Das Böse stellt die menschliche Vernunft auf eine harte Probe, denn es bringt unsere Zuversicht ins Wanken, daß der Lauf der Welt einen Sinn ergibt. Für die Europäer des 18. Jahrhunderts war das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755 manifester Ausdruck des Bösen, während wir heute das Böse ausschließlich als Folge böswilligen, ja grausamen menschlichen Handelns begreifen - und Auschwitz als dessen extremste Verkörperung.
Wieviel Sinn steckt also in einer Welt, in der Unschuldige leiden? Ist das Böse tiefgründig oder banal? Ist das Böse überhaupt verstehbar, und wenn ja, sind wir gar moralisch zu einem solchen Verständnis verpflichtet? Susan Neiman zeigt in ihrer historisch wie systematisch profunden Studie, die bei dem Erdbeben von Lissabon einsetzt und bei Auschwitz und dem 11. September endet, daß diese Fragen die moderne Philosophie von der Frühaufklärung bis in die Gegenwart, von Voltaire bis Hannah Arendt, wie ein roter Faden durchziehen und nachhaltig geprägt haben. Entstanden ist eine Geschichte des Nachdenkens über das Böse, die zugleich eine andere Geschichte der Philosophie ist.
Wieviel Sinn steckt also in einer Welt, in der Unschuldige leiden? Ist das Böse tiefgründig oder banal? Ist das Böse überhaupt verstehbar, und wenn ja, sind wir gar moralisch zu einem solchen Verständnis verpflichtet? Susan Neiman zeigt in ihrer historisch wie systematisch profunden Studie, die bei dem Erdbeben von Lissabon einsetzt und bei Auschwitz und dem 11. September endet, daß diese Fragen die moderne Philosophie von der Frühaufklärung bis in die Gegenwart, von Voltaire bis Hannah Arendt, wie ein roter Faden durchziehen und nachhaltig geprägt haben. Entstanden ist eine Geschichte des Nachdenkens über das Böse, die zugleich eine andere Geschichte der Philosophie ist.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2004Im Aufsichtsrat der Schöpfung
Susan Neimans populäre Philosophiegeschichte sucht nach moralischer Klarheit
Sehr eng, schrieb Friedrich Nietzsche, bevor er zum Lieblingsautor der überschlauen Gutmenschenverächter avancierte, „ist die Moral an die Güte des Intellects gebunden”. Wie eng diese Bindung in der Tat ist, weil moralische Fragen keine säuberlich abgeschiedenen zu sein pflegen, die Experten zur Behandlung überwiesen werden können, zeigt auf jeder Seite die populäre Philosophiegeschichte Susan Neimans, die unter dem Titel „Das Böse denken” nun auch auf deutsch vorliegt.
Als das Buch im Jahr 2002 unter dem Titel „Evil in Modern Thought” bei Princeton University Press erschien, erregte es Aufsehen als eine der ersten philosophischen Erklärungen nach dem 11. September (SZ vom 28. März 2003) und ist hauptsächlich als politische Schrift gelesen worden – eine Verkürzung.
Neiman beginnt ihre Überlegungen mit einer vorphilosophischen Auffassung vom Bösen, einer alltäglichen Intuition: „Jedesmal wenn wir meinen, das hätte nicht passieren sollen, betreten wir einen Weg, der unmittelbar zum Problem des Bösen führt.” Mit diesem Anfang will sie die Fachphilosophen provozieren, geht es ihr doch um nicht weniger als den Nachweis, dass die naiv scheinenden Fragen nach Gut, Böse und dem Sinn des Lebens, die junge Studenten in Philosophieseminare führen, tatsächlich die Fragen sind, die in den kanonischen Texten der Philosophie behandelt werden. Den Laien nimmt Neiman an die Hand und führt ihn, scharf formulierend, zu Bonmots neigend, ins Reich klassischer Texte zwischen Pierre Bayle und John Rawls.
Das Vertrauen auf vorphilosophische Intuitionen und der Wille, die Komplexität des Bösen, zu dem Schmerz und Leid, die Endlichkeit des Daseins überhaupt, aber auch Verbrechen gehören, ständig präsent zu halten, begründen den Reiz des Buches, aber auch die so anregende wie verwirrende Vielfalt der Perspektiven. Die leitende Frage der Untersuchung gehört zu den größten, die man sich denken kann: Wie müsste die Welt verfasst sein, damit wir Menschen in ihr denken und handeln können?
