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Was für ein Leben! Was für ein Werk! Beppe Fenoglios Nachruhm als Autor zeigte sich eindrucksvoll zu seinem 100. Geburtstag, dem 1. März 2022, als ganz Italien ihn würdigte. Zu Lebzeiten beneideten ihn Schriftstellerkollegen wie Italo Calvino um seine Bücher. Umso unbegreiflicher, daß sein legendäres Hauptwerk »Il libro di Johnny« erst jetzt nach sechzig Jahren ins Deutsche übersetzt wird - ein Paukenschlag zu Italiens Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse. »Il libro di Johnny« gilt als eins der großen literarischen Geschichtsmonumente Italiens, wie Elsa Morantes »La Storia«, wie…mehr

Produktbeschreibung
Was für ein Leben! Was für ein Werk! Beppe Fenoglios Nachruhm als Autor zeigte sich eindrucksvoll zu seinem 100. Geburtstag, dem 1. März 2022, als ganz Italien ihn würdigte. Zu Lebzeiten beneideten ihn Schriftstellerkollegen wie Italo Calvino um seine Bücher. Umso unbegreiflicher, daß sein legendäres Hauptwerk »Il libro di Johnny« erst jetzt nach sechzig Jahren ins Deutsche übersetzt wird - ein Paukenschlag zu Italiens Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse. »Il libro di Johnny« gilt als eins der großen literarischen Geschichtsmonumente Italiens, wie Elsa Morantes »La Storia«, wie Giuseppe Tomasi di Lampedusas »Il Gattopardo«, wie Giorgio Bassanis »Il giardino dei Finzi-Contini«, ist verfilmt und Schullektüre. Es ist das Buch über den Kampf gegen die Faschisten, das größte Epos über den Partisa-nenkampf schlechthin, geschrieben von einem, der dabei war. Und es zerstört zugleich das verklärte Bild der edlen Freiheitshelden Italiens - wer dagegen anschrieb, schrieb ge-gen das damals dominante Geschichtsbild an, das diktierte, wie Filme und Bücher auszu-sehen hätten. Doch Beppe Fenoglio wagte zu zeigen, was auf seinen eigenen Erfahrungen als Partisan beruhte: »Il libro di Johnny« erzählt die Geschichte von Johnny, einem Teenager im Piemont, der - ohne jeden Enthusiasmus - als Teil einer öden faschistischen Jugendmiliz, dann als Kadett in einer Militärakademie Italien im Zweiten Weltkrieg erlebt, als die Soldaten fürchten müssen, an der Seite der Deutschen an der Ostfront einen sinnlosen Tod zu sterben. Der von Mädchen träumt, der den Jazz und die Zigaretten liebt und englische Gedichte liest. Als Italiens Marschall Badoglio die Seite wechselt und am 8. September 1943 den Waffenstillstand mit den von Sizilien heranrückenden Allierten schließt, versinkt das Land im Chaos und sieht sich entfesseltem Terror der deutschen Verbündeten entgegen, die nun für einen Teil der Italiener zu Feinden werden. Truppen, die in Norditalien Mussolini weiter die Treue halten, wüten gegen die eigne Bevölkerung, hier herrscht Bürgerkrieg. Und Johnny erlebt selbst in Rom die historische Wende und muß sich entscheiden: für oder gegen die Faschisten. Er ersehnt das »bessere Italien« und schließt sich den erstbesten Partisanen an, den kommunistischen Garibaldini, später den Badoglio-Partisanen. Er erlebt die kurze Partisanenherrschaft in den Hügeln der Langhe südlich seiner Heimatstadt Alba, die brutale Verfolgung - und schließlich die Aussicht auf die Befreiung Italiens. Fenoglios schonungslose Darstellung entfesselter Gewalt aller gegen alle erlaubt nicht länger, die damalige Welt in Gut und Böse zu unterteilen. Vielmehr vollziehen sich unter der Oberfläche eines harten Neorealismus und des Elends