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Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter der Biotechnologie sein. Diese Prognose steht im Mittelpunkt des Buches von Jeremy Rifkin, der in seiner provokanten Analyse die ökonomischen und sozialen Konsequenzen der genetischen Revolution untersucht. Diese Revolution wird schon in wenigen Jahrzehnten jeden Aspekt unseres Lebens berühren - was wir essen, wen wir heiraten, wie wir unsere Kinder bekommen, wie wir arbeiten, wie wir unsere Gesellschaft organisieren und wie wir die Welt um uns herum und uns selbst betrachten. Dieses Buch versetzt jeden in die Lage, diese Menschheitsfrage zu diskutieren.…mehr

Produktbeschreibung
Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter der Biotechnologie sein. Diese Prognose steht im Mittelpunkt des Buches von Jeremy Rifkin, der in seiner provokanten Analyse die ökonomischen und sozialen Konsequenzen der genetischen Revolution untersucht. Diese Revolution wird schon in wenigen Jahrzehnten jeden Aspekt unseres Lebens berühren - was wir essen, wen wir heiraten, wie wir unsere Kinder bekommen, wie wir arbeiten, wie wir unsere Gesellschaft organisieren und wie wir die Welt um uns herum und uns selbst betrachten. Dieses Buch versetzt jeden in die Lage, diese Menschheitsfrage zu diskutieren. Und wie bei der Nuklearenergie werden letztlich die Menschen entscheiden, nicht Wissenschaftler oder Unternehmer. Und Rifkin bietet Informationen, die jeden befähigen, jetzt mitzudenken, mitzureden und mitzuentscheiden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.1999

O Verzweiflung, o dräuend Ungemach
Die aktuelle Melodie ist nur Echo von altem Liedgut: Der Technologiekritiker Jeremy Rifkin muß etwas phantasievoller jammern, wenn er weiter Gehör finden will

Mit dem Slogan "Wir lassen uns nicht klonen!" störten Demonstranten zwanzig Jahre vor Erzeugung des Klonschafs Dolly einen Kongreß über Gentechnologie. Zu den Protestlern gehörte auch Jeremy Rifkin, der heute in den Vereinigten Staaten als Kritiker der neuen Technologie berühmt und berüchtigt ist. Kann der laut "Time" "meistgehaßte Mann der Wissenschaft" nun, nach über zwei Jahrzehnten, mehr als einen alten Schlachtruf bieten?

Tatsächlich will Rifkin mit dem vorliegenden Buch etwas Neues liefern: eine nüchterne, präzise Gesamtanalyse der biotechnischen Ära, die auf das Industriezeitalter folgt. Denn nicht ein einzelner Wirtschaftssektor, so Rifkin, ist im Begriff, sich zu verändern, sondern Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt werden durch "einen revolutionären Ansatz zur Organisation des Planeten" umstrukturiert. Und um seine These vom Anbruch einer neuen Wirtschaftsepoche zu belegen, entwirft Rifkin eine "Operationsmatrix des biotechnologischen Zeitalters". Das zeugt von Mut zum Blick aufs Ganze, wie er dem Präsidenten der "Foundation on Economic Trends", einer in Washington ansässigen Stiftung, gut zu Gesicht steht.

Die Matrix umfaßt vier Eckpunkte: den technologischen Zugriff auf den irdischen Genpool, einschließlich des menschlichen; wirtschaftliche Rentabilität für weltweit operierende Firmen durch Patentierung; Verschmelzung von Informatik und Genetik; kulturelle Legitimation durch eine "neue" Biologie. Daß diese vier Elemente zur bedeutungsschweren Siebenzahl vervielfältigt werden, erweitert das Buch um drei Kapitel und zahlreiche unmotivierte Wiederholungen. Dabei verfügt Rifkin über genügend Material an Daten und Zitaten, um aus amerikanischer Sicht einen perspektivenreichen Blick auf das biotechnische Zeitalter zu eröffnen. Mit Büchern wie "Das Ende der Arbeit" - in Frankreich ausgiebig diskutiert - hat er bewiesen, daß sein Interesse weil über die Gentechnologie hinausreicht. Um so erstaunlicher, daß die Veränderung der Arbeitswelt nun in der "Rahmenstruktur für eine neue Wirtschaftsepoche" gar keine Rolle mehr spielt. Es ist nicht das einzige Versäumnis dieses Bandes, der zwischen Gen- und Biotechnologie gar nicht erst unterscheidet.

Überzeugend ist der unvoreingenommene Abschnitt über Eugenik. Rifkin verweist auf die frühe Verbreitung eugenischen Gedankenguts zu Beginn des Jahrhunderts. Linke wie rechte Kreise waren infiziert von der Idee einer Verbesserung der Gesellschaft von ihrer genetischen Wurzel her, und was Rifkin an einschlägigen Zitaten amerikanischer Denker und Lenker zusammenträgt, ließe sich ähnlich für die deutschsprachige Geisteswelt belegen. Damit wird die Eugenik in keiner Weise gerechtfertigt, aber zumindest von dem Ruch befreit, nichts als ein Werkzeug des Bösen zu sein. Diese Einsicht hat Rifkin manch vorgeblich geschichtsbewußtem Zeitgenossen voraus. "Ansporn der neuen Eugenik sind die Kräfte des Marktes und die Wünsche der Verbraucher", und die lassen sich nicht so leicht desavouieren wie eine menschenverachtende Ideologie.

