König Arthur von England sitzt am Vorabend des Kampfes in seinem Kriegszelt. Morgen wird er auf dem Schlachtfeld seinem außerehelichen Sohn Mordred und dessen Heer von Nazi-ähnlichen Schlägern gegenüberstehen. Seine Regentschaft ist Arthur schmerzlich lang geworden. Sein Sinn für Gerechtigkeit und Harmonie zwang ihn, die »zivilisierte Welt« und die berühmte Tafelrunde zu schaffen und die Suche nach dem Heiligen Gral zu fördern.
Nun ist er allein. Er erfüllt seine königlichen Pflichten, indem er gedankenabwesend den täglichen Aktenkram erledigt, und spürt dabei, was er verloren hat und was ihn schmerzt.
Als sich die Zeltklappe bewegt, schaut er auf ...
Nun ist er allein. Er erfüllt seine königlichen Pflichten, indem er gedankenabwesend den täglichen Aktenkram erledigt, und spürt dabei, was er verloren hat und was ihn schmerzt.
Als sich die Zeltklappe bewegt, schaut er auf ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2001Wer dieses Schwert aus dem Amboß zieht, ist der rechtmäßige König
Und wer die Feder für Artus ins Tintenfaß taucht, kann auf Millionen Leser hoffen: Nachdichtungen der Tafelrundensage, eine Erfolgsgeschichte
Jetzt hat es also Ginevra getroffen: In der neuesten Artus-Adaption ist es an der Königin, ihre Version der Geschichte zu erzählen - nicht zum ersten Mal, aber in drei schweren Bänden so ausgiebig wie nie zuvor. Gerade ist der zweite Teil ihrer Lebensbeichte auf deutsch erschienen ("Ginevra - Königin unter Sternen"), und die kalifornische Schriftstellerin Persia Woolley gibt sich alle Mühe, einen eigenen Zugang zu der wohlbekannten Geschichte zu demonstrieren: Ginevra erscheint hier als Wildfang aus der Provinz, der sich bei Hof nicht wohl fühlt und immer wieder in die vertraute Ländlichkeit entweicht.
Die Königin, in dieser Lesart eine Sisi avant la lettre, bleibt auch in ihrer würdevollen Stellung nach der Hochzeit mit Artus das unkomplizierte Wesen, das sie immer war. Ihre Sorgen dürften Woolleys Lesepublikum vertraut sein, so mühelos lassen sie sich in die Gegenwart übertragen, sosehr ist die Autorin um eine Sprache bemüht, die menschliche Grundprobleme ohne historisches Kolorit benennt: Wohin mit der alternden Schwiegermutter ("Als Artus und ich heirateten, war sie bereits schwach und hinfällig gewesen, hatte aber meinen Vorschlag freundlich zurückgewiesen, bei uns zu wohnen")? Wie versorge ich die vielen Gäste, die mein Mann immer wieder anschleppt? Wie schütze ich mich gegen die eifersüchtige Schwägerin? Warum versteht mein Mann mich nicht? Wem soll ich folgen: der Pflicht oder dem Herzen, das für den schönen Lanzelot schlägt?
Die letzte Frage ist zentral für zahllose Artus-Nachdichtungen, und auch in Woolleys Fassung muß Ginevra schwer mit sich ringen: "Meiner äußeren Ruhe zum Trotz wütete in mir das Chaos. Der Kuß im Park an diesem Morgen war ein Zufall gewesen, ein Irrtum - ein Verlangen nach etwas, dem nachzugeben zu gefährlich war."
Woolleys Roman ist erkennbar der kommerziell erfolgreichsten Artus-Nachdichtung geschuldet, die je veröffentlicht wurde. Marion Zimmer Bradleys "Die Nebel von Avalon", seit 1982 in einer Millionenauflage verbreitet, erzählt die Artus-Geschichte aus der Sicht einer Frau, der rätselhaften Halbschwester des Artus, Morgan le Fay, die hier Morgaine heißt. Bradley fügt der tradierten Handlung neben einer feministischen Grundstimmung eine gehörige Portion mystischen Keltentums hinzu und bedient damit die Wünsche zahlloser moderner Artus-Enthusiasten, die von einer antikapitalistischen und naturnahen "keltischen Revolution" auf der britischen Insel träumen, die nach Stonehenge pilgern, um sich der vorchristlichen Ausstrahlung des Ortes zu überlassen.
In den "Nebeln von Avalon" wird dieses diffuse keltische Erbe in weiblicher Genealogie bewahrt und gegen die Übergriffe der christlichen Geistlichen verteidigt. Als äußerliches Zeichen einer Neuinterpretation der Artus-Geschichte gibt Bradley ihren Protagonisten andere Namen als die geläufigen (worin der Autorin spätere Nachdichter der Sage gefolgt sind); die Königin heißt hier Gwenhwyfar und ist Morgaine schon durch ihre Hinwendung zum Christentum in herzlicher Abneigung verbunden. Dieses Spannungsverhältnis greift Woolley auf, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Die in ihrer Erzählweise betont nüchterne, aller Magie abholde Autorin zeichnet die heidnische Morgan als intrigante Giftmischerin, während die arglose Königin ihr Bestes tut, um gemeinsam mit Artus das Reich und die Gemeinschaft der Tafelrunde zusammenzuhalten.
