Die Siege des Wortes über die Macht.»Die Geschichte der Verbote ist eine Geschichte vom Überleben«, befand Werner Fuld und schrieb die weltweit erste Universalgeschichte der verbotenen Bücher.
Gibt die Nachwelt jedem verbotenen Buch die ihm gebührende Würde zurück, wie Tacitus angesichts einer Bücherverbrennung vor 2000 Jahren prophezeite? Oder lassen die Flammen gar manche Schrift erst in hellem Licht erstrahlen, die sonst im Dunkeln geblieben wäre? Ovid wurde von Kaiser Augustus im Jahre 13 n. Chr. verbannt, auf dem Vatikanischen Index fanden sich zwar Kant und Gregorovius, nie jedoch Hitler, Lenin oder Marx. Mit ihnen befasst sich Fuld ebenso wie mit erotischer und ketzerischer Literatur, mit den Schwarzen Listen unter den Nazis, in der DDR und natürlich auch in der BRD, wo Texte als »staatsgefährdende Schriften« verboten wurden, die als kommunistisch eingestuft wurden oder Kritik an der Bundesregierung oder den Alliierten übten. Noch heute werden hierzulande im Schnittjährlich 300 Bücher verboten, 1995 etwa Bret Easton Ellis' Weltbestseller American Psycho, der erst 2001, nach mehreren Gerichtsverfahren, freigegeben wurde. Fast alle großen Klassiker, von Goethes Werther über Flauberts Madame Bovary und Prousts Récherche bis Joyces Ulysses oder Nabokovs_ Lolita_ (zuerst in einem pornographischen französischen Verlag erschienen, weil niemand sonst es drucken wollte), haben z. T. turbulente Verbotsgeschichten aufzuweisen. Doch Fuld widmet sich nicht nur der westlichen Welt. Auch China, Russland und die islamischen Länder hat er im Fokus. Weltweit ist die Liste verbotener Bücher schier endlos, und ständig kommen neue hinzu. Grund genug, ihnen und ihrer Geschichte endlich ein eigenes Buch zu widmen.
Gibt die Nachwelt jedem verbotenen Buch die ihm gebührende Würde zurück, wie Tacitus angesichts einer Bücherverbrennung vor 2000 Jahren prophezeite? Oder lassen die Flammen gar manche Schrift erst in hellem Licht erstrahlen, die sonst im Dunkeln geblieben wäre? Ovid wurde von Kaiser Augustus im Jahre 13 n. Chr. verbannt, auf dem Vatikanischen Index fanden sich zwar Kant und Gregorovius, nie jedoch Hitler, Lenin oder Marx. Mit ihnen befasst sich Fuld ebenso wie mit erotischer und ketzerischer Literatur, mit den Schwarzen Listen unter den Nazis, in der DDR und natürlich auch in der BRD, wo Texte als »staatsgefährdende Schriften« verboten wurden, die als kommunistisch eingestuft wurden oder Kritik an der Bundesregierung oder den Alliierten übten. Noch heute werden hierzulande im Schnittjährlich 300 Bücher verboten, 1995 etwa Bret Easton Ellis' Weltbestseller American Psycho, der erst 2001, nach mehreren Gerichtsverfahren, freigegeben wurde. Fast alle großen Klassiker, von Goethes Werther über Flauberts Madame Bovary und Prousts Récherche bis Joyces Ulysses oder Nabokovs_ Lolita_ (zuerst in einem pornographischen französischen Verlag erschienen, weil niemand sonst es drucken wollte), haben z. T. turbulente Verbotsgeschichten aufzuweisen. Doch Fuld widmet sich nicht nur der westlichen Welt. Auch China, Russland und die islamischen Länder hat er im Fokus. Weltweit ist die Liste verbotener Bücher schier endlos, und ständig kommen neue hinzu. Grund genug, ihnen und ihrer Geschichte endlich ein eigenes Buch zu widmen.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mit einer Universalgeschichte der verbotenen Bücher hat sich Werner Fuld enorm was vorgenommen, staunt Rezensent Klaus Harpprecht, und merkt sogleich an, dass der Titel des Buches ein milder Fall von "Etiquettenschwindel" sei: Einen Universalitätsanspruch erfülle Fuld nicht, könne er gar nicht erfüllen, viel zu groß sei schließlich das zu bestellende Feld. Was den Rezensenten allerdings nicht davon abhält, im Folgenden lauter Versäumnisse Fulds aufzulisten: Hitler habe sich nichts aus Astronomie gemacht, im besetzten Frankreich habe Camus von der Zensur unbehelligt seine bedeutendsten Bücher veröffentlichen dürfen, und der unter anderem von der CIA finanzierte "Congress for Cultural Freedom" - dem auch der Rezensent angehört, wie er bekennt - sei keine "Propagandatruppe" gewesen. So fällt Harpprechts Fazit ernüchtert aus: Fuld habe sich mit diesem Projekt "schlichtweg überhoben".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2012Ideen lassen sich nicht einäschern
Zensoren hatten immer zu tun: Werner Fuld hat eine große Geschichte der Buchverbote verfasst
Eine merkwürdige Konstante in der Geschichte der Buchverbote und -vernichtungen ist, dass das, was einmal brannte, oft langfristig Bestand hatte. Die katholische Kirche etwa - eine Hauptakteurin in Werner Fulds "Buch der verbotenen Bücher" - setzte mit großer Zuverlässigkeit besonders diejenigen Bücher auf den Index, die später mal zu Weltliteratur erklärt wurden: Pascal, Rousseau, Heine, Balzac, viele andere.
