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Die "kleine Chronik " beginnt im Jahr 1940, als deutsche Truppen die Niederlande besetzten. Marga Minco erzählt in das Das bittere Kraut vom Schicksal ihrer jüdischen Familie - beschreibt aber auch die nicht-jüdische Umgebung. Schlimme Befürchtungen scheinen sich zunächst nicht zu erfüllen, und viele Juden wiegen sich trügerisch noch in ziemlicher Sicherheit. Dann aber folgt die Geschichte eines gewaltsamen Auseinandergerissenwerdens, vom Sterben - und vom Überleben. Was der Erzählerin bleibt, sind Erinnerungen wie an die gemeinsamen Seder-Abende, zum Gedächtnis des Auszugs aus Ägypten, und…mehr

Produktbeschreibung
Die "kleine Chronik " beginnt im Jahr 1940, als deutsche Truppen die Niederlande besetzten. Marga Minco erzählt in das Das bittere Kraut vom Schicksal ihrer jüdischen Familie - beschreibt aber auch die nicht-jüdische Umgebung. Schlimme Befürchtungen scheinen sich zunächst nicht zu erfüllen, und viele Juden wiegen sich trügerisch noch in ziemlicher Sicherheit. Dann aber folgt die Geschichte eines gewaltsamen Auseinandergerissenwerdens, vom Sterben - und vom Überleben. Was der Erzählerin bleibt, sind Erinnerungen wie an die gemeinsamen Seder-Abende, zum Gedächtnis des Auszugs aus Ägypten, und den Geschmack von ungesäuertem Brot und bitterem Kraut. Und das schmerzliche Eingeständnis des Verlusts: Nie wieder wird es so sein, wie es war.

Marga Mincos Das bittere Kraut, ihrer eigenen Familie "zum Gedächtnis", hatte und hat ein Echo - wie sonst nur Jacques Pressers Die Nacht der Girondisten. Es ruft das Schicksal der niederländischen Juden wach, die von Verfolgung, teils dem bangen Leben in Verstecken und mehrheitlich der Ermordung betroffen waren.

Marga Minco gilt als eine der bedeutendsten niederländischen Schriftstellerinnen Bücher von ihr wurden in 20 Sprachen übersetzt. Seit ihrem bahnbrechenden literarischen Debut Das bittere Kraut (1957) - ausgezeichnet mit dem Vijverbergpreis und mit einer Auflage von über eine Million - steht sie im Blickpunkt. Im Arco Verlag erscheinen 2020 drei Titel, welche die Zeit der deutschen Besatzung der Niederlande, die Verfolgung, den Widerstand und die Erfahrungen der Nachkriegszeit thematisieren: Das bittere Kraut (1957), Ein leeres Haus (1966) und Nachgelassene Tage (1996 978-3-96587-018-5, Herbst 2020).

"Das bittere Kraut ist der Grund, warum ihr Name in der niederländischen Literatur unverzichtbar geworden ist." J. Huisman, Algemeen Dagblad
Autorenporträt
Geboren am 31. März 1920 in Breda als Sara Menco, überlebte Marga Minco nur knapp, weil sie in Amsterdam vor der Gestapo flüchten und untertauchen konnte, während ihre Eltern, der Bruder und die Schwester von den Deutschen umgebracht wurden. 2019 wurde ihr für ihr Gesamtwerk der längst überfällige P.C.Hooft-Preis verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2020

Ein ausgeraubtes Haus wird wieder bewohnbar
Marga Mincos großartige Romane über ein jüdisches Überleben in den deutsch besetzten Niederlanden

Bostoner Augusthitze. Hirn auf Schmalspur. Im Garten alles verdorrt. In Chicago Glasscherben vor ausgeräumten Geschäften, im Rinnstein eine zertretene Gucci-Brille. Black Lives Matter. In den Krankenhäusern erschöpftes Personal. Von Florida bis Connecticut Corona-Partys. Trauerfeiern im Livestream. Du hast der Frau die Hand geschüttelt? Bist du von der Rolle? Möchten Sie über Marga Minco schreiben? Wer? Minco, Marga, niederländische Autorin, überlebte die Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg, weil sie untertauchte. Jetzt über diese Jahre nachdenken?

Mincos Romanen entströmt die Kälte der Judenfeindschaft und des Hungerwinters 1944/45, aber auch die Lebensenergie sehr junger Frauen und Männer, die als Juden oder Widerstandskämpfer untertauchten. Selten treten einem aus den Werken einer Autorin, die ihre Überlebensgeschichte verarbeitet, Figuren von solcher Intensität und Wirklichkeit entgegen, so dass man bedauert, so rasch die letzte Seite erreicht zu haben. Man verliebt sich sofort in die Erzählerin Sepha, in ihre Klugheit und Klarsicht. Man liebt sie, weil man weiß, dass sie es schaffen wird, ohne etwas zu beschönigen, uns Leser über die Abgründe zu tragen. Wir werden alles sehen, aber wir werden nicht leiden müssen, weil Sepha da ist, die weitererzählt.

Das ungemein positive Lesegefühl ist ein Resultat von Mincos Stil: intelligent, präzise, energiegeladen und von Marlene Müller-Haas erstklassig in ein elegantes und doch ganz junges Deutsch übertragen, als wären die Romane "Das bittere Kraut" und "Ein leeres Haus" erst jetzt entstanden.