So trivial Ginevras Lebensbeichte in Woolleys Fassung auch geraten sein mag, so wenig überzeugend in stilistischer Hinsicht und so kümmerlich in der psychologischen Zeichnung der Figuren - als jüngstes Glied in einer langen literarischen Kette verdient das Buch doch Aufmerksamkeit, denn es reagiert implizit auf seine Vorgänger und macht gerade in seiner holzschnitthaften Anlage einige Grundzüge der modernen Artus-Rezeption deutlich.
Dazu gehört vor allem die Neigung der Autoren, den bekannten Stoff aus der Perspektive einer der tradierten Figuren zu erzählen und durch deren jeweiligen Hintergrund neue Elemente in die Überlieferung hineinzuweben. So ist die Geschichte von Artus (oder Arthur), dem illegitimen Sohn des britannischen Fürsten Uther Pendragon, der seine Eignung zum König dadurch beweist, daß er ein Schwert aus einem Amboß zieht, bereits aus der Perspektive des aufstrebenden Ritters selbst berichtet worden. Andere Fassungen wurden seinem Neffen und Musterritter Gawain in den Mund gelegt, Merlins Erleben wurde ebenso aufgezeichnet wie das einzelner Ritter, und gegenwärtig konkurrieren auf dem Buchmarkt zwei Taschenbuchreihen, die beide die Ereignisse um König Artus von jeweils dem engsten Vertrauten des Zauberers erzählen lassen.
Ein weiterer Gewinn aus dieser literarischen Technik ist die Beschneidung der wuchernden Handlung, die Beschränkung auf wenige Stränge unter den zahlreichen, oft widersprüchlichen Artussagen. Die Geschichte folgt dabei in der Regel vereinfacht einem Muster, dessen Grundzüge sich - nach spärlichen Erwähnungen Arthurs in Texten seit dem neunten Jahrhundert - bereits in der "Historia Regum Britanniae" (1135/38) des Geoffrey of Monmouth ausgeprägt finden. Sie zeigen Arthur als sagenhaften König, der auf Umwegen an die Macht kommt, sein Reich gegen äußere Feinde verteidigt und ausbaut, bis er am Ende durch den Verrat eines Gefolgsmanns zugrunde geht. Spätere Autoren fügen Elemente hinzu, die für die Sage konstitutiven Charakter erlangen: die Tafelrunde und die Idee eines idealen Rittertums, die Gestalten einzelner Getreuer (und mancher Bösewichte), die Suche nach dem Gral und vor allem die detailliert ausgeschmückte Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen Lancelot, dem in jeder Hinsicht herausragenden Ritter am Artushof, und Ginevra, der Königin.
Ihre umfassendste und folgenreichste Ausgestaltung erfährt die Sage durch Thomas Malory (um 1408-1471). In seinem 1485 gedruckten Roman mit dem Titel "Le Morte Darthur" ist alles im Detail versammelt, was den Stoff bis heute prägt. Malory, ein begnadeter Kompilator, fügt aus den vorhandenen Artus-Geschichten - darunter auch den klassischen höfischen Romanen - ein kunterbuntes Gewimmel von Rittern, Edelfräulein und Unholden zusammen, ein verworrenes Knäuel von Handlungsfäden, ein Durcheinander von Schwertkämpfen, Bedrohungen durch menschliche oder schwarzmagische Feinde und wundersamen Errettungen aus höchster Gefahr.
Im angelsächsischen Raum ist Malory bis heute wichtigster Ausgangspunkt der Artus-Rezeption. Für Deutschland und Frankreich spielte dagegen lange Zeit das Werk von Chrétien de Troyes und seiner Nachfolger eine größere Rolle. Auf dem Kontinent war man weniger an Merlin und dem britischen Hintergrund interessiert als an dem ethischen Fundament der Ritterschaft. Artus erscheint im höfischen Roman dieser Region kaum einmal als der große Kämpfer oder Heerführer der britischen Tradition; er ist der ruhende Pol, der kraft seiner Ausstrahlung und der durch ihn verkörperten Werte Handlungsvorgaben macht, ohne selbst allzu häufig einzugreifen. So bleibt die Person Artus im "Erec", im "Iwein" oder im "Parzival" recht blaß, als Bezugspunkt ritterlicher Taten allerdings ist er immer präsent. Die Artus-Dämmerung, die bei Malory unweigerlich den Zielpunkt der Handlung bildet, findet in den klassischen höfischen Romanen des Kontinents keinen Raum, weil die Handlung mit dem Sieg des Helden über seine Widersacher (und mehr noch über die moralischen Fallstricke, die seinen Lauf von Anfang an bedrohten) ihren Schlußpunkt erreicht.
