Aufstieg und Niedergang einer Weltmacht
Peter Wende entwirft in seinem umfassenden Werk ein facettenreiches Bild der Geschichte des Britischen Empire. Die differenzierte Darstellung reicht von den mittelalterlichen Voraussetzungen und Anfängen über die imperiale Außen- und Reichspolitik während der Frühen Neuzeit bis zur britischen Kolonialherrschaft in Amerika, Asien und Afrika und der Auflösung des Weltreichs im 20. Jahrhundert.
Peter Wende gilt als einer der besten Kenner der englischen Geschichte. Hier fragt er nach den Ursachen und Folgen der Tatsache, daß eine Insel am Rande Europas für mehr als zwei Jahrhunderte das Zentrum eines weltumspannenden ökonomischen und politischen Beziehungsgeflechts bildete. So rückt er bestimmte Faktoren, Phasen und Schauplätze des Geschehens bewußt in den Vordergrund: die Entwicklung des Überseehandels und den Ausbau der Kriegsflotte, die Entstehung der amerikanischen Siedlungskolonien und deren Entlassung in die Unabhängigkeit, das Wechselspiel von europäischer Mächtepolitik und dem Ausbau einer globalen Machtposition, das Verhältnis von politischer Herrschaft und (privaten) wirtschaftlichen Interessen, die Instrumente und Techniken kolonialer Herrschaft in Indien und Afrika, die Mechanismen der Expansion sowie schließlich die Auswirkungen imperialer Herrschaft auf das Mutterland, die Befreiungskämpfe und die Dekolonisation in der spezifischen Form des Commonwealth.
Peter Wende entwirft in seinem umfassenden Werk ein facettenreiches Bild der Geschichte des Britischen Empire. Die differenzierte Darstellung reicht von den mittelalterlichen Voraussetzungen und Anfängen über die imperiale Außen- und Reichspolitik während der Frühen Neuzeit bis zur britischen Kolonialherrschaft in Amerika, Asien und Afrika und der Auflösung des Weltreichs im 20. Jahrhundert.
Peter Wende gilt als einer der besten Kenner der englischen Geschichte. Hier fragt er nach den Ursachen und Folgen der Tatsache, daß eine Insel am Rande Europas für mehr als zwei Jahrhunderte das Zentrum eines weltumspannenden ökonomischen und politischen Beziehungsgeflechts bildete. So rückt er bestimmte Faktoren, Phasen und Schauplätze des Geschehens bewußt in den Vordergrund: die Entwicklung des Überseehandels und den Ausbau der Kriegsflotte, die Entstehung der amerikanischen Siedlungskolonien und deren Entlassung in die Unabhängigkeit, das Wechselspiel von europäischer Mächtepolitik und dem Ausbau einer globalen Machtposition, das Verhältnis von politischer Herrschaft und (privaten) wirtschaftlichen Interessen, die Instrumente und Techniken kolonialer Herrschaft in Indien und Afrika, die Mechanismen der Expansion sowie schließlich die Auswirkungen imperialer Herrschaft auf das Mutterland, die Befreiungskämpfe und die Dekolonisation in der spezifischen Form des Commonwealth.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2008Rule, Britannia!
Eine kompakte Geschichte des Britischen Empire
Peter Wendes Werk über das Britische Empire ist nicht im eigentlichen Sinne ein Wirtschaftsbuch, sondern eine aus der Perspektive eines erfahrenen Allgemeinhistorikers verfasste Geschichte eines der größten Weltreiche der Menschheit. Sein Verfasser lehrte als Professor an der Universität in Frankfurt am Main und leitete zwischen 1994 und 2000 das Deutsche Historische Institut in London. Doch gerade diese nicht fachspezifische Geschichtsschreibung macht die Lektüre des flüssig und verständlich geschriebenen Buches auch aus ökonomischer Sicht spannend und lehrreich. Sie zeigt, dass es keiner ökonomischen Brille bedarf, um die gewaltige wirtschaftliche Bedeutung des Empire zu erkennen.
Das gilt vor allem für das erste Empire, das Wende im Einklang mit der Gründung der Kolonie Virginia im Jahre 1607 beginnen und mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kolonien im Frieden von Paris 1783 enden lässt. Das erste britische Weltreich war ein von merkantilistischem Geist erfülltes Handelsimperium, erobert und erschlossen meist durch private Initiativen, die mit Genehmigung der Krone agierten. Es verband sich Unternehmergeist mit dem Willen von Kolonisten, dem sozialen Elend in der Heimat zu entfliehen. Hier und da begünstigten religiöse Motive die Auswanderung. Die geographischen Schwerpunkte dieses Reiches, dem Großbritannien seine Weltmachtstellung verdankt, lagen in Nordamerika und in der Karibik. Mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten verlor das erste Empire jedoch seine wichtigste außereuropäische Machtbasis.
