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Produktdetails
  • Verlag: S. FISCHER
  • Seitenzahl: 446
  • Abmessung: 80mm
  • Gewicht: 468g
  • ISBN-13: 9783100054036
  • ISBN-10: 3100054032
  • Artikelnr.: 24057199
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2013

Ein Nörgler
auf Reisen
Joseph Breitbachs letzter
Roman „Das blaue Bidet“
Mit Sympathie, Antipathie oder sonstigen Gefühlen ist dem Helden dieses Romans nicht beizukommen. Der Unternehmer Jean Barbe, ein international führender Knopffabrikant, der zu seinem 60. Geburtstag beschlossen hat, seinen Betrieb aufzugeben und mit einem dicken Scheckheft in der Tasche das Spiel der Freiheit durch Besitzlosigkeit zu spielen, ist alles andere als eine Identifikationsfigur. Mitsamt seinen Launen, Ticks und Macken ist Jean Barbe vielmehr eine wandelnde Hypothese, vom Autor Joseph Breitbach in seinem letzten Roman aus dem Jahr 1978 offenbar ironisch mit den Zügen eines Selbstporträts versehen.
  Der Traum von der großen Freiheit gerät schon beim ersten Schritt in Schieflage, wenn dem Aussteiger beim Einsteigen in den Fernbus ans Meer der Schuhbändel reißt. Bedürfnislosigkeit ist schön, solange man keine Bedürfnisse hat. Zum Ärger des Reisenden führt der Busfahrer keine Ersatzschuhbändel mit. Und so geht es weiter mit den Problemen. In den Erste-Klasse-Abteilen des Zugs und in den Luxushotels wird Barbe schräg angesehen, weil er ohne Gepäck reist. Er gerät in Kriminalaffären hinein, gelegentlich auch aufs Polizeirevier. Vor allem leidet er aber an der Unzulänglichkeit der Welt gegenüber seinen Erwartungen an sie. Dass selbst die edelsten Hotels keine Bidets in den Zimmern anbieten, ist für den notorischen Meckerer ein Affront gegen seinen persönlichen Menschenbegriff. Die Polizei täte gut daran, findet er, statt in unnützen Verkehrskontrollen sich zu verausgaben, den Leuten etwas öfter auf die Sauberkeit ihres Hinterns zu schauen. Seine eigene Verlegenheit in dieser Sache löst er, indem er bei einem Antiquitätenhändler für teures Geld ein solches Gerät ausfindig macht.
  Auch für seine anderen Probleme mit der Welt findet der besitzlos Reisende eine Lösung. Er lässt sich von einem Studenten in dessen Auto durch die Gegend fahren. Das trifft sich auch insofern gut, als es dem Romanautor erlaubt, zwischen dem kapitalistischen Aussteiger und dem Marx lesenden Studenten politische Kontraste zu setzen. Schluss mit dem Prinzip des allwissenden Erzählers, sagt der Student bei seinem Auftritt im 19. Kapitel: „Ich bin es, der jetzt hier die Feder führt.“ Er muss diese Feder dann zwar, wenn sein Auftraggeber von Sizilien allein nach Tunesien übersetzt, wieder aus der Hand geben, fährt dem in neue Komplikationen Geratenen indessen nach und wird Zeuge, wie der Aufbruch in die Freiheit ein böses Ende nimmt.
  Die Figur eines Querulanten, dem das „Eigentliche“ sich auf Eigensinn reimt, geisterte dem Autor offenbar seit den späten Dreißigern durch den Kopf, wie die Herausgeber in ihrem Nachwort erklären. Sie stellen dieses Spätwerk Breitbachs in die Tradition des Schelmenromans – allerdings ohne das liebenswürdig Versponnene, das die Schelme von Eichendorffs Taugenichts bis Thomas Manns Felix Krull auszeichnete. Barbe ist vor allem ein Nörgler.
  Breitbach, der 1931 aus Deutschland nach Paris gegangen war und gegen die Tendenzen von Nouveau Roman und Experimentalliteratur die Konvention des Erzählens pflegte, fügte in den Roman ein „unnumeriertes Kapitel“ ein, um eine Rechnung mit dem Kritiker Günter Blöcker zu begleichen, der 1962 in der Zeit einen seiner Romane verrissen hatte. Bei der Erstveröffentlichung hatte er auf Drängen seines Verlags dieses Zusatzkapitel fallen lassen, hier steht es wieder im Text.
  Mit diesem Buch kommt die Neuausgabe des erzählerischen Werks von Joseph Breitbach nach fünf Bänden zum Abschluss. Angekündigt sind die Edition von Texten aus dem Nachlass, von Artikeln, Tagebüchern und der Korrespondenz sowie eine Biografie. Das bietet Gelegenheit zur Wiederbegegnung mit einem Autor, der sich künstlerisch wie politisch zu seiner Epoche querstellte. Er gehört wohl nicht in die vorderste Reihe der modernen Literatur, setzte aber bis zu seinem Tod 1980 heiter skeptische Gegenakzente zu den Verheißungen der zeitgenössischen individuellen Freiheit.
JOSEPH HANIMANN
Joseph Breitbach: Das blaue Bidet oder Das eigentliche Leben. Roman. Herausgegeben von Alexandra Plettenberg-Serban und Wolfgang Mettmann. Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 395 Seiten, 18 Euro.
Joseph Breitbach beglich in
diesem Roman eine Rechnung mit
dem Kritiker Günter Blöcker
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Heitere skeptische Gegenakzente erwartet Joseph Hanimann von diesem Autor, den er nicht zur ersten Garde der modernen Literatur zählt. Was Joseph Breitbach mit diesem Spätwerk von 1978 vorlegt, erinnert den Rezensenten am ehesten an einen Schelmenroman, allerdings ohne das Versponnene eines Felix Krull. Breitbachs Held ist alles andere als sympathisch, ein Nörgler vor dem Herrn, wie Hanimann mittteilt, keine Identifikationsfigur. Als wandelnde Hypothese, die die Unzulänglichkeit der Welt beklagt, scheint ihm die Figur allerdings durchaus Spaß gemacht zu haben, zumal er hier ein ironisches Selbstporträt des Autor vermutet. Und als Wiederbegegnung mit einem künstlerischen Querkopf taugt ihm das Buch auch.

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