Trotz der außerordentlichen Popularität des Stoffes gerät er seit der Renaissance, gemessen an seiner massenhaften Verbreitung zu seinen Glanzzeiten, ein wenig in Vergessenheit. Erst im neunzehnten Jahrhundert tritt er in England und Deutschland einen erneuten Siegeszug an, dessen wichtigste Exponenten Tennyson und Richard Wagner sind. Während diese jedoch eine eher ehrfurchtsvolle Auffassung des Stoffes vertreten, behandelt Mark Twain in seinem 1889 erschienenen Roman "A Connecticut Yankee in King Arthur's Court" die Artuswelt mit lässiger Ironie. Für die Rezeption des Textes ist ein weiterer Aspekt von großer Bedeutung: In der Geschichte des in die Vergangenheit katapultierten amerikanischen Mechanikers Hank Morgan mischen sich Zivilisationskritik und Fortschrittszweifel mit einer deutlichen Warnung vor der Glorifizierung des mittelalterlichen Feudalsystems, der Grundlage arthurischer Herrschaft. Am Ende versinkt nicht nur der Held in einem von ihm verursachten Leichenberg - auch alle Utopien, rückwärts- wie vorwärtsgewandte, haben ausgedient, die Artus-Romantik ebenso wie der Glaube an eine humanere Welt durch den technischen Fortschritt.
Mark Twains Roman avancierte in der Folge zu einem beliebten Sujet im jungen Medium des Films, wie auch Artus und die Tafelrunde zu einem der meistverfilmten Stoffe überhaupt wurden (und auch die Popmusik nahm sich der Sage an). Den Fortgang der literarischen Artus-Rezeption im zwanzigsten Jahrhundert resümiert Carola L. Gottzmann in ihrer ausgezeichneten Studie "Artusdichtung": "Die neueste Entwicklung ist außerordentlich disparat. Arthur wird als roher und barbarischer König dargestellt und damit entidealisiert und entromantisiert, gleichzeitig aber auch eskapistisch in eine vergangene Traumwelt versetzt und schließlich für gegenwärtige Problemdiskussionen eingespannt." Und obwohl diese Tendenzen einander zu widersprechen scheinen, finden sie sich nicht selten in ein und derselben Nachdichtung arthurischer Abenteuer. Dennoch macht Gottzmann dabei vier unterschiedliche Richtungen aus: zunächst die "komisch satirische Behandlung des Stoffes", dann eine "realistisch antimärchenhafte Darstellung", ferner die "realistische Darstellung im Verbund mit nicht rationalen Elementen, die psychoanalytisch genutzt werden, und schließlich eine "magisch-mythische Weltentfaltung mit extensiver Symbolik, in der das Arthurbild wieder eine positive Wendung erfährt" - etwa "Die Nebel von Avalon". Inhaltlich sieht Gottzmann zwei zentrale Handlungsstränge: die Liebe zwischen Lancelot und Ginevra sowie die Suche nach dem Gral.
Beides spielt tatsächlich in den Nachdichtungen des zwanzigsten Jahrhunderts eine gewisse Rolle. Doch es sind andere Elemente, die neu hinzukommen und in den gelungensten Beispielen der Artus-Rezeption die tradierten Bestandteile zu überlagern beginnen. Zunächst findet das Potential der Sage als Abenteuerroman seinen genuinen Ausdruck in der Comic-Serie um "Prince Valiant", der als "Prinz Eisenherz" bis heute auch auf dem deutschen Markt präsent ist. Am 13. Februar 1937 erscheint die erste Folge im "New York Journal", ihr Schöpfer, der ehemalige Werbegrafiker Harold Foster aus Kanada, führte sie über vierunddreißig Jahre fort. In dieser Zeit wächst sein Held, anfänglich ein Knabe, zu einem ansehnlichen Ritter heran, der zum Artushof gelangt und für den König gegen immer neue Feinde kämpft. Er bereist Europa, Afrika und die - eigentlich noch unentdeckte - Neue Welt, führt eine spannungsvolle Ehe mit Aleta, der Königin der Nebelinseln, und sieht, inzwischen sichtlich gealtert, seinen Kindern beim Aufwachsen zu.
Die Artuswelt mit ihren Helden - besonders Gawain wird in seiner traditionellen Funktion zum engen Freund des jungen Ritters - spielt für Eisenherz anfänglich eine entscheidende Rolle, aber im Fortgang der Handlung tritt sie immer mehr in den Hintergrund, obwohl sie durch einzelne Episoden aus Malorys Fundus regelmäßig zitiert wird. Gleichzeitig bemüht sich Foster um eine Einbettung dieser Sphäre in die Ereignisgeschichte des frühen Mittelalters, also in die mutmaßliche Epoche des historischen Artus. Bezüge zur Gegenwart des Autors lassen sich dagegen kaum ausmachen, sieht man vom Kampf gegen die "Hunnen" ab, den Eisenherz' Leser kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verfolgen können.