Die intellektuelle Vormacht der Kirche wird mit dem Buchdruck zwar langsam gebrochen - wird nun aber bald durch protestantische Zündeleien abgelöst. Calvin lässt schon bald auch die Autoren öffentlich verprügeln und verbrennen, den Urhebern werden nicht selten Hände, Ohren und Zungen abgeschnitten. Luther verstand es, Bücherverbrennungen mit dem Hinweis auf passende Bibelstellen zu legitimieren. Die jesuitische Gegenseite stand den Reformatoren dann in nichts nach. Und 1789 "loderten die Scheiterhaufen für den Sieg des Fortschritts und der Vernunft", wie Fuld schreibt. Dreißig Jahre später gingen in der wiedererstarkten Habsburger-Monarchie die Bücher von Rousseau und Voltaire in Flammen auf.
In Bücherverbrennungen zeigten die Hochkulturen immer wieder ihre destruktive Seite; und barbarische Kulturen zeigten ihre barbarische Seite: Baldur von Schirach, Reichsjugendführer, ließ wider den "jüdischen Zersetzungsgeist", "jüdischen Intellektualismus", "liberale Verfallserscheinungen" und so weiter zündeln. Verbrannt wurden die Bücher von Tucholsky, Zweig, Feuchtwanger, Remarque, Marx, Kästner, Freud und vielen anderen Autoren. Stalin schickte Hunderte Schriftsteller in Arbeitslager und Gefängnisse, und auch die DDR sei, so Fuld, ein "mit stalinistischen Methoden" arbeitendes Unterdrückungs- und Zensursystem gewesen. Die Einfuhr von Werken - wieder einmal Einsteins oder Zweigs - wurde mit jahrelangen Gefängnisstrafen quittiert, und wer etwa Orwells 1984 las, dem drohte Gefängnis. In einem anderen Fall genügte schon die Erwähnung der Existenz von Geheimdiensten in kommunistischen Staaten für ein Buchverbot. Bücherverbrennungen gab es in der DDR nicht, der Spitzelstaat entledigte sich unbequemer Autoren subtiler.
Je entlarvender das Werk, desto höher schlagen die Flammen. In der Sowjetunion wurde Evgenij Zamjatins Roman "Wir" sehr schnell verboten. Er war die durchsichtige Beschreibung des realen Sozialismus. "Ist die Freiheit des Menschen gleich null, dann begeht er auch keine Verbrechen. Das einzige Mittel, den Menschen vor Verbrechen zu bewahren, ist also, ihn vor der Freiheit zu bewahren", wird der Machtapparat darin zitiert. Da klang der Kommunist so teuflisch fürsorglich wie der Papst in Dostojewskis Großinquisitor.
Es gab freilich immer auch unpolitische Gründe, ein Buch zu verbrennen, etwa Verletzungen eines zu verteidigenden Moralgefühls. Selbst Tarzan-Hefte fanden die Zensoren in der frühen BRD sittengefährdend. Fuld arbeitet sich durch vermintes Gelände bis in die Gegenwart vor, in der wieder religiöser Fundamentalismus die Flammen treibt. Vor zehn Jahren brannten in amerikanischen Gottesdiensten "Harry Potter"-Romane. Puritaner in den Vereinigten Staaten hatten schon im neunzehnten Jahrhundert allerhand Werke den Flammen übergeben, allein der Großzensor Anthony Comstock brachte in Amerika mehr als viertausend Menschen in seinem Kampf "gegen das Laster" ins Gefängnis. In Ägypten verbrannten islamische Fundamentalisten arabische Gedichtbände Abu Nuwas', in der Türkei richtete sich der Zorn gegen Werke Orhan Pamuks, und in Iran erging die Todes-Fatwa gegen Salman Rushdie.
Im Rückblick aber zeigen sich die Buchscheiterhaufen als vergebliche Mühe: Die Ideen der Verfemten ließen sich nicht einäschern, weil Exemplare überdauerten, Zensoren Ironie und Doppelsinn übersahen oder ein Leser wie Cassius Severus im Alten Rom die Werke auswendig lernte. Im Zeitlauf wüchsen die Autorität und der Ruhm der Verfolgten, und die Herrscher hätten für sich nichts erreicht als Schande, schrieb Tacitus - vor 2000 Jahren. Am Ende ist der Zensor eine Witzfigur.
JAN GROSSARTH
Werner Fuld: "Das Buch der verbotenen Bücher". Universalgeschichte des Verfolgten und Verfemten von der Antike bis heute.
