Nach ihrem wunderschönen, naturgeschichtlich wie künstlerisch gleichermaßen faszinierenden Buch 'Von seltenen Vögeln' erscheint nun Anita Albus' 'Botanisches Schauspiel' ebenfalls in bibliophiler Ausstattung.
Vierundzwanzig Blumen-Porträts, in Aquarell gemalt, in Texten beschrieben, von Zitaten begleitet - ein Zaubergarten!
Vierundzwanzig Blumen sind die Darsteller in diesem 'Botanischen Schauspiel'; der Schauplatz wechselt von Europa nach Vorderasien und Afrika, führt von Britisch-Kolumbien nach Mittel- und Südamerika, zeigt ausgiebig das Panorama Ost-Asiens; gespielt wird 'Die Verwandlung des Blatts'; erzählt wird das Schicksal jeder Blume und das jener Menschen, die sie auf ihrem Weg aus der Wildnis in die Gärten der Fremde begleitet haben: Pflanzenjäger und Forschungsreisende, Botaniker und Gärtner, Maler und Liebhaber.
Vierundzwanzig Blumen-Porträts, in Aquarell gemalt, in Texten beschrieben, von Zitaten begleitet - ein Zaubergarten!
Vierundzwanzig Blumen sind die Darsteller in diesem 'Botanischen Schauspiel'; der Schauplatz wechselt von Europa nach Vorderasien und Afrika, führt von Britisch-Kolumbien nach Mittel- und Südamerika, zeigt ausgiebig das Panorama Ost-Asiens; gespielt wird 'Die Verwandlung des Blatts'; erzählt wird das Schicksal jeder Blume und das jener Menschen, die sie auf ihrem Weg aus der Wildnis in die Gärten der Fremde begleitet haben: Pflanzenjäger und Forschungsreisende, Botaniker und Gärtner, Maler und Liebhaber.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2007Das Reich unterhalb unserer Knie
Fein wie Albrecht Dürers Rasenstück hat Anita Albus Blumen gemalt und ein Buch dazu geschrieben. Ist so ein Vorhaben hoffnungslos veraltet? Gar nicht. Es ist eine betörende Entdeckungsfahrt in eine Welt mit seltsamen Doppelgängern - sie führen vor, was Kunst und Literatur im besten Sinne leisten können.
Von Julia Voss
Für alle, die glauben, Blumenbücher eher nicht zu mögen, diese kleine Geschichte vorab: Vor etwa zwanzig Jahren stand Anita Albus, die Autorin des Buches, im Badezimmer ihrer Münchner Wohnung, zähneputzend vielleicht, als nebenan mit großem Getöse die Stuckdecke ihres Schlafzimmers auf das Bett herunterkrachte. Wie gesagt, die Autorin befand sich in Sicherheit; weil aber die Wohnung wegen der Statik danach für Monate mit Holzbalken abgestützt wurde, bot ihr nun Daniel Spoerri, damals Professor an der Münchner Kunstakademie, ein Atelier als Ausweichquartier zum Arbeiten an. Und unter den Blicken der entsetzten Studenten der Kunstakademie malte sie nun Blumen. Zarte, filigrane, fingerdünne. So fein wie in Dürers Rasenstück.
Die Anekdote erzählt Albus im Postscriptum ihres Buchs, sie verrät das Gespür für das wohl auf den ersten Blick etwas Ulkige ihres Unterfangens. Blumen malen, wo doch vor kurzem die Aussicht auf eine High-Tech-Botanisiertrommel Furore machte: In Zukunft, prophezeite ein Forscher, müssten Pflanzen nur noch in ein Gerät mit Gen-Sequenzierer geschmissen werden - die Artzugehörigkeit würde dann automatisch ausgespuckt. Ein Buch mit Blumenbildern könnte da leicht zwischen die Stühle fallen, wissenschaftlich wie künstlerich hoffnungslos veraltet. Brauchen wir also ein solches Buch?