Erheblich weniger an den Realien orientiert und mehr um den ideellen Gehalt der Artuswelt bemüht ist die Version des englischen Autors T. H. White, der sich als Malorys "bescheidenen Schüler" bezeichnet. In seiner Lesart dominiert die Idee des Artusrittertums als zivilisatorischer Akt gegenüber einer Welt voller Mord und Totschlag, dessen Endzweck in einer pazifistischen Gesellschaft der Tafelrunde besteht, in der Idee, "daß Gewalt, wenn überhaupt, nur der Gerechtigkeit wegen angewendet werden dürfe, nicht um ihrer selbst willen". Als Anreger fungiert hier der Zauberer Merlyn, der gleichwohl um die Vergeblichkeit des Plans weiß - er bewegt sich entlang des Zeitpfeils in umgekehrter Richtung, so daß er die Zukunft kennt, während ihm die Vergangenheit verschlossen ist.
Auch die andere Traditionslinie der Artus-Epik, die des höfischen Romans, wurde im zwanzigsten Jahrhundert zum Ausgangspunkt von Nachdichtungen. Am überzeugendsten gelang Adolf Muschg die Fortführung; sein geistreiches Spiel mit Wolframs "Parzival", das 1993 unter dem Titel "Der Rote Ritter" erschienen ist, erschöpft sich weder in der Nacherzählung des Stoffs, noch stülpt es ihm eine Weltanschauung über, die allzu offensichtlich der Gegenwart des modernen Autors geschuldet ist. Muschg gelingt das Kunststück, die berühmte abschweifende Erzählweise Wolframs, die dieser selbst thematisiert und in das Gleichnis des hakenschlagenden Hasen gebracht hat, anverwandelt für seinen Text nutzbar zu machen. Selbst für die Diskurse der Vorlage über den angemessenen Erzählstil findet Muschg ein Äquivalent und stellt so dem "Parzival" einen Text an die Seite, der wie die Vorlage eine reflektierte Konzeption mit erzählerischem Überschwang zu vereinen weiß.
Das kann auch "Glastonbury Romance" von John Cowper Powys für sich beanspruchen. Der 1932 erschienene, über 1200 Seiten schwere Roman ist keine Artus-Adaption auf den ersten Blick, denn er scheint eine ganz andere Geschichte zu erzählen: Der exzentrische Prediger John Geard aus dem südwestenglischen Städtchen Glastonbury erbt ein enormes Vermögen, läßt sich zum Bürgermeister wählen und etabliert einen bizarren Kult um eine eisenhaltige Quelle. Er läßt ein Weihespiel aufführen, das an die christliche und arthurische Tradition des Wallfahrtsorts Glastonbury erinnert: Hier habe schon Joseph von Arimathia eine Kirche errichtet, heißt es, hier sei aber auch 1191 die Grabstätte Arthurs und Ginevras entdeckt worden, überdies handele es sich bei dem von Sümpfen und Flußläufen umgebenen Glastonbury um das wahre Avalon, die mythische Jenseitsinsel keltischer Tradition - einen Ort also, der die drei mit der Sage verbundenen Sinnebenen symbolisiert.
Powys thematisiert die Artus-Rezeption auf vielfältige Weise: im Genius loci Glastonburys, in der Beschäftigung der Protagonisten mit dem Stoff, die in dem Weihespiel gipfelt, in der Trivialisierung der Sage aus ökonomischem Interesse (so richtet Geard eine Manufaktur ein, die Artus-Andenken für Touristen herstellt, vor allem kleine Figuren der legendären Helden). Gleichzeitig aber schreibt Powys die Geschichte weiter, indem er seine Protagonisten teilweise als Wiedergänger der Artushelden anlegt: Die Konstellation zwischen Lancelot, Ginevra und Artus begegnet ebenso wie die Gestalt Merlins nie eindeutig bestimmbar, ist aber ebendarum als moderne Literatur so überzeugend. Der Untergang der von Geard in kurzer Zeit geschaffenen Gesellschaftsordnung in einer wahren Sintflut am Ende des Romans steht jedenfalls an Tragik dem Ende der Artuswelt nicht nach.
