückisch schlägt sich der aus seiner Höhle gelockte Einsiedler durchs Leben, sondern mit der Muße des Entsagenden: Die zur konstanten Anästhetisierung benötigte Grundmenge an Rauschmitteln vorausgesetzt, braucht er nichts weiter und möchte bei der sorgfältigen Erfüllung körperlicher Grundbedürfnisse von der Erzählung durchaus nicht gestört werden.
Etwa so, wie eine Gurke zum größten Teil aus Wasser besteht, geschieht im Roman meistenteils nichts - das aber mit einer sympathischen Lakonik. Der behäbige Held braucht nun über dreihundert Seiten, um zu merken, daß er gar nicht jagt, sondern gejagt wird: Bis dahin hat sich der Leser jedoch an das Unprätentiöse der lebensechten Romangeschwindigkeit, an seine Live-Cam-Mimesis gewöhnt. Man weiß beispielsweise, daß es unmöglich ist, den Park an der Calle Ordina zu passieren, ohne nach Dealer Nico zu suchen, der freilich fast nie anzutreffen ist. Rhetorisch gesehen, ist das Buch eine einzige Amplifikation, eine improvisierte Ausweitung der Rede durch Digressionen und blühende Arabesken, in denen der Alltag aufgeht wie ein Hefeteig. Kaum findet beispielsweise ein Dialog - gestelzt genug - als protokollierter Internet-Chat statt, taucht ein völlig sinnfreier Störer auf, dessen ins Leere laufende Fragen geduldig beantwortet werden. Was zu beweisen wäre: Man kann nicht nicht belletrisieren.
Auch sonst entzieht sich der Roman jeder literaturwissenschaftlichen Kategorie. Motive motivieren nichts. Kein Spannungsbogen wird lange aufrechterhalten, gleich der erste Satz verrät, was das Beste für ein Croissant ist, und das ist so unspektakulär wie nur denkbar. Selbst Geld, üblicherweise der Motor des Picaros, gibt es im Überfluß, die einzig nötige Verrichtung ist das Einschieben der brüderlichen Kreditkarte, die kein einziges Mal versagt. Bei solcher Ausstattung bleibt dem Helden genug Zeit für Nebenbeschäftigungen, aber auch die schürfen nicht eben tief: Weder die penibel notierten Träume, in denen alles zermalmende Großmütter durch Barcelona walzen, noch Pablos philosophische Mätzchen - so beispielsweise eine Theorie der erfundenen Wirklichkeiten - öffnen ein Türchen zu einer wie auch immer gearteten Tiefendimension.
Tussets Roman ist ein Cocktail aus "Wilhelm Meister", "Matrix" und "Southpark", der eine vergleichbare Wirkung entfaltet wie Pablos geliebter "Vichoff" aus Wodka, Zitrone und Mineralwasser: Er benebelt angenehm. Die Poetik ist die des Limbos: das tänzelnde Unterlaufen jeder Meßlatte. Gerade in der Nichterfüllung des Schelmen-Paradigmas erweist sich Tussets Roman jedoch tatsächlich als schelmisch. Weder Felix Krull noch Oskar Matzerath, sondern Pablo Miralles macht das letzte Refugium des Narren mitten in der Normalität ausfindig: das dolce far niente. Wer dabei überlistet wird, ist in erster Linie die Erwartungshaltung des Lesers. Durch diese Ausweitung des Antiheldischen auf die narratologische Struktur schleppt Tusset seinen Kahn also doch noch ins Fahrwasser des desengaño. Nimmt man der Roman-Welt den Willen zur Vorstellung, bleibt eben nur die Vorstellung des Willens.
So ist Mißtrauen gegenüber dem ersten Satz des Romans angebracht: daß es einem Croissant wirklich so gut tut, dick mit Butter bestrichen zu werden. Hermeneuten jedenfalls werden davon nicht satt. Wie fett es aber auch macht, Tussets Narrenstück ist prächtig amüsant.
OLIVER JUNGEN
Pablo Tusset: "Das Beste was einem Croissant passieren kann". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanna Mende. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2003. 384 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fettes Brot mit Wassergurke: Pablo Tussets Schelmenroman
Schelmenromane sind Selbstläufer, zumal in Spanien: Schon das Urbild aller Pikaros, "Lazarillo de Tormes", erstürmte 1554 die Bestsellerlisten der Frühen Neuzeit. Nicht viel anders Mateo Alemáns "Guzmán de Alfarache", Grimmelshausens "Simplizissimus" und ihre Nachfolger im Namen des desengaño, der schelmischen Enttäuschung: Das Geheimnis des Erfolges liegt nicht zuletzt in ihrer unbändigen terroristisch-grobianischen Energie, die alles Mächtige erzittern läßt - bis in ihre auf die Moderne vorausweisende Poetik hinein.
Eine fiktive Autobiographie aus der Schelmenperspektive und ein spanischer Bestseller ist auch Pablo Tussets Erstlingsroman "Das Beste was einem Croissant passieren kann", der jetzt in der hervorragenden Übersetzung von Susanna Mende erschienen ist. Auch daß die kaum so zu nennende Handlung eine Krimi-Persiflage ist - die Entführung des reichen, athletischen und fleißigen Bruders der ebenfalls reichen, aber fetten und faulen Hauptfigur Pablo Miralles durch die barcelonesische Freimaurer-Mafia, welcher der Held mit der ihm eigenen Gemütlichkeit allmählich auf die Schliche kommt -, auch das widerspricht noch nicht dem Genre des Pikaresken.