Galiani Verlag, Berlin 2012. 368 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zensoren hatten immer zu tun: Werner Fuld hat eine große Geschichte der Buchverbote verfasst
Eine merkwürdige Konstante in der Geschichte der Buchverbote und -vernichtungen ist, dass das, was einmal brannte, oft langfristig Bestand hatte. Die katholische Kirche etwa - eine Hauptakteurin in Werner Fulds "Buch der verbotenen Bücher" - setzte mit großer Zuverlässigkeit besonders diejenigen Bücher auf den Index, die später mal zu Weltliteratur erklärt wurden: Pascal, Rousseau, Heine, Balzac, viele andere.
Die intellektuelle Vormacht der Kirche wird mit dem Buchdruck zwar langsam gebrochen - wird nun aber bald durch protestantische Zündeleien abgelöst. Calvin lässt schon bald auch die Autoren öffentlich verprügeln und verbrennen, den Urhebern werden nicht selten Hände, Ohren und Zungen abgeschnitten. Luther verstand es, Bücherverbrennungen mit dem Hinweis auf passende Bibelstellen zu legitimieren. Die jesuitische Gegenseite stand den Reformatoren dann in nichts nach. Und 1789 "loderten die Scheiterhaufen für den Sieg des Fortschritts und der Vernunft", wie Fuld schreibt. Dreißig Jahre später gingen in der wiedererstarkten Habsburger-Monarchie die Bücher von Rousseau und Voltaire in Flammen auf.
In Bücherverbrennungen zeigten die Hochkulturen immer wieder ihre destruktive Seite; und barbarische Kulturen zeigten ihre barbarische Seite: Baldur von Schirach, Reichsjugendführer, ließ wider den "jüdischen Zersetzungsgeist", "jüdischen Intellektualismus", "liberale Verfallserscheinungen" und so weiter zündeln. Verbrannt wurden die Bücher von Tucholsky, Zweig, Feuchtwanger, Remarque, Marx, Kästner, Freud und vielen anderen Autoren. Stalin schickte Hunderte Schriftsteller in Arbeitslager und Gefängnisse, und auch die DDR sei, so Fuld, ein "mit stalinistischen Methoden" arbeitendes Unterdrückungs- und Zensursystem gewesen. Die Einfuhr von Werken - wieder einmal Einsteins oder Zweigs - wurde mit jahrelangen Gefängnisstrafen quittiert, und wer etwa Orwells 1984 las, dem drohte Gefängnis. In einem anderen Fall genügte schon die Erwähnung der Existenz von Geheimdiensten in kommunistischen Staaten für ein Buchverbot. Bücherverbrennungen gab es in der DDR nicht, der Spitzelstaat entledigte sich unbequemer Autoren subtiler.
Je entlarvender das Werk, desto höher schlagen die Flammen. In der Sowjetunion wurde Evgenij Zamjatins Roman "Wir" sehr schnell verboten. Er war die durchsichtige Beschreibung des realen Sozialismus. "Ist die Freiheit des Menschen gleich null, dann begeht er auch keine Verbrechen. Das einzige Mittel, den Menschen vor Verbrechen zu bewahren, ist also, ihn vor der Freiheit zu bewahren", wird der Machtapparat darin zitiert. Da klang der Kommunist so teuflisch fürsorglich wie der Papst in Dostojewskis Großinquisitor.
Es gab freilich immer auch unpolitische Gründe, ein Buch zu verbrennen, etwa Verletzungen eines zu verteidigenden Moralgefühls. Selbst Tarzan-Hefte fanden die Zensoren in der frühen BRD sittengefährdend. Fuld arbeitet sich durch vermintes Gelände bis in die Gegenwart vor, in der wieder religiöser Fundamentalismus die Flammen treibt. Vor zehn Jahren brannten in amerikanischen Gottesdiensten "Harry Potter"-Romane. Puritaner in den Vereinigten Staaten hatten schon im neunzehnten Jahrhundert allerhand Werke den Flammen übergeben, allein der Großzensor Anthony Comstock brachte in Amerika mehr als viertausend Menschen in seinem Kampf "gegen das Laster" ins Gefängnis. In Ägypten verbrannten islamische Fundamentalisten arabische Gedichtbände Abu Nuwas', in der Türkei richtete sich der Zorn gegen Werke Orhan Pamuks, und in Iran erging die Todes-Fatwa gegen Salman Rushdie.
Im Rückblick aber zeigen sich die Buchscheiterhaufen als vergebliche Mühe: Die Ideen der Verfemten ließen sich nicht einäschern, weil Exemplare überdauerten, Zensoren Ironie und Doppelsinn übersahen oder ein Leser wie Cassius Severus im Alten Rom die Werke auswendig lernte. Im Zeitlauf wüchsen die Autorität und der Ruhm der Verfolgten, und die Herrscher hätten für sich nichts erreicht als Schande, schrieb Tacitus - vor 2000 Jahren. Am Ende ist der Zensor eine Witzfigur.
JAN GROSSARTH
Werner Fuld: "Das Buch der verbotenen Bücher". Universalgeschichte des Verfolgten und Verfemten von der Antike bis heute.
Galiani Verlag, Berlin 2012. 368 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main