Daß die Faszination des Stoffes die Zeiten überdauert hat, daß ihr keine modischen Torheiten, keine Vereinnahmung durch Keltenmystik oder die nachträgliche Konstruktion einer matriarchalen Welt etwas anhaben konnten, daß sich die Tafelrunde immer noch als erzählerisches Sujet anbietet, ohne den Eindruck eines gründlich verbrauchten Themas zu hinterlassen: das ist das eigentliche Wunder dieses Sagenkreises. Heinz Ohff zitiert in seinem Buch über den Artus-Stoff den um 1180 geborenen Caesarius von Heisterbach, der sich erinnert: "Als einst etliche Mönche und Brüder bei der geistlichen Unterweisung eingeschlafen seien und einige von ihnen sogar angefangen hätten zu schnarchen, habe der Abt Geard seine Ansprache mit den Worten unterbrochen: ,Es war einmal ein König, der hieß Artus . . .', worauf alle hellwach geworden seien und die Ohren gespitzt hätten."
Offenbar wirkt das Mittel bis heute.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und wer die Feder für Artus ins Tintenfaß taucht, kann auf Millionen Leser hoffen: Nachdichtungen der Tafelrundensage, eine Erfolgsgeschichte
Jetzt hat es also Ginevra getroffen: In der neuesten Artus-Adaption ist es an der Königin, ihre Version der Geschichte zu erzählen - nicht zum ersten Mal, aber in drei schweren Bänden so ausgiebig wie nie zuvor. Gerade ist der zweite Teil ihrer Lebensbeichte auf deutsch erschienen ("Ginevra - Königin unter Sternen"), und die kalifornische Schriftstellerin Persia Woolley gibt sich alle Mühe, einen eigenen Zugang zu der wohlbekannten Geschichte zu demonstrieren: Ginevra erscheint hier als Wildfang aus der Provinz, der sich bei Hof nicht wohl fühlt und immer wieder in die vertraute Ländlichkeit entweicht.
Die Königin, in dieser Lesart eine Sisi avant la lettre, bleibt auch in ihrer würdevollen Stellung nach der Hochzeit mit Artus das unkomplizierte Wesen, das sie immer war. Ihre Sorgen dürften Woolleys Lesepublikum vertraut sein, so mühelos lassen sie sich in die Gegenwart übertragen, sosehr ist die Autorin um eine Sprache bemüht, die menschliche Grundprobleme ohne historisches Kolorit benennt: Wohin mit der alternden Schwiegermutter ("Als Artus und ich heirateten, war sie bereits schwach und hinfällig gewesen, hatte aber meinen Vorschlag freundlich zurückgewiesen, bei uns zu wohnen")? Wie versorge ich die vielen Gäste, die mein Mann immer wieder anschleppt? Wie schütze ich mich gegen die eifersüchtige Schwägerin? Warum versteht mein Mann mich nicht? Wem soll ich folgen: der Pflicht oder dem Herzen, das für den schönen Lanzelot schlägt?
Die letzte Frage ist zentral für zahllose Artus-Nachdichtungen, und auch in Woolleys Fassung muß Ginevra schwer mit sich ringen: "Meiner äußeren Ruhe zum Trotz wütete in mir das Chaos. Der Kuß im Park an diesem Morgen war ein Zufall gewesen, ein Irrtum - ein Verlangen nach etwas, dem nachzugeben zu gefährlich war."
Woolleys Roman ist erkennbar der kommerziell erfolgreichsten Artus-Nachdichtung geschuldet, die je veröffentlicht wurde. Marion Zimmer Bradleys "Die Nebel von Avalon", seit 1982 in einer Millionenauflage verbreitet, erzählt die Artus-Geschichte aus der Sicht einer Frau, der rätselhaften Halbschwester des Artus, Morgan le Fay, die hier Morgaine heißt. Bradley fügt der tradierten Handlung neben einer feministischen Grundstimmung eine gehörige Portion mystischen Keltentums hinzu und bedient damit die Wünsche zahlloser moderner Artus-Enthusiasten, die von einer antikapitalistischen und naturnahen "keltischen Revolution" auf der britischen Insel träumen, die nach Stonehenge pilgern, um sich der vorchristlichen Ausstrahlung des Ortes zu überlassen.
In den "Nebeln von Avalon" wird dieses diffuse keltische Erbe in weiblicher Genealogie bewahrt und gegen die Übergriffe der christlichen Geistlichen verteidigt. Als äußerliches Zeichen einer Neuinterpretation der Artus-Geschichte gibt Bradley ihren Protagonisten andere Namen als die geläufigen (worin der Autorin spätere Nachdichter der Sage gefolgt sind); die Königin heißt hier Gwenhwyfar und ist Morgaine schon durch ihre Hinwendung zum Christentum in herzlicher Abneigung verbunden. Dieses Spannungsverhältnis greift Woolley auf, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Die in ihrer Erzählweise betont nüchterne, aller Magie abholde Autorin zeichnet die heidnische Morgan als intrigante Giftmischerin, während die arglose Königin ihr Bestes tut, um gemeinsam mit Artus das Reich und die Gemeinschaft der Tafelrunde zusammenzuhalten.