Dass sich dem ersten Empire ein zweites Weltreich (1784 bis 1960) anschloss, hat vor allem mit der britischen Machtentfaltung in Indien zu tun, denn der bevölkerungsreiche Subkontinent wurde zum Dreh- und Angelpunkt des britischen Imperialismus, der sich anschließend mächtig entfaltete: Weitere Teile Asiens wie Burma und Singapur, Australien und Neuseeland sowie ein beachtlicher Teil Afrikas gerieten unter Kontrolle der britischen Krone.
Nun waren es allerdings nicht mehr private Handelsgesellschaften, sondern der Staat, der die Expansion vorantrieb und sicherte. In der Praxis lag wegen der großen Entfernungen und der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten ein erheblicher Teil der Macht bei der Verwaltung vor Ort; zentralistisch ließ sich das Empire nicht regieren. Entsprechend verschieden wurden die Kolonien und Protektorate geführt - manchmal eher zurückhaltend wie in Australien, manchmal aber auch geradezu despotisch wie im Falle Indiens. Die Unabhängigkeit Indiens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde denn auch zum Sargnagel des Empire, für das es aber auch in London kaum mehr Verteidiger gab.
Abschließend bleibt die Frage: Hat sich das Empire für Großbritannien wirtschaftlich gelohnt? Eine klare Rechnung ist nicht möglich. Fachhistoriker, die sich diesem Thema gewidmet haben, sind, je nach der betrachteten Epoche, zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangt. Das erste Empire dürfte sich rentiert haben, allerdings mit der Ausnahme des kostspieligen amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Das zweite Empire war vermutlich weit bis in das 19. Jahrhundert rentabel, ehe das Zeitalter des Imperialismus die Kosten für Erschließung und militärische Sicherung der Kolonien und Protektorate in die Höhe schießen ließ. Die Bilanz für das 20. Jahrhundert fällt aber wohl, vor allem wegen der erheblichen Kosten für das Militär, negativ aus.
Abseits aller Zahlenspiele bleiben zwei Befunde. Das Vertrauen auf sichere wirtschaftliche Ressourcen aus den verschiedenen Teilen des Empire hat im 20. Jahrhundert wahrscheinlich die wirtschaftliche Sklerose Großbritanniens begünstigt und den notwendigen Strukturwandel zumindest verzögert.
Auf der Habenseite stand jedoch, dass die auswärtigen Besitzungen dem Heimatland als Karriereort und Zufluchtsstation dienten - sei es als Sträflingskolonie wie Australien, sei es als Gelegenheit für bestenfalls mittelprächtig talentierte Söhne des Adels und des Bürgertums, passable Laufbahnen beim Militär oder in der Verwaltung einzuschlagen. Die Funktion des Empire als Ventil für sozialen Druck im Heimatland gilt damit als eine Erklärung, warum Großbritannien im Unterschied zu vielen europäischen Staaten in den letzten Jahrhunderten keine Revolution erlebte.
GERALD BRAUNBERGER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine kompakte Geschichte des Britischen Empire
Peter Wendes Werk über das Britische Empire ist nicht im eigentlichen Sinne ein Wirtschaftsbuch, sondern eine aus der Perspektive eines erfahrenen Allgemeinhistorikers verfasste Geschichte eines der größten Weltreiche der Menschheit. Sein Verfasser lehrte als Professor an der Universität in Frankfurt am Main und leitete zwischen 1994 und 2000 das Deutsche Historische Institut in London. Doch gerade diese nicht fachspezifische Geschichtsschreibung macht die Lektüre des flüssig und verständlich geschriebenen Buches auch aus ökonomischer Sicht spannend und lehrreich. Sie zeigt, dass es keiner ökonomischen Brille bedarf, um die gewaltige wirtschaftliche Bedeutung des Empire zu erkennen.
