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»Das Buch der von Neil Young Getöteten« ist mehr als nur das schönste, klügste, verrückteste Buch, das je über Rockmusik geschrieben wurde - es ist eine Hymne auf das Leben. Mit den berüchtigten Dreimonatskoliken fängt es an - Abend für Abend windet sich die neugeborene Tochter des Erzählers in Krämpfen. Das einzige wirksame Gegenmittel: die Songs von Neil Young. Für Vater und Tochter beginnt eine Reise durch den Kosmos des kanadischen Musikers hin zu den verlorenen Illusionen und flüchtigen Augenblicken des Glücks. Mit leichter Hand verwebt Navid Kermani den Alltag einer jungen Familie mit…mehr

Produktbeschreibung
»Das Buch der von Neil Young Getöteten« ist mehr als nur das schönste, klügste, verrückteste Buch, das je über Rockmusik geschrieben wurde - es ist eine Hymne auf das Leben. Mit den berüchtigten Dreimonatskoliken fängt es an - Abend für Abend windet sich die neugeborene Tochter des Erzählers in Krämpfen. Das einzige wirksame Gegenmittel: die Songs von Neil Young. Für Vater und Tochter beginnt eine Reise durch den Kosmos des kanadischen Musikers hin zu den verlorenen Illusionen und flüchtigen Augenblicken des Glücks. Mit leichter Hand verwebt Navid Kermani den Alltag einer jungen Familie mit den großen Lebensfragen, und wie nebenbei wird klar, wo noch Splitter vom Paradies zu finden wären: nicht nur in der Musik.
Autorenporträt
Navid Kermani, geboren 1967 in Siegen, lebt als freier Autor in Köln. Er ist habilitierter Orientalist, Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Hamburger Akademie der Wissenschaften. Für sein akademisches und sein literarisches Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Kleist-Preis (2012) und dem Hannah-Arendt-Preis sowie der Buber-Rosenzweig-Medaille (2011).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2017

Die rettende Eingebung

Navid Kermani erinnert daran, dass Rockmusik das Leben besser macht und sogar Kinder beruhigen kann.

Von Cem Özdemir

Ich kann diesem Buch allenfalls einen Vorwurf machen: Sein Titel hat mich arglistig in die Irre geführt. Der Tod ist zwar bei Neil Young wiederkehrendes Thema. Aber Navid Kermani geht es vor allem um Erlösung.

Der Autor hat eine neugeborene Tochter. Auf das große Glück legen sich nach zehn Tagen Schatten: Drei-Monats-Kolik, "drei Monate der Folter", wie er es nennt. Wer sein Kind einmal schreiend durch die Wohnung getragen hat, weiß, wie schnell sich die körperlichen Qualen des Babys in Seelenpein der Eltern verwandeln.

Doch am vierten Abend kommt dem Vater die rettende Eingebung. Während die Versuche seiner Frau "mit afrikanischen Weisen oder anderem ethnologischen Material regelmäßig scheiterten oder sich zumindest endlos hinzogen, bis sie endlich von ihrem multikulturellen Starrsinn ließ", legt er Neil Youngs "Last Trip to Tulsa" auf - und seine Tochter beruhigt sich. So sehr, dass die Mutter einige Tage später halb scherzhaft, halb im Ernst fragt, ob man die Tochter "nicht auch mal schreien lassen solle, schließlich stärke das angeblich die Lungen".

Warum ausgerechnet dieser überlange Song von der ersten Soloplatte, den ich zuvor nicht kannte? "Planlos" dresche der Kanadier auf seine Seiten ein, seine Stimme sei "jämmerlich" hoch und ins "Weinerliche" kippend, "fast fistelig". Für den Unempfänglichen kann diese Musik dilettantisch klingen. Musik, die zwar nicht virtuos im herkömmlichen Sinne ist - aber eben voller Seelen-Pracht. Was wäre besser geeignet, um ein Kind zu heilen?