So trivial Ginevras Lebensbeichte in Woolleys Fassung auch geraten sein mag, so wenig überzeugend in stilistischer Hinsicht und so kümmerlich in der psychologischen Zeichnung der Figuren - als jüngstes Glied in einer langen literarischen Kette verdient das Buch doch Aufmerksamkeit, denn es reagiert implizit auf seine Vorgänger und macht gerade in seiner holzschnitthaften Anlage einige Grundzüge der modernen Artus-Rezeption deutlich.
Dazu gehört vor allem die Neigung der Autoren, den bekannten Stoff aus der Perspektive einer der tradierten Figuren zu erzählen und durch deren jeweiligen Hintergrund neue Elemente in die Überlieferung hineinzuweben. So ist die Geschichte von Artus (oder Arthur), dem illegitimen Sohn des britannischen Fürsten Uther Pendragon, der seine Eignung zum König dadurch beweist, daß er ein Schwert aus einem Amboß zieht, bereits aus der Perspektive des aufstrebenden Ritters selbst berichtet worden. Andere Fassungen wurden seinem Neffen und Musterritter Gawain in den Mund gelegt, Merlins Erleben wurde ebenso aufgezeichnet wie das einzelner Ritter, und gegenwärtig konkurrieren auf dem Buchmarkt zwei Taschenbuchreihen, die beide die Ereignisse um König Artus von jeweils dem engsten Vertrauten des Zauberers erzählen lassen.
Ein weiterer Gewinn aus dieser literarischen Technik ist die Beschneidung der wuchernden Handlung, die Beschränkung auf wenige Stränge unter den zahlreichen, oft widersprüchlichen Artussagen. Die Geschichte folgt dabei in der Regel vereinfacht einem Muster, dessen Grundzüge sich - nach spärlichen Erwähnungen Arthurs in Texten seit dem neunten Jahrhundert - bereits in der "Historia Regum Britanniae" (1135/38) des Geoffrey of Monmouth ausgeprägt finden. Sie zeigen Arthur als sagenhaften König, der auf Umwegen an die Macht kommt, sein Reich gegen äußere Feinde verteidigt und ausbaut, bis er am Ende durch den Verrat eines Gefolgsmanns zugrunde geht. Spätere Autoren fügen Elemente hinzu, die für die Sage konstitutiven Charakter erlangen: die Tafelrunde und die Idee eines idealen Rittertums, die Gestalten einzelner Getreuer (und mancher Bösewichte), die Suche nach dem Gral und vor allem die detailliert ausgeschmückte Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen Lancelot, dem in jeder Hinsicht herausragenden Ritter am Artushof, und Ginevra, der Königin.
Ihre umfassendste und folgenreichste Ausgestaltung erfährt die Sage durch Thomas Malory (um 1408-1471). In seinem 1485 gedruckten Roman mit dem Titel "Le Morte Darthur" ist alles im Detail versammelt, was den Stoff bis heute prägt. Malory, ein begnadeter Kompilator, fügt aus den vorhandenen Artus-Geschichten - darunter auch den klassischen höfischen Romanen - ein kunterbuntes Gewimmel von Rittern, Edelfräulein und Unholden zusammen, ein verworrenes Knäuel von Handlungsfäden, ein Durcheinander von Schwertkämpfen, Bedrohungen durch menschliche oder schwarzmagische Feinde und wundersamen Errettungen aus höchster Gefahr.
Im angelsächsischen Raum ist Malory bis heute wichtigster Ausgangspunkt der Artus-Rezeption. Für Deutschland und Frankreich spielte dagegen lange Zeit das Werk von Chrétien de Troyes und seiner Nachfolger eine größere Rolle. Auf dem Kontinent war man weniger an Merlin und dem britischen Hintergrund interessiert als an dem ethischen Fundament der Ritterschaft. Artus erscheint im höfischen Roman dieser Region kaum einmal als der große Kämpfer oder Heerführer der britischen Tradition; er ist der ruhende Pol, der kraft seiner Ausstrahlung und der durch ihn verkörperten Werte Handlungsvorgaben macht, ohne selbst allzu häufig einzugreifen. So bleibt die Person Artus im "Erec", im "Iwein" oder im "Parzival" recht blaß, als Bezugspunkt ritterlicher Taten allerdings ist er immer präsent. Die Artus-Dämmerung, die bei Malory unweigerlich den Zielpunkt der Handlung bildet, findet in den klassischen höfischen Romanen des Kontinents keinen Raum, weil die Handlung mit dem Sieg des Helden über seine Widersacher (und mehr noch über die moralischen Fallstricke, die seinen Lauf von Anfang an bedrohten) ihren Schlußpunkt erreicht.