„Hätte ich”, antwortete im 13. Jahrhundert Alfons X., König von Kastilien, „bei der Schöpfung in Gottes Rat gesessen, würde vieles besser geordnet sein.” Unsere Vernunft enthält also mehr Ordnung und Sinn als die Wirklichkeit auf den ersten Blick bereitstellt. Kurz zeichnet Neiman nach, wie Pope und Leibniz als „Anwälte Gottes” den Schöpfer verteidigten und in der Welt, wie sie war, die beste aller möglichen entdeckten. Mit dem Erdbeben von Lissabon, das am 1. November 1755 etwa 15 000 Todesopfer forderte, verlor diese Rechtfertigung Gottes an Plausibilität. Vor allem, so Neiman, zerbrach die Überzeugung, dass dem natürlichen Bösen, den Übeln, Katastrophen, Schmerzen, eine Bedeutung inne wohne. „Weder ist es Strafe noch Zeichen, es ist vielmehr Teil einer buchstäblich bedeutungslosen Ordnung.”
Dennoch – Neiman behandelt Rousseau, Kant, Hegel und Marx – blieb der Wille bestehen, eine sinnvolle Ordnung hinter den Erscheinungen zu fordern. Aber diese Forderung übersteigt, wie Kant wusste, die Grenzen der Vernunft.
Umrisse einer anderen Tradition skizziert Neiman im Durchgang durch Texte von Pierre Bayle, Voltaire, David Hume, Marquis de Sade und Arthur Schopenhauer, die auf sehr verschiedene Weise dem Baumeister der Welt den Prozess machten, die Vorstellung einer gütigen Vorsehung verabschiedeten und darauf bestanden, die Welt wahrzunehmen, wie sie ist. Für Schopenhauer ist es nicht mehr Gott, der gerechtfertigt werden müsste, sondern das Leben selbst.
Neben die Gruppe der Denker, die auf einer Ordnung hinter den Erscheinungen bestehen, und jene, die eben die Existenz einer solchen Ordnung leugnen, treten für Neiman Nietzsche und Freud. Das Problem des Bösen sei für Nietzsche, „dass das Böse ein Problem sein soll”, dass es Ideale gibt, die das Leben, wie es ist, verdammen. Freud dagegen werden die verschiedenen Arten des Bösen lediglich zu Beispielen, „für die zahllosen Weisen, auf die das Leben uns überfordert”. Trotz der Konzentration auf das Böse folgt Neiman bis zu diesem Punkt in der Auswahl der Texte und Argumente durchaus den Konventionen der Philosophiegeschichte. So anders ist ihre Geschichte nicht.
Nun aber beginnt sie aufs Neue und parallelisiert das Erdbeben von Lissabon mit Auschwitz, dem Ereignis, das für sie das Ende der Moderne bezeichnet. Während in Lissabon die Menschheit den Glauben an die Welt verloren habe, könne man sagen, dass sie in Auschwitz den Glauben an sich selbst verloren habe. Jede Theodizee sei unmöglich geworden. Ja, das moralisch Böse selber, so zeigt sie unter Berufung auf Hannah Arendts Wort von der Banalität des Bösen, habe das Gesicht der Schurkenhaftigkeit verloren. Es gehöre zur neuen Gestalt des Bösen, dass es nicht unbedingt schwärzeste Absichten voraussetzt. Das trifft wohl manchen Schreibtischtäter, aber doch kaum die NS-Verbrechen insgesamt.
Überzeugender ist ein zweites Argument Arendts, das die Erfahrung der Kontingenz mit dem Mysterium der Freiheit verknüpft. Man wisse nie, wie einer in Extremsituationen sich verhalte, wie einer handele. Und wenn auch mit dem 11. September keine neue, sondern eine atavistische Gestalt des Bösen auftrat, so wurde durch die Passagiere des Flugs 93, die ihre Maschine zum Absturz brachten, bevor sie als Bombe missbraucht werden konnte, diese Erfahrung doch bestätigt.
JENS BISK
Y
SUSAN NEIMAN: Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie. Deutsch von Christiana Goldmann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 492 Seiten, 32,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Susan Neimans populäre Philosophiegeschichte sucht nach moralischer Klarheit
Sehr eng, schrieb Friedrich Nietzsche, bevor er zum Lieblingsautor der überschlauen Gutmenschenverächter avancierte, „ist die Moral an die Güte des Intellects gebunden”. Wie eng diese Bindung in der Tat ist, weil moralische Fragen keine säuberlich abgeschiedenen zu sein pflegen, die Experten zur Behandlung überwiesen werden können, zeigt auf jeder Seite die populäre Philosophiegeschichte Susan Neimans, die unter dem Titel „Das Böse denken” nun auch auf deutsch vorliegt.
Als das Buch im Jahr 2002 unter dem Titel „Evil in Modern Thought” bei Princeton University Press erschien, erregte es Aufsehen als eine der ersten philosophischen Erklärungen nach dem 11. September (SZ vom 28. März 2003) und ist hauptsächlich als politische Schrift gelesen worden – eine Verkürzung.