Marga Minco wurde am 31. März 1920 als Sara Menco in Nordbrabant in eine orthodoxe jüdische Familie geboren. Schon 1938 begann sie, als Journalistin für eine Zeitung in Breda zu schreiben. Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Mai 1940 wurde Minco entlassen. Wegen einer Tuberkulose wurde sie in Utrecht und Amersfoort behandelt. Erst im Herbst 1942 fuhr sie nach Amsterdam, wo ihre Eltern inzwischen im "Jüdischen Viertel" wohnten. Deportationen nach Auschwitz und Sobibor begannen im Juli 1942. Als ihre Eltern abgeholt wurden, entwischte Minco und tauchte unter. Sie hieß nun Marga Faes. Ihre Familie - Eltern, Bruder, Schwester, deren Ehepartner, Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins - wurde ermordet.

Minco heiratete den zwei Jahr älteren Dichter Bert Voeten, den sie seit 1938 kannte und mit dem zusammen sie untergetaucht war. Während Voeten kontinuierlich publizierte (zwölf Bücher zwischen 1944 und 1956), veröffentlichte Minco erst 1957 ihr erstes Buch: "Das bittere Kraut". Es erzählt vom Unglaublichen: ",Glaubst du, dass sie mit uns das Gleiche machen wie . . .?' ,Hier könnte so etwas nie passieren!'" So antwortet der Vater der Tochter. Und dann passiert es: Sterne auf den Mänteln, die Abholung, die Blitzentscheidung der Tochter, durch den Garten abzuhauen, die Irrfahrten zu den Verstecken, der Mut so vieler Niederländer, die Niedertracht so vieler anderer. Der Titel bezieht sich auf die Bitterkräuter, die an Pessach im Gedenken an die Fron in Ägypten gegessen werden.

"Het bittere kruid" wurde ein Bestseller und Mincos Wegbereiter in die Literatur. Fast dreißig Bücher folgten, darunter 1966 auch "Ein leeres Haus," das chronologisch unmittelbar an "Das bittere Kraut" anschließt. Es ist literarisch komplexer gebaut und stilistisch noch sparsamer und schärfer geschnitten. Seine drei Kapitel tragen Daten: 28. Juni 1945, 25. März 1947 und 21. April 1950. Es geht also um das Leben "danach". Im Juni 1945 trampt Sepha mit ihrem Koffer von Friesland zurück nach Amsterdam. An der Landstraße auf das nächste Fahrzeug wartend, trifft sie Yona, deren Namen "Taube" bedeutet. Sie überlebte verborgen in einer engen Dachkammer. Yona und Sepha (vielleicht von Josepha, also "Träumerin", "Deuterin", "Erzählerin") stehen für zwei Formen des Überlebens: allein und mit einem Partner. In Amsterdam finden beide nur noch die leeren, geplünderten Häuser ihrer Familien. In Amsterdam wurden zehntausend jüdische Wohnungen komplett ausgeraubt. Im Hungerwinter wurden Türen, Vertäfelungen, Holzböden herausgerissen und verheizt.

Der materiellen Leere, mit der die Rückkehrer klarkommen müssen, steht die Fülle ihrer Erinnerungen gegenüber, die sie peinigt, lähmt, zermürbt. Im Verweben von Fülle und Leere zeigt sich Marga Mincos literarische Kunst: Assoziationen, ausgelöst durch ein Wort, ein Glas Wein, ein Frühstück, versetzen Sepha unvermittelt in eine andere Zeit. Im Text geht es nahtlos weiter, aber die Situation, obwohl strukturell sehr ähnlich, ist eine andere, die Beteiligten sind andere. Wir leben alle mit erinnerten Welten im Kopf; die eine ruft die andere hervor. Die Glücklichen leben im Bewusstsein der Kontinuität. Yona wird überwältigt vom Schmerz der Diskontinuität.

Sepha kämpft darum, das leere Haus bewohnbar zu machen. Dazu braucht sie 1947 auch eine Auszeit in Collioure bei Perpignan. Matisse malte hier im Sommer 1905. Farben, Sonne, ein attraktiver Mann wirken vorübergehend restaurativ, retten auch Sephas Ehe mit Mark, der als Journalist in Amsterdam um eine Stelle kämpft. Am Ende aber hilft Sepha nur der Umzug in ein ganz neues leeres Haus, radikalste Diskontinuität, um die Erinnerung lang genug in Schach zu halten, um eigene Strukturen zu schaffen.

Minco selbst aber zog mutig in das alte leere Haus und gab dem Leben ihrer Familie, dem Leben der Amsterdamer Juden klug und energisch eine literarische Form. Im kommenden Herbst wird der verdienstvolle Arco Verlag dann noch Mincos Roman "Nachgelassene Tage" von 1997 herausbringen. Im vergangenen März feierte Marga Minco ihren hundertsten Geburtstag. Man kann sich also noch persönlich bei ihr bedanken für ein Lebenswerk, das schwierigste Erfahrungen plastisch nachvollziehbar vermittelt und ihre langsame Bewältigung skizziert. Man nimmt daraus wohl eine Menge mit in diese schwierigen Tage des Sommers 2020.

SUSANNE KLINGENSTEIN

Marga Minco: "Das bittere Kraut". Roman.

Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. Arco Verlag, Wuppertal 2020. 96 S., geb., 18,- [Euro].

Marga Minco: "Ein leeres Haus". Roman.

Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. Arco Verlag, Wuppertal 2020. 172 S., geb., 22,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Susanne Klingenstein freut sich über die späte Bekanntschaft mit einer intelligenten, genauen, energiesprühenden Erzählerin. Marga Mincos erster Roman von 1957 erzählt laut Rezensentin von der Judenfeindschaft in den Niederlanden im Hungerwinter 1944/45 und vom Widerstand. Vor allem die Intensität der Figuren sowie die "elegante" Übersetzung von Marlene Müller-Haas machen das Buch für Klingenstein zum Erlebnis, eines, das - bei 96 Seiten - viel zu schnell vorbei ist, wie sie findet.

© Perlentaucher Medien GmbH