»Der Tod ist mein Todfeind.« Elias CanettiSein ganzes Leben lang wollte Elias Canetti (1905-1994) dieses Buch schreiben: Von 1942 bis zu seinem Lebensende machte er Aufzeichnungen ausdrücklich »gegen« den Tod und ergänzte sie durch Material aus Philosophie, Literatur, Ethnologie und der Kunst- und Kulturgeschichte. Nie aber formt er daraus die geplante Studie, nie aber schreibt er, wie Peter von Matt in seinem hervorragenden Nachwort formuliert, den ersten Satz. Jetzt erst erscheint, was Canetti selbst nicht zu Ende führen konnte. Sein bewegendes Buch - überwiegend zusammengestellt aus den bisher unveröffentlichten Notaten des Nachlasses - ist die Summe seines Nachdenkens über und gegen den Tod. Ein bisher unsichtbares Hauptwerk des Nobelpreisträgers, der den Tod nicht akzeptieren wollte, ist sichtbar geworden.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.12.2015NEUE TASCHENBÜCHER
Elias Canetti beschimpft
den Tod
„Ich glaube noch immer nicht, daß ich sterben muß, aber ich weiß es . . .“ Das ist das Credo dieses Buches, ein beklemmender Satz, aber auch beruhigend. Der das Lebens-Werk pointiert zusammenfasst, von der dieses „Buch gegen den Tod“ zeugt. Ein Buch, das nie einen Plan hatte, nie einen konkreten Termin zur Veröffentlichung. Ein Drittel von Elias Canettis (1905 - 1994) hinterlassenen Aufzeichnungen sind mit dem Tod befasst, er hatte sie aber nie zu einem richtigen, kohärenten Buch zusammengefügt, hatte nur für Anthologien diverse Passagen ausgewählt, in „Die Provinz des Menschen“ (1973), „Das Geheimherz der Uhr“ (1987) oder „Die Fliegenpein“ (1992). Im „Buch gegen den Tod“ sind diese Passagen nun zusammengebracht mit vielen unveröffentlichten Stücken zum Tod, unter Leitung der Tochter Johanna Canetti.
Ein disparates Buch, das daraus seine Aggressivität zieht. Es gilt, den Tod zu beschimpfen, herunterzumachen, zu denunzieren, auszutricksen und seiner Allmacht zu berauben. Nicht nur ihn – ein Buch gegen den Tod, das ist allemal auch ein Buch gegen Gott, deinen Henker. Vom Paradox wird es bestimmt, von der Punchline. Canetti arbeitet mit der Präzision eines Stand-up comedian. Gern bringt er Apokryphes, erzählt von der anderen Seite her („Adam erdrosselt Gott; Eva sieht zu.“), notiert Buñuels berühmten practical joke vom Sterbebett. Manchmal wird er persönlich, böse gegen Nietzsche oder Max Frisch, hinreißend ist die nicht nachlassende Freude an Dante.
Von 1942 kommen die ersten Aufzeichnungen, den Übergang vom Krieg zum Nachkrieg spürt man am Wechsel im Ton. Die Texte oszillieren, nicht nur bezüglich der Zeit, da sie geschrieben wurden, auch auf die Zeit hin, in der man sie liest. Ist der Tod uns wieder näher? „Mich zwingt niemand am Leben zu bleiben“, heißt es 1945: „Darum liebe ich es so. Es ist wahr, die Späteren, bei denen der Tod verpönt sein wird, werden diese eine größte Spannung nicht mehr kennen, und sie werden uns um etwas beneiden, auf das wir mit Freuden verzichtet hätten.“ FRITZ GÖTTLER
Elias Canetti: Das Buch gegen den Tod. Nachwort Peter von Matt. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2015. 352 Seiten, 10,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Elias Canetti beschimpft
den Tod
„Ich glaube noch immer nicht, daß ich sterben muß, aber ich weiß es . . .“ Das ist das Credo dieses Buches, ein beklemmender Satz, aber auch beruhigend. Der das Lebens-Werk pointiert zusammenfasst, von der dieses „Buch gegen den Tod“ zeugt. Ein Buch, das nie einen Plan hatte, nie einen konkreten Termin zur Veröffentlichung. Ein Drittel von Elias Canettis (1905 - 1994) hinterlassenen Aufzeichnungen sind mit dem Tod befasst, er hatte sie aber nie zu einem richtigen, kohärenten Buch zusammengefügt, hatte nur für Anthologien diverse Passagen ausgewählt, in „Die Provinz des Menschen“ (1973), „Das Geheimherz der Uhr“ (1987) oder „Die Fliegenpein“ (1992). Im „Buch gegen den Tod“ sind diese Passagen nun zusammengebracht mit vielen unveröffentlichten Stücken zum Tod, unter Leitung der Tochter Johanna Canetti.