Neiman beginnt ihre Überlegungen mit einer vorphilosophischen Auffassung vom Bösen, einer alltäglichen Intuition: „Jedesmal wenn wir meinen, das hätte nicht passieren sollen, betreten wir einen Weg, der unmittelbar zum Problem des Bösen führt.” Mit diesem Anfang will sie die Fachphilosophen provozieren, geht es ihr doch um nicht weniger als den Nachweis, dass die naiv scheinenden Fragen nach Gut, Böse und dem Sinn des Lebens, die junge Studenten in Philosophieseminare führen, tatsächlich die Fragen sind, die in den kanonischen Texten der Philosophie behandelt werden. Den Laien nimmt Neiman an die Hand und führt ihn, scharf formulierend, zu Bonmots neigend, ins Reich klassischer Texte zwischen Pierre Bayle und John Rawls.
Das Vertrauen auf vorphilosophische Intuitionen und der Wille, die Komplexität des Bösen, zu dem Schmerz und Leid, die Endlichkeit des Daseins überhaupt, aber auch Verbrechen gehören, ständig präsent zu halten, begründen den Reiz des Buches, aber auch die so anregende wie verwirrende Vielfalt der Perspektiven. Die leitende Frage der Untersuchung gehört zu den größten, die man sich denken kann: Wie müsste die Welt verfasst sein, damit wir Menschen in ihr denken und handeln können?
„Hätte ich”, antwortete im 13. Jahrhundert Alfons X., König von Kastilien, „bei der Schöpfung in Gottes Rat gesessen, würde vieles besser geordnet sein.” Unsere Vernunft enthält also mehr Ordnung und Sinn als die Wirklichkeit auf den ersten Blick bereitstellt. Kurz zeichnet Neiman nach, wie Pope und Leibniz als „Anwälte Gottes” den Schöpfer verteidigten und in der Welt, wie sie war, die beste aller möglichen entdeckten. Mit dem Erdbeben von Lissabon, das am 1. November 1755 etwa 15 000 Todesopfer forderte, verlor diese Rechtfertigung Gottes an Plausibilität. Vor allem, so Neiman, zerbrach die Überzeugung, dass dem natürlichen Bösen, den Übeln, Katastrophen, Schmerzen, eine Bedeutung inne wohne. „Weder ist es Strafe noch Zeichen, es ist vielmehr Teil einer buchstäblich bedeutungslosen Ordnung.”
Dennoch – Neiman behandelt Rousseau, Kant, Hegel und Marx – blieb der Wille bestehen, eine sinnvolle Ordnung hinter den Erscheinungen zu fordern. Aber diese Forderung übersteigt, wie Kant wusste, die Grenzen der Vernunft.
Umrisse einer anderen Tradition skizziert Neiman im Durchgang durch Texte von Pierre Bayle, Voltaire, David Hume, Marquis de Sade und Arthur Schopenhauer, die auf sehr verschiedene Weise dem Baumeister der Welt den Prozess machten, die Vorstellung einer gütigen Vorsehung verabschiedeten und darauf bestanden, die Welt wahrzunehmen, wie sie ist. Für Schopenhauer ist es nicht mehr Gott, der gerechtfertigt werden müsste, sondern das Leben selbst.
Neben die Gruppe der Denker, die auf einer Ordnung hinter den Erscheinungen bestehen, und jene, die eben die Existenz einer solchen Ordnung leugnen, treten für Neiman Nietzsche und Freud. Das Problem des Bösen sei für Nietzsche, „dass das Böse ein Problem sein soll”, dass es Ideale gibt, die das Leben, wie es ist, verdammen. Freud dagegen werden die verschiedenen Arten des Bösen lediglich zu Beispielen, „für die zahllosen Weisen, auf die das Leben uns überfordert”. Trotz der Konzentration auf das Böse folgt Neiman bis zu diesem Punkt in der Auswahl der Texte und Argumente durchaus den Konventionen der Philosophiegeschichte. So anders ist ihre Geschichte nicht.
Nun aber beginnt sie aufs Neue und parallelisiert das Erdbeben von Lissabon mit Auschwitz, dem Ereignis, das für sie das Ende der Moderne bezeichnet. Während in Lissabon die Menschheit den Glauben an die Welt verloren habe, könne man sagen, dass sie in Auschwitz den Glauben an sich selbst verloren habe. Jede Theodizee sei unmöglich geworden. Ja, das moralisch Böse selber, so zeigt sie unter Berufung auf Hannah Arendts Wort von der Banalität des Bösen, habe das Gesicht der Schurkenhaftigkeit verloren. Es gehöre zur neuen Gestalt des Bösen, dass es nicht unbedingt schwärzeste Absichten voraussetzt. Das trifft wohl manchen Schreibtischtäter, aber doch kaum die NS-Verbrechen insgesamt.