Das gilt vor allem für das erste Empire, das Wende im Einklang mit der Gründung der Kolonie Virginia im Jahre 1607 beginnen und mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kolonien im Frieden von Paris 1783 enden lässt. Das erste britische Weltreich war ein von merkantilistischem Geist erfülltes Handelsimperium, erobert und erschlossen meist durch private Initiativen, die mit Genehmigung der Krone agierten. Es verband sich Unternehmergeist mit dem Willen von Kolonisten, dem sozialen Elend in der Heimat zu entfliehen. Hier und da begünstigten religiöse Motive die Auswanderung. Die geographischen Schwerpunkte dieses Reiches, dem Großbritannien seine Weltmachtstellung verdankt, lagen in Nordamerika und in der Karibik. Mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten verlor das erste Empire jedoch seine wichtigste außereuropäische Machtbasis.
Dass sich dem ersten Empire ein zweites Weltreich (1784 bis 1960) anschloss, hat vor allem mit der britischen Machtentfaltung in Indien zu tun, denn der bevölkerungsreiche Subkontinent wurde zum Dreh- und Angelpunkt des britischen Imperialismus, der sich anschließend mächtig entfaltete: Weitere Teile Asiens wie Burma und Singapur, Australien und Neuseeland sowie ein beachtlicher Teil Afrikas gerieten unter Kontrolle der britischen Krone.
Nun waren es allerdings nicht mehr private Handelsgesellschaften, sondern der Staat, der die Expansion vorantrieb und sicherte. In der Praxis lag wegen der großen Entfernungen und der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten ein erheblicher Teil der Macht bei der Verwaltung vor Ort; zentralistisch ließ sich das Empire nicht regieren. Entsprechend verschieden wurden die Kolonien und Protektorate geführt - manchmal eher zurückhaltend wie in Australien, manchmal aber auch geradezu despotisch wie im Falle Indiens. Die Unabhängigkeit Indiens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde denn auch zum Sargnagel des Empire, für das es aber auch in London kaum mehr Verteidiger gab.
Abschließend bleibt die Frage: Hat sich das Empire für Großbritannien wirtschaftlich gelohnt? Eine klare Rechnung ist nicht möglich. Fachhistoriker, die sich diesem Thema gewidmet haben, sind, je nach der betrachteten Epoche, zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangt. Das erste Empire dürfte sich rentiert haben, allerdings mit der Ausnahme des kostspieligen amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Das zweite Empire war vermutlich weit bis in das 19. Jahrhundert rentabel, ehe das Zeitalter des Imperialismus die Kosten für Erschließung und militärische Sicherung der Kolonien und Protektorate in die Höhe schießen ließ. Die Bilanz für das 20. Jahrhundert fällt aber wohl, vor allem wegen der erheblichen Kosten für das Militär, negativ aus.
Abseits aller Zahlenspiele bleiben zwei Befunde. Das Vertrauen auf sichere wirtschaftliche Ressourcen aus den verschiedenen Teilen des Empire hat im 20. Jahrhundert wahrscheinlich die wirtschaftliche Sklerose Großbritanniens begünstigt und den notwendigen Strukturwandel zumindest verzögert.
Auf der Habenseite stand jedoch, dass die auswärtigen Besitzungen dem Heimatland als Karriereort und Zufluchtsstation dienten - sei es als Sträflingskolonie wie Australien, sei es als Gelegenheit für bestenfalls mittelprächtig talentierte Söhne des Adels und des Bürgertums, passable Laufbahnen beim Militär oder in der Verwaltung einzuschlagen. Die Funktion des Empire als Ventil für sozialen Druck im Heimatland gilt damit als eine Erklärung, warum Großbritannien im Unterschied zu vielen europäischen Staaten in den letzten Jahrhunderten keine Revolution erlebte.
GERALD BRAUNBERGER
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rundum positiv bespricht Caspar Hirschi Peter Wendes Abhandlung über "Das britische Empire", eine Einführung in die Geschichte des ehemaligen Weltreichs, die das Thema als ein komplexes "Beziehungsgeflecht" darstellt. Unter Verzicht auf pauschale Urteile eröffne der Historiker und hervorragende Kenner der Materie einen Blick auf die Vielschichtigkeit und Fragilität eines weltumspannenden Herrschaftssystems, berichtet der Rezensent angetan. Besonders erfreulich findet er die bedingungslose Multiperspektivität von Wendes Ansatz, und identifiziert weitere Faktoren, die die Qualität des Buches stärken: die klare chronologische Struktur, die "flüssige" Prosa und die fachkundige Expertise sowohl in politik-, wirtschafts- als auch kulturgeschichtlichen Belangen. Lobend erwähnt er zudem, wie Wende, den er unter Vorbehalt in die Tradition linker Imperialismuskritik stellt, "mit feiner Ironie und auf zeitgenössische Stimmen gestützt, die ideologische Verbrämung der britischen Weltherrschaft" hervor hebt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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