Als der Protestant Johann Balthasar Michel zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach München kommt, blickt er voller Zuversicht in die Zukunft: Mit einer Weinwirtschaft will er sich in der Stadt einen Namen machen. Doch seine Pläne werden jäh durchkreuzt, als ihm der Magistrat der streng katholischen Stadt das Bürgerrecht verweigert.Michel ist sich dennoch sicher: Er will bleiben und kämpfen, hat er sich doch in die katholische Wirtstochter Katharina verliebt. Einen Unterstützer findet er in Kurfürst Max IV. Joseph, der plant, alle Protestanten in Bayern per Gesetz besserzustellen.Ein heftiger Streit entbrennt, der die religiösen Grundfesten der kurfürstlichen Residenzstadt erschüttert. Als Michel und Katharina beschließen zu heiraten, verschärft sich der Konflikt weiter: Denn Ehen zwischen Katholiken und Protestanten sind verboten. Das Paar muss sich gegen Widersacher behaupten, denen jedes Mittel recht ist, um Michel aus dem Weg zu räumen - sogar Gift ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2024Der Kurfürst und der Weinwirt
Bhavya Heubischs historischer Roman „Das bittere Gift der Zwietracht“ schildert
den Religionskampf in München und welche Rolle das Schankrecht darin spielte.
München – Einen einflussreichen Gönner zu haben, kann nie schaden. Das ist Jonathan Balthasar Michel schon klar, als er nach München zieht, um sich hier als Weinwirt niederzulassen. Doch eigentlich hatte er gehofft, sein Schankrecht auch ohne Beziehungen zu erhalten. Ein Irrtum, wie sich schnell herausstellt.
Die Stadt wartet gerade auf den neuen Kurfürsten. Graf Max Joseph von Zweibrücken-Birkenfeld wird im März 1799 voller Begeisterung empfangen. Noch ahnt niemand, dass er wenige Jahre später der erste bayerische König sein wird. Auch Michel nicht, der den Kurfürsten bereits aus Mannheim kennt, als ihn dieser, damals noch einfacher Herzog, gelegentlich auf seinem Gestüt besuchte.
Billig ist es nicht, eine Zulassung als Weinwirt zu erhalten. Doch an Geld mangelt es dem Mannheimer nicht, nur am richtigen Glauben. Der Mann ist Protestant, ein „Falschgläubiger“, wie es im erzkatholischen München heißt. Und so einer darf in der Stadt keine Wirtschaft eröffnen.
Bhavya Heubisch, die im Alltag als Dolmetscherin und Übersetzerin arbeitet, hat ein Faible für die historischen Persönlichkeiten Bayerns. In ihrem ersten Roman „Das süße Gift des Geldes“ spürte die gebürtige Münchnerin dem Leben von Adele Spitzeder nach, jener ehemaligen Schauspielerin, die 1872 mit ihrer eigenen Bank betrügerischen Bankrott machte und mehr als 30 000 Gläubiger um ihre Ersparnisse brachte. Ihr zweites Buch „Das bittere Gift der Zwietracht“ spielt mehr als 70 Jahre früher in einer Zeit des Umbruchs.
Unterstützt von seinem klugen Minister Graf Maximilian Montgelas ist der Kurfürst fest entschlossen, politische Reformen durchsetzen. Er plant nicht nur Bayerns Verwaltung und Politik zu modernisieren, sondern auch die Religionen gleichzustellen. Letzteres zum einen, weil er mit einer Protestantin verheiratet ist: Karoline Wilhelmine von Baden, die sich im Ehevertrag hatte zusichern lassen, ihren Glauben nicht wechseln zu müssen. Zum anderen gibt es unter den Protestanten zahlreiche Geschäftsleute, die nicht nur über Geld, sondern auch über das für den Aufbau eines modernen Bayerns notwendige Wissen verfügen. Logisch, dass der Kurfürst auf massiven Widerstand stößt. Schließlich zwingt er den Münchner Magistrat, den Weinhändler 1801 als ersten Protestanten in München einzubürgern.
Soweit die historischen Tatsachen. Doch bis es so weit ist, Michel seine Wirtschaft in der Rosengasse eröffnen und eine katholische Wirtstochter heiraten darf, nutzt Heubisch die Gelegenheit, die Fakten mit viel Fantasie auszuschmücken und dank vieler fiktiver Figuren ein fein ziseliertes Gesellschaftsbild entstehen zu lassen. Amüsant die Mitglieder des Magistrats, die immer neue Einwände und Vorbehalte gegen Michel finden und die Geduld des Kurfürsten arg strapazieren. Manche seiner Widersacher schrecken vor keiner Intrige zurück, setzen auch ungeniert Gift ein. Und auch der Franziskanermönch Athanasius, als Mitglied eines Bettelordens von Montgelas’ Klosterauflösung massiv bedroht, braucht lange, bis er einsieht, dass nicht jeder Andersgläubige ein Vertreter des Teufels ist.