Überzeugender ist ein zweites Argument Arendts, das die Erfahrung der Kontingenz mit dem Mysterium der Freiheit verknüpft. Man wisse nie, wie einer in Extremsituationen sich verhalte, wie einer handele. Und wenn auch mit dem 11. September keine neue, sondern eine atavistische Gestalt des Bösen auftrat, so wurde durch die Passagiere des Flugs 93, die ihre Maschine zum Absturz brachten, bevor sie als Bombe missbraucht werden konnte, diese Erfahrung doch bestätigt.
JENS BISK
Y
SUSAN NEIMAN: Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie. Deutsch von Christiana Goldmann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 492 Seiten, 32,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004Wie kommt der Teufel so schnell ins Detail?
Sprechen wir über das Böse: Susan Neiman verübelt den Philosophen ihre Skrupel / Von Christian Geyer
Wahrscheinlich entscheidet sich schon alles bei der Antwort auf die Frage, ob man besser vom Bösen oder vom Übel spricht. Et libera nos a malo: Es ist lange her, daß die Vaterunserbitte mit "Erlöse uns von dem Übel" übersetzt wurde. Jetzt bittet man um Erlösung von dem Bösen. Dabei ist das moralisch Schlechte, das Böse, nur eine monströse Facette des ontologisch Schlechten, des Übels - dessen, was Paulus meinte, als er schrieb, die Schöpfung liege in Wehen. Das Übel gibt den verborgenen Urgrund ab, während das Böse auch, ja gerade in seinen krassesten Formen stets vor aller Augen liegt. Man kann es ausfindig machen: Das da ist böse. Man kann sagen, wie eine böse Tat zustande kam, psychologisch, kriminologisch. Der unaufgelöste Rest, der dann noch bleibt, ist derselbe, der bleibt, wenn man eine gute Tat aufklären will oder auch nur irgendein Wort, das irgendwo gesprochen wird. Unaufgelöste Reste sind menschlich. Man muß nichts hineingeheimnissen jenseits des Ungeheuren, das gut und böse und jedes Wort für uns bedeuten. Anderenfalls müßte man sich vormachen, man lebte in einer geheuren Welt, in der es nur einige ungeheure Inseln gibt. Inseln des Bösen.
Dem ist aber nicht so, wie Susan Neimans Philosophiegeschichte des Bösen zeigt. In der creatio ex nihilo, in der wir leben, ist nichts geheuer. Alles kann jeden Moment ins Nichts zurückstürzen. Der Mensch ist das Sein, durch das das Nichts in die Welt kommt, sagt Sartre. Und Christus gibt ihm recht, sonst würde er nicht zu beten geheißen: Erlöse uns von dem Übel, und damit wohl meinen: Erhalte uns im Sein. Das Übel ist das eigentliche Geheimnis, nicht das Böse. Denn mit dem Bösen läßt sich rechnen, es ist die Wand, gegen die man spielen kann. Gegen das Übel läßt sich nicht spielen. Das Übel macht jedes Spiel zunichte, noch bevor die erste Spielregel steht. Und hat sich einer aus dieser Nichtung herausgearbeitet und dem nihil zum Trotz sein Spiel begonnen, so ist die Bedeutung, die er setzte und nun festhält, doch keine unverbrüchliche. Ein Wellenschlag nur, und das Schiff unserer Bedeutungen sinkt ins Nichts zurück. Gibt es etwas Grauenhafteres als das Böse? Ja, das Übel.
Susan Neimans Buch kommt das Verdienst zu, das Böse als Thema der Philosophie wieder in sein Recht gesetzt und es dem absoluten Zugriff der Theologie entwunden zu haben. Freilich hat sie gegenüber der Theologie leichtes Spiel, da der Theologe die Beschäftigung mit dem Teufel inzwischen so scheut wie der Teufel das Weihwasser. Neiman zeigt, wie unterschiedliche Zeiten unterschiedlich auf das Böse reagiert haben - auf Naturkatastrophen wie auf Verbrechen und Intrigen. An der Deutung der Natur schieden sich die Geister. Für die einen legitimiert, ja fordert ein normativistisches Naturkonzept die schöpferische Zerstörung durch Krieg und Verbrechen. Für die anderen gilt es, Natur durch Kultur in Schach zu halten: Natur sei ontologisch unterlegen, nicht in ihr, sondern in Gott finde der Mensch sein festes Refugium. Aber ist die Allmacht Gottes nicht nur die Kehrseite seiner Bosheit? Im Angesicht der Katastrophe mußte es Voltaire in der Nachfolge Bayles so scheinen. Rousseau widerspricht und verbindet das christliche Konzept der Vorsehung strategisch mit dem der Natur als harmonischem Ganzen. So waren die Gesichter des Bösen den Denkern der Aufklärung Anlaß für eine weitverzweigte Debatte über die Theodizee, die sich wie bei Rousseau mit einer Naturdizee verschränkte. Durch das Erdbeben von Lissabon 1755 bekam die Diskussion noch einmal einen gewaltigen Schub. Kaum ein Aufklärer, wie radikal er auch immer dachte, wollte sich dem Atheismusverdacht aussetzen, weshalb man auf das Christentum alles, auf den Deismus nichts kommen ließ.