Trotz der außerordentlichen Popularität des Stoffes gerät er seit der Renaissance, gemessen an seiner massenhaften Verbreitung zu seinen Glanzzeiten, ein wenig in Vergessenheit. Erst im neunzehnten Jahrhundert tritt er in England und Deutschland einen erneuten Siegeszug an, dessen wichtigste Exponenten Tennyson und Richard Wagner sind. Während diese jedoch eine eher ehrfurchtsvolle Auffassung des Stoffes vertreten, behandelt Mark Twain in seinem 1889 erschienenen Roman "A Connecticut Yankee in King Arthur's Court" die Artuswelt mit lässiger Ironie. Für die Rezeption des Textes ist ein weiterer Aspekt von großer Bedeutung: In der Geschichte des in die Vergangenheit katapultierten amerikanischen Mechanikers Hank Morgan mischen sich Zivilisationskritik und Fortschrittszweifel mit einer deutlichen Warnung vor der Glorifizierung des mittelalterlichen Feudalsystems, der Grundlage arthurischer Herrschaft. Am Ende versinkt nicht nur der Held in einem von ihm verursachten Leichenberg - auch alle Utopien, rückwärts- wie vorwärtsgewandte, haben ausgedient, die Artus-Romantik ebenso wie der Glaube an eine humanere Welt durch den technischen Fortschritt.
Mark Twains Roman avancierte in der Folge zu einem beliebten Sujet im jungen Medium des Films, wie auch Artus und die Tafelrunde zu einem der meistverfilmten Stoffe überhaupt wurden (und auch die Popmusik nahm sich der Sage an). Den Fortgang der literarischen Artus-Rezeption im zwanzigsten Jahrhundert resümiert Carola L. Gottzmann in ihrer ausgezeichneten Studie "Artusdichtung": "Die neueste Entwicklung ist außerordentlich disparat. Arthur wird als roher und barbarischer König dargestellt und damit entidealisiert und entromantisiert, gleichzeitig aber auch eskapistisch in eine vergangene Traumwelt versetzt und schließlich für gegenwärtige Problemdiskussionen eingespannt." Und obwohl diese Tendenzen einander zu widersprechen scheinen, finden sie sich nicht selten in ein und derselben Nachdichtung arthurischer Abenteuer. Dennoch macht Gottzmann dabei vier unterschiedliche Richtungen aus: zunächst die "komisch satirische Behandlung des Stoffes", dann eine "realistisch antimärchenhafte Darstellung", ferner die "realistische Darstellung im Verbund mit nicht rationalen Elementen, die psychoanalytisch genutzt werden, und schließlich eine "magisch-mythische Weltentfaltung mit extensiver Symbolik, in der das Arthurbild wieder eine positive Wendung erfährt" - etwa "Die Nebel von Avalon". Inhaltlich sieht Gottzmann zwei zentrale Handlungsstränge: die Liebe zwischen Lancelot und Ginevra sowie die Suche nach dem Gral.
Beides spielt tatsächlich in den Nachdichtungen des zwanzigsten Jahrhunderts eine gewisse Rolle. Doch es sind andere Elemente, die neu hinzukommen und in den gelungensten Beispielen der Artus-Rezeption die tradierten Bestandteile zu überlagern beginnen. Zunächst findet das Potential der Sage als Abenteuerroman seinen genuinen Ausdruck in der Comic-Serie um "Prince Valiant", der als "Prinz Eisenherz" bis heute auch auf dem deutschen Markt präsent ist. Am 13. Februar 1937 erscheint die erste Folge im "New York Journal", ihr Schöpfer, der ehemalige Werbegrafiker Harold Foster aus Kanada, führte sie über vierunddreißig Jahre fort. In dieser Zeit wächst sein Held, anfänglich ein Knabe, zu einem ansehnlichen Ritter heran, der zum Artushof gelangt und für den König gegen immer neue Feinde kämpft. Er bereist Europa, Afrika und die - eigentlich noch unentdeckte - Neue Welt, führt eine spannungsvolle Ehe mit Aleta, der Königin der Nebelinseln, und sieht, inzwischen sichtlich gealtert, seinen Kindern beim Aufwachsen zu.
Die Artuswelt mit ihren Helden - besonders Gawain wird in seiner traditionellen Funktion zum engen Freund des jungen Ritters - spielt für Eisenherz anfänglich eine entscheidende Rolle, aber im Fortgang der Handlung tritt sie immer mehr in den Hintergrund, obwohl sie durch einzelne Episoden aus Malorys Fundus regelmäßig zitiert wird. Gleichzeitig bemüht sich Foster um eine Einbettung dieser Sphäre in die Ereignisgeschichte des frühen Mittelalters, also in die mutmaßliche Epoche des historischen Artus. Bezüge zur Gegenwart des Autors lassen sich dagegen kaum ausmachen, sieht man vom Kampf gegen die "Hunnen" ab, den Eisenherz' Leser kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verfolgen können.