SABINE REITHMAIER
Bhavya Heubisch: Das bittere Gift der Zwietracht. Volk-Verlag, Preis: 20 Euro
Dank vieler fiktiver Figuren
entsteht ein fein ziseliertes
Gesellschaftsbild
Bhavya Heubisch arbeitet als Dolmetscherin und Übersetzerin. Als Schriftstellerin hat sie ein Faible für die historischen Persönlichkeiten Bayerns.
Foto: Thomas Endl
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Bhavya Heubischs historischer Roman „Das bittere Gift der Zwietracht“ schildert
den Religionskampf in München und welche Rolle das Schankrecht darin spielte.
München – Einen einflussreichen Gönner zu haben, kann nie schaden. Das ist Jonathan Balthasar Michel schon klar, als er nach München zieht, um sich hier als Weinwirt niederzulassen. Doch eigentlich hatte er gehofft, sein Schankrecht auch ohne Beziehungen zu erhalten. Ein Irrtum, wie sich schnell herausstellt.
Die Stadt wartet gerade auf den neuen Kurfürsten. Graf Max Joseph von Zweibrücken-Birkenfeld wird im März 1799 voller Begeisterung empfangen. Noch ahnt niemand, dass er wenige Jahre später der erste bayerische König sein wird. Auch Michel nicht, der den Kurfürsten bereits aus Mannheim kennt, als ihn dieser, damals noch einfacher Herzog, gelegentlich auf seinem Gestüt besuchte.
Billig ist es nicht, eine Zulassung als Weinwirt zu erhalten. Doch an Geld mangelt es dem Mannheimer nicht, nur am richtigen Glauben. Der Mann ist Protestant, ein „Falschgläubiger“, wie es im erzkatholischen München heißt. Und so einer darf in der Stadt keine Wirtschaft eröffnen.
Bhavya Heubisch, die im Alltag als Dolmetscherin und Übersetzerin arbeitet, hat ein Faible für die historischen Persönlichkeiten Bayerns. In ihrem ersten Roman „Das süße Gift des Geldes“ spürte die gebürtige Münchnerin dem Leben von Adele Spitzeder nach, jener ehemaligen Schauspielerin, die 1872 mit ihrer eigenen Bank betrügerischen Bankrott machte und mehr als 30 000 Gläubiger um ihre Ersparnisse brachte. Ihr zweites Buch „Das bittere Gift der Zwietracht“ spielt mehr als 70 Jahre früher in einer Zeit des Umbruchs.
Unterstützt von seinem klugen Minister Graf Maximilian Montgelas ist der Kurfürst fest entschlossen, politische Reformen durchsetzen. Er plant nicht nur Bayerns Verwaltung und Politik zu modernisieren, sondern auch die Religionen gleichzustellen. Letzteres zum einen, weil er mit einer Protestantin verheiratet ist: Karoline Wilhelmine von Baden, die sich im Ehevertrag hatte zusichern lassen, ihren Glauben nicht wechseln zu müssen. Zum anderen gibt es unter den Protestanten zahlreiche Geschäftsleute, die nicht nur über Geld, sondern auch über das für den Aufbau eines modernen Bayerns notwendige Wissen verfügen. Logisch, dass der Kurfürst auf massiven Widerstand stößt. Schließlich zwingt er den Münchner Magistrat, den Weinhändler 1801 als ersten Protestanten in München einzubürgern.
Soweit die historischen Tatsachen. Doch bis es so weit ist, Michel seine Wirtschaft in der Rosengasse eröffnen und eine katholische Wirtstochter heiraten darf, nutzt Heubisch die Gelegenheit, die Fakten mit viel Fantasie auszuschmücken und dank vieler fiktiver Figuren ein fein ziseliertes Gesellschaftsbild entstehen zu lassen. Amüsant die Mitglieder des Magistrats, die immer neue Einwände und Vorbehalte gegen Michel finden und die Geduld des Kurfürsten arg strapazieren. Manche seiner Widersacher schrecken vor keiner Intrige zurück, setzen auch ungeniert Gift ein. Und auch der Franziskanermönch Athanasius, als Mitglied eines Bettelordens von Montgelas’ Klosterauflösung massiv bedroht, braucht lange, bis er einsieht, dass nicht jeder Andersgläubige ein Vertreter des Teufels ist.
SABINE REITHMAIER
Bhavya Heubisch: Das bittere Gift der Zwietracht. Volk-Verlag, Preis: 20 Euro
Dank vieler fiktiver Figuren
entsteht ein fein ziseliertes
Gesellschaftsbild
Bhavya Heubisch arbeitet als Dolmetscherin und Übersetzerin. Als Schriftstellerin hat sie ein Faible für die historischen Persönlichkeiten Bayerns.
Foto: Thomas Endl
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