Ja, wir brauchen es. Erstens, weil man sich den technologischen Fortschritt so rosig ausmalen mag, wie man will, am Zeichnen kommt die Biologie bis heute nicht vorbei. Ganz gleich ob Tier oder Pflanze - in den meisten Bestimmungsbüchern lernen wir sie gezeichnet kennen, nicht fotografiert und schon gar nicht sequenziert. Das Besondere einer Art verstehen wir im Bild, in der Zeichnung, die unseren Blick lenkt. Dass neue Technologien in die Biologie eingezogen sind, heißt nicht, die alten wären damit obsolet geworden. Es ist schlicht falsch, sich Wissenschaft nur zwischen surrenden Apparaten und in maschinengetriebenen Labors vorzustellen. Und zweitens brauchen wir dieses Buch, weil es Satz für Satz ins Ohr kriecht, Bild für Bild in den Kopf. "Das botanische Schauspiel" ist natürlich kein Feldführer, sondern eine betörende Entdeckungsfahrt in das Reich knapp unterhalb unserer Knie. Wir erleben das, was Literatur und Kunst im besten Sinne leisten können: die Tür in eine andere Welt aufzustoßen.
Doch zunächst zum Aufbau: Jede der vierundzwanzig Pflanzen in diesem Band wurde, wie der Titel ankündigt, "nach dem Leben gemalt und beschrieben". Nach dem Leben - das ist eine tradierte Formel der naturhistorischen Buchillustration, mit der Zeichner in der Vergangenheit die Authentizität der Überlieferung garantierten. Bei Alfred Edmund Brehms Mitarbeitern für das "Illustrirte Thierleben" hieß das im neunzehnten Jahrhundert: Ich habe dieses Tier mit eigenen Augen gesehen und nicht nach Vorlagen kopiert.
Genau dieser Mühe hat sich auch Albus unterzogen. Ohne Vorzeichnungen wurde jede Blume mit dem Pinsel direkt auf das Papier gesetzt, der weiße Aquarellpapiergrund zuvor mit Pigment eingefärbt. Sechs Wochen brauchte sie allein um Meconopsis betonicifolia Franch. zu malen, eine blau blühende Mohnpflanze, deren Blätter in der Vase sich binnen fünf Minuten in "verkohlte Lappen" verwandeln. Vor allem aber hat Albus jede Pflanze aus einem Samen in ihrem Garten in München oder bei Dijon gezogen. Wer ihr vorangegangenes Buch "Von seltenen Vögel" gelesen hat, wird sich vielleicht noch an Oskar und Magdalena Heinroth erinnern, die für das Monumentalwerk "Die Vögel Mitteleuropas" auf den Fensterbrettern, Bücherbords und Abstelltischchen ihrer Berliner Wohnung sämtliche von ihnen beschriebenen Tiere von Hand aufpäppelten. Die gleiche Vorgehensweise erlaubt es Albus, jeder Blume auch eine praktische Anleitung beizugeben, wie sie im Garten zu halten sei. Sie kennt ihre Empfindlichkeiten. Die eine verlangt mit einem Karton vor Spätfrost geschützt werden, die andere verabscheut kalkhaltiges Wasser und man darf sie nicht mit Leitungswasser gießen.
Es sind nicht die ins Auge stechenden, großen fleischigen Prachtblumen der Tropen oder Gewächshäuser, die uns Albus näherbringt, sondern kleine Organismen. Zwischen Kieseln in Kaschmir blühend oder auf den sandigen Hochplateaus Mexikos haben sie eine beharrliche Eigenständigkeit entwickelt, die sie auch in unseren Gärten weiter behaupten. Neben zahlreichen Dichtern und Forschern zitiert Albus Carl von Linnés Entdeckung der Blumenpünktlichkeit, die Verlässlichkeit, mit der sich Arten zu bestimmten Uhrzeiten öffnen oder schließen. Der schwedische Naturforscher legte ein rundes Beet an, in der er die Arten so anordnete, dass er wie auf einem Ziffernblatt nach dem Blütenstand die Tagesstunden ablesen konnte. Bei bewölkten Himmel oder Nieselregen verschliefen manche Blumen die Zeit.