Ja, so war das damals, der Tod Gottes hatte sich noch nicht herumgesprochen, Neimans Kapitel über Nietzsche und Freud zeigen, daß dies bald anders wurde: Mit Gott hatte sich auch die Theodizee-Frage als regressiver Anthropomorphismus erledigt. Was vom Denken des Bösen noch bleibt - Hannah Arendt, die Kritische Theorie oder John Rawls - inventarisiert Susan Neiman als psychologisierende Restbestände des Bösen. Nun diskutierte man über Absichten, wenn man über das Böse sprach. Denn daran vermochte Auschwitz nichts zu ändern: Zu einer metaphysischen Wiedergewinnung des Bösen als Übel ist es in der Philosophie nicht gekommen. Zu leicht würde das Räsonnement, das damit verbunden wäre, den Eindruck einer Relativierung des Unsagbaren hinterlassen. Nach Auschwitz liest sich das Grauen besser im Schweigen als im Traktat. Das ist jedenfalls die Faustformel, die man Susan Neimans Schlußkapitel entnehmen möchte.
Doch weder der Tod Gottes noch der Zivilisationsbruch können die Autorin davon abhalten, der neueren Philosophie ihre Zurückhaltung bei der expliziten Befassung mit "dem Bösen" zu verübeln. Wenn Neiman mit ihrem Buch eine "andere Philosophiegeschichte" als Matrix für eine künftige Philosophie vorlegen will, dann ist es eine solche, deren "Organisationsprinzip" das Problem des Bösen ist. Diese starke These gehorcht einem moralischen Impuls. "Hört man auf, das Böse verstehen zu wollen, nimmt man sich, im Denken wie in der Praxis, jede Grundlage, dagegen anzukämpfen", schreibt sie. Zu einer moralischen Steuerung ihres Denkens bekennt sich Neiman auch mit Sätzen wie diesen: "Glaubten wir nicht daran, daß Glück und Tugend zusammengehen sollen, wäre jeder Versuch, die Ursachen des Bösen zu verstehen und auszumerzen (!), vergebens." Neiman ruft dazu auf, auch im Angesicht des Bösen "das Prinzip des zureichenden Grundes" nicht aus dem Auge zu verlieren. Sie kann dann aber nicht sagen, wieviel Grund heute noch zureichend wäre. Alles, was sie sagt, ist: "Daß wir uns mit weniger zufriedengeben müssen als einst erstrebt wurde, ist deutlich." Ob sich mit so viel denkerischer Askese das große moralische Anliegen durchtragen läßt? Zweifel sind erlaubt.
Und so kommt denn auch die Forderung nach einer anderen Philosophie, einer Philosophie "näher bei uns" allzu großspurig daher. Was, wenn sich näher bei uns noch viel weniger erkennen läßt als aus der Ferne, aus der Distanz der ausdifferenzierten philosophischen Disziplin, welche Neiman kurzerhand für "irrig" erklärt und gegen angeblich näher bei uns liegende Probleme ausspielen möchte, eben gegen solche, "die aufgeweckte 17jährige über Sinn und Bedeutung nachdenken lassen"?
Hier artikuliert sich ein Ressentiment gegen die Fachdisziplin, das seine Begründung schuldig bleibt. Wer glaubt, in den Foren der Erwachsenenbildung jenseits der Universität die platonische Idee der Akademie wiedergewinnen zu können, stiehlt sich aus der Zeit. Es reicht dann nur fürs Reißerische. Neiman macht der Philosophie ihren fragmentarischen Charakter zum Vorwurf, ihren gut begründeten Verzicht darauf, "die Welt als ganze zu verstehen", um dann hinzuzufügen: "Ebendiese Fragmentierung mag uns daran hindern, das Problem des Bösen als das zu sehen, was es ist." Was aber soll es denn sein, das das Böse im Innersten zusammenhält? Statt hier Farbe zu bekennen, äußert sich auch Susan Neiman bloß fragmentarisch. Statt die mit Spannung erwarteten Karten auf den Tisch zu legen, unter denen sich womöglich ein theologischer Sündenfall oder eine philosophische Substanzlehre befindet, lesen wir folgendes: "Zu den vielen Dingen, die man in diesem Buch nicht findet, gehört auch eine Definition des Bösen oder Kriterien, die uns ermöglichen, böse Taten von solchen zu unterscheiden, die nur sehr schlecht sind." Unsere Siebzehnjährigen werden nicht begeistert sein.