kriegerische Ereignisse von archaischer Dimension, von Größe und Niedertracht, die an den Kampf um Troja erinnern. Das ist kein Zufall. Erst unsere Neufassung des Romans macht die Ambitionen des Autors erfahrbar: »Das Buch Johnny« erweist sich als von einem antiken epischen Modell inspiriert. Mit dem ersten Teil, der Johnnys Irrfahrten gewidmet ist, und dem zweiten Teil über Krieg in den piemontesischen Hügeln, greift Fenoglio die Architektur der »Aeneis« auf, wo auf die ersten sechs Bücher, die an die Irrfahrten des Odysseus erinnern, sechs Bücher nach dem Vorbild der Ilias folgen: Mit der Flucht des Königs von Italien aus Rom und der Rückkehr Johnnys in seine Heimatregion beginnt das große Finale. Nachdem halb Italien durchquert wurde, spielt die Handlung nur noch rund um ein Alba, das immer mehr den Platz des mythischen Troja oder des Lavinium des Vergil einnimmt, mit seinem heiligen Fluß und den beiden Armeen - Partisanen und Faschisten - die abwechselnd Belagerer oder Belagerte sind. Wie hier sind Landschaft und Natur stets symbolisch aufgeladen. Neben der Antike bringt die Literaturwissenschaft erstaunliche Einflüsse von »Moby Dick« und englischer Literatur oder des Rhtymus¿ des »Orlando Furioso« von Ariosto ins Spiel. Nicht minder abenteuerlich und eine einzige Irrfahrt ist auch die Editionsgeschichte dieses Romans. Dieses Hauptwerk der italienischen Literatur wurde ursprünglich gar nicht auf Italienisch geschrieben, sondern die erste Fassung auf Englisch - Verbeugung vor der geliebten englischen Literatur und Distanzierung des jungen extravaganten Verfassers von der Sprache, die ihn damals, nach dem Krieg, umgab und abstieß. Es folgten mehrere Fassungen, die allesamt - wie die vorliegende Ausgabe - weiterhin von englischen Begriffen und Passagen durchsetzt sind. Kein Wunder, daß dieses Buch erst einmal bei Verlagen durchfiel ... die sich heute darum reißen würden. Der junge Autor wurde verunsichert, gedrängt, aus seinem Riesenepos eine geglättete Schmalspurfassung zu schneidern, »Primavera di Bellezza« ... Erst nach Fenoglios frühen Tod geriet das Großwerk wieder in den Blick und aus dessen Kern wurde der Roman zusammengesetzt, der 1968 unter dem Titel »Il Partigiano Johnny« berühmt wurde. Nach Jahrzehnten der philologischen Diskussion erschien 2015 die rekonstruierte Langfassung unter dem neuen Titel »Il libro di Johnny« durch Gabriele Pedullà, eine editorische Großtat. Es ist diese umfangreichste, jüngste Fassung, die unserer deutschen Erstausgabe in der Übersetzung Helmut Schulze zugrundeliegt.
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Autorenporträt
Beppe Fenoglios Leben und Werk ist eng mit seiner piemontesischen Heimatstadt Alba verbunden, in der er 1922 geboren wurde, 1963 starb er in Turin. Seine Eltern hatten keinen Sinn für seine literarischen Ambitionen, er arbeitete nach seiner Partisanenzeit für eine Weingroßhandlung. Trotz seines starken Debuts mit den Erzählungen 'I ventitré giorni della città di Alba' (1949) stieß Fenoglio auf Kritik, da er dem angesagzen Neorelismo zu wenig entsprach. Dennoch war er auf bestem Wege zu höchsten literarischen Ehren: Er war 1957 für den Premio Strega nominiert, als dieser Elsa Morante für 'Arturos Insel' zugesprochen wurde. Nach seinem frühen Tod erst wurde sein Rang allgemein anerkannt. Übersetzt in 22 Sprachen, steht die deutsche Entdeckung Fenoglios trotz verstreuter Übersetzungen weitgehend aus.