Allerdings findet sich in Tussets Blätterteig nicht ein Krümel von Partisanen-Geist; Politik scheint nirgends ferner als in der oberflächlichen Welt des Pablo Miralles, der durchweg einem ausgewachsenen Epikureismus frönt. Dabei aber wird die hedonistisch-orgiastische Grundverfassung des Helden erstaunlicherweise asketisch veredelt: Arthur Schopenhauers idealer Märtyrer scheint durch, der in der Mortifikation des Willens bis zum Äußersten geht. Kein Picaro also, eher ein Mittelding zwischen dem mürrischen Onan und einem gutgelaunten Teletubby, nimmt uns der Ich-Erzähler mit auf eine Reise ans Ende des Genres. Keineswegs gerissen oder gar heimtückisch schlägt sich der aus seiner Höhle gelockte Einsiedler durchs Leben, sondern mit der Muße des Entsagenden: Die zur konstanten Anästhetisierung benötigte Grundmenge an Rauschmitteln vorausgesetzt, braucht er nichts weiter und möchte bei der sorgfältigen Erfüllung körperlicher Grundbedürfnisse von der Erzählung durchaus nicht gestört werden.
Etwa so, wie eine Gurke zum größten Teil aus Wasser besteht, geschieht im Roman meistenteils nichts - das aber mit einer sympathischen Lakonik. Der behäbige Held braucht nun über dreihundert Seiten, um zu merken, daß er gar nicht jagt, sondern gejagt wird: Bis dahin hat sich der Leser jedoch an das Unprätentiöse der lebensechten Romangeschwindigkeit, an seine Live-Cam-Mimesis gewöhnt. Man weiß beispielsweise, daß es unmöglich ist, den Park an der Calle Ordina zu passieren, ohne nach Dealer Nico zu suchen, der freilich fast nie anzutreffen ist. Rhetorisch gesehen, ist das Buch eine einzige Amplifikation, eine improvisierte Ausweitung der Rede durch Digressionen und blühende Arabesken, in denen der Alltag aufgeht wie ein Hefeteig. Kaum findet beispielsweise ein Dialog - gestelzt genug - als protokollierter Internet-Chat statt, taucht ein völlig sinnfreier Störer auf, dessen ins Leere laufende Fragen geduldig beantwortet werden. Was zu beweisen wäre: Man kann nicht nicht belletrisieren.
Auch sonst entzieht sich der Roman jeder literaturwissenschaftlichen Kategorie. Motive motivieren nichts. Kein Spannungsbogen wird lange aufrechterhalten, gleich der erste Satz verrät, was das Beste für ein Croissant ist, und das ist so unspektakulär wie nur denkbar. Selbst Geld, üblicherweise der Motor des Picaros, gibt es im Überfluß, die einzig nötige Verrichtung ist das Einschieben der brüderlichen Kreditkarte, die kein einziges Mal versagt. Bei solcher Ausstattung bleibt dem Helden genug Zeit für Nebenbeschäftigungen, aber auch die schürfen nicht eben tief: Weder die penibel notierten Träume, in denen alles zermalmende Großmütter durch Barcelona walzen, noch Pablos philosophische Mätzchen - so beispielsweise eine Theorie der erfundenen Wirklichkeiten - öffnen ein Türchen zu einer wie auch immer gearteten Tiefendimension.
Tussets Roman ist ein Cocktail aus "Wilhelm Meister", "Matrix" und "Southpark", der eine vergleichbare Wirkung entfaltet wie Pablos geliebter "Vichoff" aus Wodka, Zitrone und Mineralwasser: Er benebelt angenehm. Die Poetik ist die des Limbos: das tänzelnde Unterlaufen jeder Meßlatte. Gerade in der Nichterfüllung des Schelmen-Paradigmas erweist sich Tussets Roman jedoch tatsächlich als schelmisch. Weder Felix Krull noch Oskar Matzerath, sondern Pablo Miralles macht das letzte Refugium des Narren mitten in der Normalität ausfindig: das dolce far niente. Wer dabei überlistet wird, ist in erster Linie die Erwartungshaltung des Lesers. Durch diese Ausweitung des Antiheldischen auf die narratologische Struktur schleppt Tusset seinen Kahn also doch noch ins Fahrwasser des desengaño. Nimmt man der Roman-Welt den Willen zur Vorstellung, bleibt eben nur die Vorstellung des Willens.
So ist Mißtrauen gegenüber dem ersten Satz des Romans angebracht: daß es einem Croissant wirklich so gut tut, dick mit Butter bestrichen zu werden. Hermeneuten jedenfalls werden davon nicht satt. Wie fett es aber auch macht, Tussets Narrenstück ist prächtig amüsant.
OLIVER JUNGEN
Pablo Tusset: "Das Beste was einem Croissant passieren kann". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanna Mende. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2003. 384 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der interessanteste und unterhaltsamste Roman, den ich seit langem gelesen habe. Tusset hat einen von Wissen, Kultur und der Sehnsucht nach einer verloren gegangenen Moral geschärften Blick." (Manuel Vázquez Montalbán)
"Rasanter Detektivroman mit Kultstatus." (Der Bund)
"Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Ein sehr vergnüglicher Roman, der frech und flott erzählt ist." (Elke Heidenreich)
"Rasanter Detektivroman mit Kultstatus." (Der Bund)
"Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Ein sehr vergnüglicher Roman, der frech und flott erzählt ist." (Elke Heidenreich)