Neimans zentrales Mißverständnis liegt in ihrer Diffamierung der Erkenntnistheorie als einer im Grunde unphilosophischen Disziplin, die den Blick auf die wirklichen Probleme verstellt. In dieser Perspektive hat Philosophie nur als Kommunitarismus ein Daseinsrecht, eine These, zu der sich ein die philosophischen Proportionen wahrender Kommunitarist wie Michael Walzer nie versteigen würde. Man braucht nur an Karl Mannheim zu denken, für den der ungarische Mystik-Diskurs der stets präsente Hintergrund blieb, um eine begrifflich nicht näher faßbare Einheit des Wissens erkenntnistheoretisch gerade in der Fragmentierung durch Wissenssoziologie retten zu wollen. Besser starke Philosophie mit schwachen Annahmen als umgekehrt, kann man da nur lernen. Der Mythos des Gegebenen hat sich erledigt.
Von derart erkenntnisfördernden Skrupeln der Erkenntnistheorie unberührt, eröffnet Neiman um so unbefangener Kategorien wie die der "direkt teuflischen Absicht" (wie kommt der Teufel so schnell ins Detail?). Bei aller Erhellung, die Neiman leistet, erweist sich ihr Zugriff als allzu unerschrocken, allzu selbstgewiß, allzusehr von moralischen Interessen geleitet. Ihr gelehrtes Buch vermittelt doch beinahe auf jeder Seite den Eindruck, alles in einem Aufwasch erledigen zu können. Wo aber der Zweifel keinen Resonanzboden erhält, ist in der Philosophie ein Ton nicht getroffen. Als inspirierte Materialsammlung bleibt Neimans Buch gleichwohl überaus wertvoll. Es liest sich insoweit als fruchtbare Ergänzung zu der Naturdizee-Debatte, wie sie Panajotis Kondylis in seinem grundlegenden Aufklärungsbuch nachgezeichnet hat und Rüdiger Safranski in seinem souveränen Essay über das Böse pointierte. Die von der Autorin erstrebte Revolution der Philosophie ist durch ihr Buch nicht zu erwarten. Aber das ist weder übel noch böse.
Susan Neiman: "Das Böse denken". Eine andere Geschichte der Philosophie. Aus dem Englischen von Christiana Goldmann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2004. 489 S., geb., 32,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sprechen wir über das Böse: Susan Neiman verübelt den Philosophen ihre Skrupel / Von Christian Geyer
Wahrscheinlich entscheidet sich schon alles bei der Antwort auf die Frage, ob man besser vom Bösen oder vom Übel spricht. Et libera nos a malo: Es ist lange her, daß die Vaterunserbitte mit "Erlöse uns von dem Übel" übersetzt wurde. Jetzt bittet man um Erlösung von dem Bösen. Dabei ist das moralisch Schlechte, das Böse, nur eine monströse Facette des ontologisch Schlechten, des Übels - dessen, was Paulus meinte, als er schrieb, die Schöpfung liege in Wehen. Das Übel gibt den verborgenen Urgrund ab, während das Böse auch, ja gerade in seinen krassesten Formen stets vor aller Augen liegt. Man kann es ausfindig machen: Das da ist böse. Man kann sagen, wie eine böse Tat zustande kam, psychologisch, kriminologisch. Der unaufgelöste Rest, der dann noch bleibt, ist derselbe, der bleibt, wenn man eine gute Tat aufklären will oder auch nur irgendein Wort, das irgendwo gesprochen wird. Unaufgelöste Reste sind menschlich. Man muß nichts hineingeheimnissen jenseits des Ungeheuren, das gut und böse und jedes Wort für uns bedeuten. Anderenfalls müßte man sich vormachen, man lebte in einer geheuren Welt, in der es nur einige ungeheure Inseln gibt. Inseln des Bösen.
Dem ist aber nicht so, wie Susan Neimans Philosophiegeschichte des Bösen zeigt. In der creatio ex nihilo, in der wir leben, ist nichts geheuer. Alles kann jeden Moment ins Nichts zurückstürzen. Der Mensch ist das Sein, durch das das Nichts in die Welt kommt, sagt Sartre. Und Christus gibt ihm recht, sonst würde er nicht zu beten geheißen: Erlöse uns von dem Übel, und damit wohl meinen: Erhalte uns im Sein. Das Übel ist das eigentliche Geheimnis, nicht das Böse. Denn mit dem Bösen läßt sich rechnen, es ist die Wand, gegen die man spielen kann. Gegen das Übel läßt sich nicht spielen. Das Übel macht jedes Spiel zunichte, noch bevor die erste Spielregel steht. Und hat sich einer aus dieser Nichtung herausgearbeitet und dem nihil zum Trotz sein Spiel begonnen, so ist die Bedeutung, die er setzte und nun festhält, doch keine unverbrüchliche. Ein Wellenschlag nur, und das Schiff unserer Bedeutungen sinkt ins Nichts zurück. Gibt es etwas Grauenhafteres als das Böse? Ja, das Übel.