Ein disparates Buch, das daraus seine Aggressivität zieht. Es gilt, den Tod zu beschimpfen, herunterzumachen, zu denunzieren, auszutricksen und seiner Allmacht zu berauben. Nicht nur ihn – ein Buch gegen den Tod, das ist allemal auch ein Buch gegen Gott, deinen Henker. Vom Paradox wird es bestimmt, von der Punchline. Canetti arbeitet mit der Präzision eines Stand-up comedian. Gern bringt er Apokryphes, erzählt von der anderen Seite her („Adam erdrosselt Gott; Eva sieht zu.“), notiert Buñuels berühmten practical joke vom Sterbebett. Manchmal wird er persönlich, böse gegen Nietzsche oder Max Frisch, hinreißend ist die nicht nachlassende Freude an Dante.
Von 1942 kommen die ersten Aufzeichnungen, den Übergang vom Krieg zum Nachkrieg spürt man am Wechsel im Ton. Die Texte oszillieren, nicht nur bezüglich der Zeit, da sie geschrieben wurden, auch auf die Zeit hin, in der man sie liest. Ist der Tod uns wieder näher? „Mich zwingt niemand am Leben zu bleiben“, heißt es 1945: „Darum liebe ich es so. Es ist wahr, die Späteren, bei denen der Tod verpönt sein wird, werden diese eine größte Spannung nicht mehr kennen, und sie werden uns um etwas beneiden, auf das wir mit Freuden verzichtet hätten.“ FRITZ GÖTTLER
Elias Canetti: Das Buch gegen den Tod. Nachwort Peter von Matt. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2015. 352 Seiten, 10,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Über Prosa "wie sie sonst keiner schrieb" jubiliert Michael Maar bei der Lektüre von Canettis "Buch gegend en Tod". Spürbar begeistert führt der Rezensent den Leser ein in den lebenslangen, in zahlreichen Essays ausgefochtenen Kampf des Autors gegen den Tod. Beinahe täglich schrieb der Literaturnobelpreisträger an seinen Texten gegen den Erzfeind - ohne Erfolg, oder doch?, fragt sich Maar, der dieser Stimme aus dem Grab genüsslich lauscht. Eine gelungene Leistung, findet Maar. Neben sehr interessanten Bemerkungen über Schriftstellerkollegen und Ameisen sowie Gedanken zur Wiedergeburt und das Töten lobt Maar besonders die "bildreiche und schlanke" Sprache Canettis. Ebenfalls erwähnenswert findet der Rezensent das fulminante Nachwort von Peter von Matt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Canetti zeigt sich hier in seiner ganzen formalen und gedanklichen Breite." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 19.03.14
"Eine geistige Intensivkur." Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten, 15.03.14
"Obwohl die persönliche Auflehnung gegen den Tod das beherrschende Thema ist, lohnt die Lektüre vor allem wegen der vielfältigen Aspekte, die der Tod für Canetti hatte." Armin Ayren, Stuttgarter Zeitung, 17.04.14
"Kein Tod geht zu Ende. Lektüre für Minuten, Denkstoff für viele Stunden." Christine Richard, Basler Zeitung, 17.04.14
"Schreiben, das aus den gewundenen Tiefen des Herzens kommt." Michael Girke, der Freitag, 08.05.14
"Denn auch 20 Jahre nach seinem Tod steht eines fest: Elias Canetti ist quicklebendig - jedenfalls in seinen Schriften." Tobias Schwartz, Der Tagesspiegel, 13.06.14
"Wenn der Hanser Verlag in dieser Saison nur dieses eine Werk veröffentlicht hätte, Canettis 'Buch gegen den Tod', er hätte seinen Job getan." Michael Maar, DieZeit, 18.06.14
"Ein überaus lesenswertes Fragment." Günter Kaindlstorfer, WDR 5, 19.07.14
"Eine geistige Intensivkur." Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten, 15.03.14
"Obwohl die persönliche Auflehnung gegen den Tod das beherrschende Thema ist, lohnt die Lektüre vor allem wegen der vielfältigen Aspekte, die der Tod für Canetti hatte." Armin Ayren, Stuttgarter Zeitung, 17.04.14
"Kein Tod geht zu Ende. Lektüre für Minuten, Denkstoff für viele Stunden." Christine Richard, Basler Zeitung, 17.04.14
"Schreiben, das aus den gewundenen Tiefen des Herzens kommt." Michael Girke, der Freitag, 08.05.14
"Denn auch 20 Jahre nach seinem Tod steht eines fest: Elias Canetti ist quicklebendig - jedenfalls in seinen Schriften." Tobias Schwartz, Der Tagesspiegel, 13.06.14
"Wenn der Hanser Verlag in dieser Saison nur dieses eine Werk veröffentlicht hätte, Canettis 'Buch gegen den Tod', er hätte seinen Job getan." Michael Maar, DieZeit, 18.06.14
"Ein überaus lesenswertes Fragment." Günter Kaindlstorfer, WDR 5, 19.07.14