In der von Müdigkeit übermannten Blüte wird sich manch einer von uns wiedererkennen und bei der Lektüre noch weitere Doppelgänger treffen. Zum Beispiel die Bienen, die Pflanzen nach der Farbe wählen. Oder die Nacktschnecke, die von Commelina tuberosa L., deren Wurzelknollen als Gemüse gekocht werden, die jungen Triebe schätzt. Zwischen all diesen Lebewesen finden wir uns in diesem wunderbaren Buch wieder. Wir Bienenäugige, Schneckenzüngige.
- Anita Albus: "Das botanische Schauspiel".
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 192 S., br., Abb., 40,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fein wie Albrecht Dürers Rasenstück hat Anita Albus Blumen gemalt und ein Buch dazu geschrieben. Ist so ein Vorhaben hoffnungslos veraltet? Gar nicht. Es ist eine betörende Entdeckungsfahrt in eine Welt mit seltsamen Doppelgängern - sie führen vor, was Kunst und Literatur im besten Sinne leisten können.
Von Julia Voss
Für alle, die glauben, Blumenbücher eher nicht zu mögen, diese kleine Geschichte vorab: Vor etwa zwanzig Jahren stand Anita Albus, die Autorin des Buches, im Badezimmer ihrer Münchner Wohnung, zähneputzend vielleicht, als nebenan mit großem Getöse die Stuckdecke ihres Schlafzimmers auf das Bett herunterkrachte. Wie gesagt, die Autorin befand sich in Sicherheit; weil aber die Wohnung wegen der Statik danach für Monate mit Holzbalken abgestützt wurde, bot ihr nun Daniel Spoerri, damals Professor an der Münchner Kunstakademie, ein Atelier als Ausweichquartier zum Arbeiten an. Und unter den Blicken der entsetzten Studenten der Kunstakademie malte sie nun Blumen. Zarte, filigrane, fingerdünne. So fein wie in Dürers Rasenstück.
Die Anekdote erzählt Albus im Postscriptum ihres Buchs, sie verrät das Gespür für das wohl auf den ersten Blick etwas Ulkige ihres Unterfangens. Blumen malen, wo doch vor kurzem die Aussicht auf eine High-Tech-Botanisiertrommel Furore machte: In Zukunft, prophezeite ein Forscher, müssten Pflanzen nur noch in ein Gerät mit Gen-Sequenzierer geschmissen werden - die Artzugehörigkeit würde dann automatisch ausgespuckt. Ein Buch mit Blumenbildern könnte da leicht zwischen die Stühle fallen, wissenschaftlich wie künstlerich hoffnungslos veraltet. Brauchen wir also ein solches Buch?
Ja, wir brauchen es. Erstens, weil man sich den technologischen Fortschritt so rosig ausmalen mag, wie man will, am Zeichnen kommt die Biologie bis heute nicht vorbei. Ganz gleich ob Tier oder Pflanze - in den meisten Bestimmungsbüchern lernen wir sie gezeichnet kennen, nicht fotografiert und schon gar nicht sequenziert. Das Besondere einer Art verstehen wir im Bild, in der Zeichnung, die unseren Blick lenkt. Dass neue Technologien in die Biologie eingezogen sind, heißt nicht, die alten wären damit obsolet geworden. Es ist schlicht falsch, sich Wissenschaft nur zwischen surrenden Apparaten und in maschinengetriebenen Labors vorzustellen. Und zweitens brauchen wir dieses Buch, weil es Satz für Satz ins Ohr kriecht, Bild für Bild in den Kopf. "Das botanische Schauspiel" ist natürlich kein Feldführer, sondern eine betörende Entdeckungsfahrt in das Reich knapp unterhalb unserer Knie. Wir erleben das, was Literatur und Kunst im besten Sinne leisten können: die Tür in eine andere Welt aufzustoßen.
Doch zunächst zum Aufbau: Jede der vierundzwanzig Pflanzen in diesem Band wurde, wie der Titel ankündigt, "nach dem Leben gemalt und beschrieben". Nach dem Leben - das ist eine tradierte Formel der naturhistorischen Buchillustration, mit der Zeichner in der Vergangenheit die Authentizität der Überlieferung garantierten. Bei Alfred Edmund Brehms Mitarbeitern für das "Illustrirte Thierleben" hieß das im neunzehnten Jahrhundert: Ich habe dieses Tier mit eigenen Augen gesehen und nicht nach Vorlagen kopiert.