Susan Neimans Buch kommt das Verdienst zu, das Böse als Thema der Philosophie wieder in sein Recht gesetzt und es dem absoluten Zugriff der Theologie entwunden zu haben. Freilich hat sie gegenüber der Theologie leichtes Spiel, da der Theologe die Beschäftigung mit dem Teufel inzwischen so scheut wie der Teufel das Weihwasser. Neiman zeigt, wie unterschiedliche Zeiten unterschiedlich auf das Böse reagiert haben - auf Naturkatastrophen wie auf Verbrechen und Intrigen. An der Deutung der Natur schieden sich die Geister. Für die einen legitimiert, ja fordert ein normativistisches Naturkonzept die schöpferische Zerstörung durch Krieg und Verbrechen. Für die anderen gilt es, Natur durch Kultur in Schach zu halten: Natur sei ontologisch unterlegen, nicht in ihr, sondern in Gott finde der Mensch sein festes Refugium. Aber ist die Allmacht Gottes nicht nur die Kehrseite seiner Bosheit? Im Angesicht der Katastrophe mußte es Voltaire in der Nachfolge Bayles so scheinen. Rousseau widerspricht und verbindet das christliche Konzept der Vorsehung strategisch mit dem der Natur als harmonischem Ganzen. So waren die Gesichter des Bösen den Denkern der Aufklärung Anlaß für eine weitverzweigte Debatte über die Theodizee, die sich wie bei Rousseau mit einer Naturdizee verschränkte. Durch das Erdbeben von Lissabon 1755 bekam die Diskussion noch einmal einen gewaltigen Schub. Kaum ein Aufklärer, wie radikal er auch immer dachte, wollte sich dem Atheismusverdacht aussetzen, weshalb man auf das Christentum alles, auf den Deismus nichts kommen ließ.
Ja, so war das damals, der Tod Gottes hatte sich noch nicht herumgesprochen, Neimans Kapitel über Nietzsche und Freud zeigen, daß dies bald anders wurde: Mit Gott hatte sich auch die Theodizee-Frage als regressiver Anthropomorphismus erledigt. Was vom Denken des Bösen noch bleibt - Hannah Arendt, die Kritische Theorie oder John Rawls - inventarisiert Susan Neiman als psychologisierende Restbestände des Bösen. Nun diskutierte man über Absichten, wenn man über das Böse sprach. Denn daran vermochte Auschwitz nichts zu ändern: Zu einer metaphysischen Wiedergewinnung des Bösen als Übel ist es in der Philosophie nicht gekommen. Zu leicht würde das Räsonnement, das damit verbunden wäre, den Eindruck einer Relativierung des Unsagbaren hinterlassen. Nach Auschwitz liest sich das Grauen besser im Schweigen als im Traktat. Das ist jedenfalls die Faustformel, die man Susan Neimans Schlußkapitel entnehmen möchte.
Doch weder der Tod Gottes noch der Zivilisationsbruch können die Autorin davon abhalten, der neueren Philosophie ihre Zurückhaltung bei der expliziten Befassung mit "dem Bösen" zu verübeln. Wenn Neiman mit ihrem Buch eine "andere Philosophiegeschichte" als Matrix für eine künftige Philosophie vorlegen will, dann ist es eine solche, deren "Organisationsprinzip" das Problem des Bösen ist. Diese starke These gehorcht einem moralischen Impuls. "Hört man auf, das Böse verstehen zu wollen, nimmt man sich, im Denken wie in der Praxis, jede Grundlage, dagegen anzukämpfen", schreibt sie. Zu einer moralischen Steuerung ihres Denkens bekennt sich Neiman auch mit Sätzen wie diesen: "Glaubten wir nicht daran, daß Glück und Tugend zusammengehen sollen, wäre jeder Versuch, die Ursachen des Bösen zu verstehen und auszumerzen (!), vergebens." Neiman ruft dazu auf, auch im Angesicht des Bösen "das Prinzip des zureichenden Grundes" nicht aus dem Auge zu verlieren. Sie kann dann aber nicht sagen, wieviel Grund heute noch zureichend wäre. Alles, was sie sagt, ist: "Daß wir uns mit weniger zufriedengeben müssen als einst erstrebt wurde, ist deutlich." Ob sich mit so viel denkerischer Askese das große moralische Anliegen durchtragen läßt? Zweifel sind erlaubt.
Und so kommt denn auch die Forderung nach einer anderen Philosophie, einer Philosophie "näher bei uns" allzu großspurig daher. Was, wenn sich näher bei uns noch viel weniger erkennen läßt als aus der Ferne, aus der Distanz der ausdifferenzierten philosophischen Disziplin, welche Neiman kurzerhand für "irrig" erklärt und gegen angeblich näher bei uns liegende Probleme ausspielen möchte, eben gegen solche, "die aufgeweckte 17jährige über Sinn und Bedeutung nachdenken lassen"?