Nach dem spektakulären Erfolg nimmt Kermani seine Tochter mit auf eine Reise durch einen schier unendlichen musikalischen Kosmos. Die Liebe zur Tochter rückt im Zuge ihrer Genesung in den Hintergrund, die Liebe zur Musik und Poesie Neil Youngs ist es, die Kermani auf 139 Seiten auslebt. Heilende, erlösende, aufwühlende Musik, die sich einen zentralen Platz im Leben des Autors erspielt. Wenn Kermani beschreibt, wie seltene Schattierungen von Youngs Stimme zutage treten, "dunkle, zärtliche und rauhe", dann ist das nicht die Kritik eines Musikjournalisten, auch wenn der Autor nicht unterschlägt, dass es im Werk von Neil Young auch "seichte" und vereinzelt gar "peinliche" Lieder gäbe. Es ist Liebe, die aus Kermani spricht. Beim Lesen des Buchs fühlte ich mich zurückversetzt in die Zeit, als mein erstes Kind geboren war. Es ging mir damals vermutlich so wie vielen anderen jungen Vätern, die sich an ihre neue Rolle herantasten und sich fragen, wie sie eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen. Wie finde ich Zugang zu dem geliebten Geschöpf, das ich da in meinen Armen trage? Über das, was man liebt, so für mich eine Botschaft des Buches. Und bei Kermani ist es Neil Young.

Jeder von uns kennt vermutlich Väter, die versuchen, ihre Kinder mit den eigenen Vorlieben anzustecken. Ich bin auch so einer. Mein Sohn hat gleich Feuer gefangen, als er sah, wie kunstvoll Pete Townshend seine Gitarre zertrümmerte und Keith Moon wie wild auf sein Schlagzeug eindrischt. Meine Tochter hingegen hat dafür nichts übrig, jedenfalls noch nicht. Gegen Hiphop hat The Who in ihrem Fall leider keine Chance. Auch Kermani befürchtet, dass sich seine Tochter kaum jemals wieder so für Neil Young begeistern wird wie in ihrem ersten Lebensjahr. Das Buch ist 2002 erschienen, das Kind ist heute eine junge Frau. Und die musikalische Früherziehung hat offenbar doch Früchte getragen: 2013 beschrieb Kermani in einem Artikel seine Vorfreude auf einen gemeinsamen Konzertbesuch, da sich Neil Young samt seiner Band Crazy Horse angekündigt hatte. Das Kind neben seinem Vater vor der Bühne stehend, mit vor Freude leuchtenden Augen und pochendem Herzen, während Neil Young mal wieder auf seine Gitarre eindrischt, um sie dann "wie zur Entschuldigung, kaum hörbar zu streicheln" - wer dieses Buch liest, versteht meine Rührung angesichts dieser Vorstellung.

Es gibt wohl wenige wie Navid Kermani, die mit solch einer Hingabe zwei ihrer großen Lieben miteinander zu verbinden wissen. Er schreibt in diesem Buch so klug und aufrichtig über Musik und Leben und was das eine mit dem anderen zu tun hat, dass ich mehr als einmal dachte: Es ist eine wunderbare Gabe, Gedanken so in Worte fassen zu können - und ein großes Geschenk, so etwas lesen zu dürfen. Er hat aus seiner Liebe zu Neil Young und zu seiner Tochter ein großes kleines Buch gemacht. Und mich hat es daran erinnert, warum Rockmusik das Leben besser macht. Im Alltagsstress vergesse ich das leider viel zu oft. Danke dafür.

Eine Sache treibt mich noch um: Warum gibt es dieses Buch nicht in englischer Übersetzung? Der Text ist schließlich auch Fanpost auf Weltniveau. Es wäre doch schön, wenn neben vielen anderen auch Neil Young sie lesen könnte.

Cem Özdemir ist Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90 / Die Grünen.

Navid Kermani: "Das Buch der von Neil Young Getöteten". Suhrkamp Taschenbuch, 144 Seiten, 7,99 Euro

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»Es gibt wohl wenige wie Navid Kermani, die mit solch einer Hingabe zwei ihrer großen Lieben miteinander zu verbinden wissen ... ein großes Geschenk, so etwas lesen zu dürfen.« Cem Özdemir Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20170618
»Man möchte, noch im Pyjama, den nächstbesten Plattenladen aufsuchen und sich mit Neil Young eindecken. Mit allem, was es je von ihm gab.«