Genau dieser Mühe hat sich auch Albus unterzogen. Ohne Vorzeichnungen wurde jede Blume mit dem Pinsel direkt auf das Papier gesetzt, der weiße Aquarellpapiergrund zuvor mit Pigment eingefärbt. Sechs Wochen brauchte sie allein um Meconopsis betonicifolia Franch. zu malen, eine blau blühende Mohnpflanze, deren Blätter in der Vase sich binnen fünf Minuten in "verkohlte Lappen" verwandeln. Vor allem aber hat Albus jede Pflanze aus einem Samen in ihrem Garten in München oder bei Dijon gezogen. Wer ihr vorangegangenes Buch "Von seltenen Vögel" gelesen hat, wird sich vielleicht noch an Oskar und Magdalena Heinroth erinnern, die für das Monumentalwerk "Die Vögel Mitteleuropas" auf den Fensterbrettern, Bücherbords und Abstelltischchen ihrer Berliner Wohnung sämtliche von ihnen beschriebenen Tiere von Hand aufpäppelten. Die gleiche Vorgehensweise erlaubt es Albus, jeder Blume auch eine praktische Anleitung beizugeben, wie sie im Garten zu halten sei. Sie kennt ihre Empfindlichkeiten. Die eine verlangt mit einem Karton vor Spätfrost geschützt werden, die andere verabscheut kalkhaltiges Wasser und man darf sie nicht mit Leitungswasser gießen.
Es sind nicht die ins Auge stechenden, großen fleischigen Prachtblumen der Tropen oder Gewächshäuser, die uns Albus näherbringt, sondern kleine Organismen. Zwischen Kieseln in Kaschmir blühend oder auf den sandigen Hochplateaus Mexikos haben sie eine beharrliche Eigenständigkeit entwickelt, die sie auch in unseren Gärten weiter behaupten. Neben zahlreichen Dichtern und Forschern zitiert Albus Carl von Linnés Entdeckung der Blumenpünktlichkeit, die Verlässlichkeit, mit der sich Arten zu bestimmten Uhrzeiten öffnen oder schließen. Der schwedische Naturforscher legte ein rundes Beet an, in der er die Arten so anordnete, dass er wie auf einem Ziffernblatt nach dem Blütenstand die Tagesstunden ablesen konnte. Bei bewölkten Himmel oder Nieselregen verschliefen manche Blumen die Zeit.
In der von Müdigkeit übermannten Blüte wird sich manch einer von uns wiedererkennen und bei der Lektüre noch weitere Doppelgänger treffen. Zum Beispiel die Bienen, die Pflanzen nach der Farbe wählen. Oder die Nacktschnecke, die von Commelina tuberosa L., deren Wurzelknollen als Gemüse gekocht werden, die jungen Triebe schätzt. Zwischen all diesen Lebewesen finden wir uns in diesem wunderbaren Buch wieder. Wir Bienenäugige, Schneckenzüngige.
- Anita Albus: "Das botanische Schauspiel".
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 192 S., br., Abb., 40,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hannelore Schlaffer ist von der anheimelnden Altertümlichkeit dieses Büchleins, in dem Anita Albus 24 Pflanzen gezeichnet und sie mit biografischen Skizzen ihrer Entdecker und der Geschichte der jeweiligen Pflanze sowie mit Anleitungen zur Pflege ergänzt hat, entzückt. Die mit feinem Pinsel gemalten Pflanzendarstellungen sind ganz offensichtlich an der Buchmalerei des Mittelalters und der Renaissance geschult, stellt die Rezensent fest, wobei sie allerdings einräumen muss, dass hinter den historischen Buchilluminationen jede heutige Malkunst zurückbleibt. Trotzdem ist sie von der Anmut und der Aufmerksamkeit, die diesen Bildern zugrunde liegt, sehr angetan, die, wie sie findet, durch die betonte Sachlichkeit der Texte noch verstärkt werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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