Hier artikuliert sich ein Ressentiment gegen die Fachdisziplin, das seine Begründung schuldig bleibt. Wer glaubt, in den Foren der Erwachsenenbildung jenseits der Universität die platonische Idee der Akademie wiedergewinnen zu können, stiehlt sich aus der Zeit. Es reicht dann nur fürs Reißerische. Neiman macht der Philosophie ihren fragmentarischen Charakter zum Vorwurf, ihren gut begründeten Verzicht darauf, "die Welt als ganze zu verstehen", um dann hinzuzufügen: "Ebendiese Fragmentierung mag uns daran hindern, das Problem des Bösen als das zu sehen, was es ist." Was aber soll es denn sein, das das Böse im Innersten zusammenhält? Statt hier Farbe zu bekennen, äußert sich auch Susan Neiman bloß fragmentarisch. Statt die mit Spannung erwarteten Karten auf den Tisch zu legen, unter denen sich womöglich ein theologischer Sündenfall oder eine philosophische Substanzlehre befindet, lesen wir folgendes: "Zu den vielen Dingen, die man in diesem Buch nicht findet, gehört auch eine Definition des Bösen oder Kriterien, die uns ermöglichen, böse Taten von solchen zu unterscheiden, die nur sehr schlecht sind." Unsere Siebzehnjährigen werden nicht begeistert sein.
Neimans zentrales Mißverständnis liegt in ihrer Diffamierung der Erkenntnistheorie als einer im Grunde unphilosophischen Disziplin, die den Blick auf die wirklichen Probleme verstellt. In dieser Perspektive hat Philosophie nur als Kommunitarismus ein Daseinsrecht, eine These, zu der sich ein die philosophischen Proportionen wahrender Kommunitarist wie Michael Walzer nie versteigen würde. Man braucht nur an Karl Mannheim zu denken, für den der ungarische Mystik-Diskurs der stets präsente Hintergrund blieb, um eine begrifflich nicht näher faßbare Einheit des Wissens erkenntnistheoretisch gerade in der Fragmentierung durch Wissenssoziologie retten zu wollen. Besser starke Philosophie mit schwachen Annahmen als umgekehrt, kann man da nur lernen. Der Mythos des Gegebenen hat sich erledigt.
Von derart erkenntnisfördernden Skrupeln der Erkenntnistheorie unberührt, eröffnet Neiman um so unbefangener Kategorien wie die der "direkt teuflischen Absicht" (wie kommt der Teufel so schnell ins Detail?). Bei aller Erhellung, die Neiman leistet, erweist sich ihr Zugriff als allzu unerschrocken, allzu selbstgewiß, allzusehr von moralischen Interessen geleitet. Ihr gelehrtes Buch vermittelt doch beinahe auf jeder Seite den Eindruck, alles in einem Aufwasch erledigen zu können. Wo aber der Zweifel keinen Resonanzboden erhält, ist in der Philosophie ein Ton nicht getroffen. Als inspirierte Materialsammlung bleibt Neimans Buch gleichwohl überaus wertvoll. Es liest sich insoweit als fruchtbare Ergänzung zu der Naturdizee-Debatte, wie sie Panajotis Kondylis in seinem grundlegenden Aufklärungsbuch nachgezeichnet hat und Rüdiger Safranski in seinem souveränen Essay über das Böse pointierte. Die von der Autorin erstrebte Revolution der Philosophie ist durch ihr Buch nicht zu erwarten. Aber das ist weder übel noch böse.
Susan Neiman: "Das Böse denken". Eine andere Geschichte der Philosophie. Aus dem Englischen von Christiana Goldmann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2004. 489 S., geb., 32,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Nicht hundertprozentig überzeugt zeigt sich Rezensent Christian Geyer von Susan Neimans "gelehrtem Buch" über das Böse. Zwar rechnet er der Autorin hoch an, das Böse wieder als Thema der Philosophie begriffen und dem absoluten Zugriff der Theologie entrissen zu haben. Erhellend findet er zudem Neimans Ausführungen über die verschiedenen Auseinandersetzungen mit dem Bösen von Voltaire und Rousseau über Nietzsche und Freud zu Hanna Arendt, der kritischen Theorie oder John Rawls. Aber dass sie der neueren Philosophie ihren zurückhaltenden Umgang mit dem Bösen verübelt und die Erkenntnistheorie diffamiert, hält Geyer für verfehlt, zumal sich auch Neiman weigere, eine Definition des Bösen zu geben. Ihr Zugriff auf das Thema erscheint Geyer "allzu selbstgewiss" und "allzu sehr von moralischen Interessen geleitet". Neiman vermittle auf jeder Seite den Eindruck, "alles in einem Aufwasch erledigen zu können". Für Zweifel bleibe bei ihr kein Raum. Trotzdem: "Als inspirierte Materialsammlung", resümiert Geyer, "bleibt Neimans Buch überaus wertvoll."
© Perlentaucher Medien GmbH"
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