Erfreulich ist auch, daß Fragen der Biopatentierung ausführlich geschildert werden, denn erst der Rechtsschutz zur Verwertung der Ergebnisse macht die biotechnologische Forschung zu einem weltweit ertragreichen Geschäft. Trotz Unterschieden zwischen europäischem und amerikanischem Recht sind die grundsätzlichen Streitfragen identisch. Sie auf die Frage "Darf man Leben patentieren?" zu reduzieren, wäre unzulässig. Rifkin versucht, die Vielfalt der Probleme durch Beispiele und Präzedenzfälle anschaulich zu machen. Unter anderem stehen sich wieder einmal Industrie- und Entwicklungsländer gegenüber. Letztere besitzen zwar den "Rohstoff" Natur meist in verschwenderischer Fülle, aber nur die Wissenschaftsnationen sind vorerst in der Lage, diesen Genpool nutzbar zu machen. Bei wem liegen die Verwertungsrechte? Rifkin stellt eine reizvolle Parallele her: So wie mittelalterliche Theologen einst das Zinsverbot damit begründeten, daß die Zeit Gott gehöre und somit an ihr nicht verdient werden dürfe, so werde nun gegen die Kommerzialisierung des göttlichen Schöpfungsreichtums argumentiert.

Historische Analogien gehören zum unverwechselbaren Ton von Rifkins Büchern. Die Melodien des Tages sind bei ihm nur das Echo von altem menschheitlichen Liedgut; gerne grundiert er schrille Protestsongs mit schweren Baßakkorden. Trotz mancher Verkürzung und Verstiegenheit erwächst Rifkins als "anti-intellektuell" gescholtenen Werken aus diesem Stil zuweilen eine suggestive Kraft, die sie über das Einerlei wissenschaftskritischer Pamphlete hinaushebt. Das als "Genesis zwei" ins Deutsche übertragene "Algeny" wurde durch die abschließende lakonische Feststellung "Der Kosmos klagt" fast zum eschatologischen Lamento.

Von solch mahnendem Ernst ist in Rifkins fünfzehntem Buch, das Titel und Umfang nach ein Hauptwerk sein will, nicht viel zu spüren. Als folgte er widerwillig dem Zuruf "Spiel's noch einmal, Sam", präsentiert er ein unstrukturiertes, uninspiriertes Medley alter Melodien. Der Grundgedanke von "Algeny" taucht wieder auf, daß die biotechnische Schöpfungskunst vom uralten Streben nach Vervollkommnung der Materie getrieben sei: Algenie (den Begriff prägte der Nobelpreisträger Joshua Lederberg) als Alchemie mit anderen Mitteln. Doch was vor fünfzehn Jahren noch als Leitmotiv taugte, verkommt nun zum flotten Einfall. "Nie zuvor in ihrer Geschichte ist die Menschheit derart unvorbereitet gewesen auf die neuen technologischen und ökonomischen Möglichkeiten." Erratisch stehen solche unbewiesenen Behauptungen im Text, der anstelle des erhofften big picture reichlich small talk enthält.

An warnenden Worten fehlt es auch diesmal nicht, aber sie fügen sich stets zum gleichen Refrain aus "unvorstellbaren", "unabsehbaren" und "ungeheuren" Entwicklungen, Folgen und Risiken, die allzu oft abstrakt bleiben. Obwohl sich Rifkin gerne eines wissenschaftlichen Jargons bedient (und dabei öfter durch die Fülle der Fachbegriffe als durch deren präzise Verwendung beeindruckt), verzichtet er darauf, die potentiellen Übertragungsmechanismen bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen darzustellen. Lieber zieht er über das Genehmigungsverfahren für den ersten Freilandversuch in den Vereinigten Staaten her und versäumt wie an anderen Stellen des Buches nicht, auf den Einsatz seiner Stiftung hinzuweisen.

Und? Was ist mit den ice-minus-Bakterien passiert? Jahre sind vergangen, doch von mutierten Monstern ist nichts zu sehen. Das ist Rifkin keine Silbe wert. Eine peinliche Verdrängungsleistung, die aber einen Hinweis darauf liefert, warum dieses Buch trotz mancher aufmerksamen Beobachtung gründlich mißlungen ist: Rifkin mag von der Pose des Propheten nicht lassen und ist doch selbst zutiefst im Zweifel. Seine Rede ist nicht mehr "ja, ja; nein, nein", sondern "vermutlich", "womöglich", "vielleicht", "wahrscheinlich". Der Zwiespalt zwischen fundamentaler Scheu vor der technischen Verfügungsmacht und abgeklärter Risikoabwägung im Einzelfall durchzieht das ganze Buch.

Nun ist es keine Schande, angesichts verlockender Chancen und drohender Risiken kein einseitiges Urteil fällen zu wollen. Doch wer Antworten nicht geben will, sollte zumindest Wege weisen, wie zu einem verantwortungsbewußten Umgang mit neuen Optionen gefunden werden kann. Den Autor interessieren zerfallende Weltbilder und Wertbindungen ebensowenig wie die Frage, welche Institutionen global agierenden Firmengruppen Grenzen setzen könnten. Rifkin setzt das Ende der Politik stillschweigend voraus und begnügt sich mit dem Appell, jeder einzelne müsse nun "über die Frage nach Sinn und Zweck der eigenen Existenz" nachdenken. Ein zeitlos schöner Schlager aus dem existentialistischen Repertoire, und zugleich der Abgesang einer vor Jahren noch wichtigen Stimme im Chor der Fortschrittskritiker. ACHIM BAHNEN

Jeremy Rifkin: "Das Biotechnische Zeitalter". Die Geschäfte mit der Genetik. Aus dem Amerikanischen von Susanne Kuhlmann-Krieg. C. Bertelsmann Verlag, München 1998. 383 S., geb., 44,90 DM.

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