Erheblich weniger an den Realien orientiert und mehr um den ideellen Gehalt der Artuswelt bemüht ist die Version des englischen Autors T. H. White, der sich als Malorys "bescheidenen Schüler" bezeichnet. In seiner Lesart dominiert die Idee des Artusrittertums als zivilisatorischer Akt gegenüber einer Welt voller Mord und Totschlag, dessen Endzweck in einer pazifistischen Gesellschaft der Tafelrunde besteht, in der Idee, "daß Gewalt, wenn überhaupt, nur der Gerechtigkeit wegen angewendet werden dürfe, nicht um ihrer selbst willen". Als Anreger fungiert hier der Zauberer Merlyn, der gleichwohl um die Vergeblichkeit des Plans weiß - er bewegt sich entlang des Zeitpfeils in umgekehrter Richtung, so daß er die Zukunft kennt, während ihm die Vergangenheit verschlossen ist.
Auch die andere Traditionslinie der Artus-Epik, die des höfischen Romans, wurde im zwanzigsten Jahrhundert zum Ausgangspunkt von Nachdichtungen. Am überzeugendsten gelang Adolf Muschg die Fortführung; sein geistreiches Spiel mit Wolframs "Parzival", das 1993 unter dem Titel "Der Rote Ritter" erschienen ist, erschöpft sich weder in der Nacherzählung des Stoffs, noch stülpt es ihm eine Weltanschauung über, die allzu offensichtlich der Gegenwart des modernen Autors geschuldet ist. Muschg gelingt das Kunststück, die berühmte abschweifende Erzählweise Wolframs, die dieser selbst thematisiert und in das Gleichnis des hakenschlagenden Hasen gebracht hat, anverwandelt für seinen Text nutzbar zu machen. Selbst für die Diskurse der Vorlage über den angemessenen Erzählstil findet Muschg ein Äquivalent und stellt so dem "Parzival" einen Text an die Seite, der wie die Vorlage eine reflektierte Konzeption mit erzählerischem Überschwang zu vereinen weiß.
Das kann auch "Glastonbury Romance" von John Cowper Powys für sich beanspruchen. Der 1932 erschienene, über 1200 Seiten schwere Roman ist keine Artus-Adaption auf den ersten Blick, denn er scheint eine ganz andere Geschichte zu erzählen: Der exzentrische Prediger John Geard aus dem südwestenglischen Städtchen Glastonbury erbt ein enormes Vermögen, läßt sich zum Bürgermeister wählen und etabliert einen bizarren Kult um eine eisenhaltige Quelle. Er läßt ein Weihespiel aufführen, das an die christliche und arthurische Tradition des Wallfahrtsorts Glastonbury erinnert: Hier habe schon Joseph von Arimathia eine Kirche errichtet, heißt es, hier sei aber auch 1191 die Grabstätte Arthurs und Ginevras entdeckt worden, überdies handele es sich bei dem von Sümpfen und Flußläufen umgebenen Glastonbury um das wahre Avalon, die mythische Jenseitsinsel keltischer Tradition - einen Ort also, der die drei mit der Sage verbundenen Sinnebenen symbolisiert.
Powys thematisiert die Artus-Rezeption auf vielfältige Weise: im Genius loci Glastonburys, in der Beschäftigung der Protagonisten mit dem Stoff, die in dem Weihespiel gipfelt, in der Trivialisierung der Sage aus ökonomischem Interesse (so richtet Geard eine Manufaktur ein, die Artus-Andenken für Touristen herstellt, vor allem kleine Figuren der legendären Helden). Gleichzeitig aber schreibt Powys die Geschichte weiter, indem er seine Protagonisten teilweise als Wiedergänger der Artushelden anlegt: Die Konstellation zwischen Lancelot, Ginevra und Artus begegnet ebenso wie die Gestalt Merlins nie eindeutig bestimmbar, ist aber ebendarum als moderne Literatur so überzeugend. Der Untergang der von Geard in kurzer Zeit geschaffenen Gesellschaftsordnung in einer wahren Sintflut am Ende des Romans steht jedenfalls an Tragik dem Ende der Artuswelt nicht nach.
Daß die Faszination des Stoffes die Zeiten überdauert hat, daß ihr keine modischen Torheiten, keine Vereinnahmung durch Keltenmystik oder die nachträgliche Konstruktion einer matriarchalen Welt etwas anhaben konnten, daß sich die Tafelrunde immer noch als erzählerisches Sujet anbietet, ohne den Eindruck eines gründlich verbrauchten Themas zu hinterlassen: das ist das eigentliche Wunder dieses Sagenkreises. Heinz Ohff zitiert in seinem Buch über den Artus-Stoff den um 1180 geborenen Caesarius von Heisterbach, der sich erinnert: "Als einst etliche Mönche und Brüder bei der geistlichen Unterweisung eingeschlafen seien und einige von ihnen sogar angefangen hätten zu schnarchen, habe der Abt Geard seine Ansprache mit den Worten unterbrochen: ,Es war einmal ein König, der hieß Artus . . .', worauf alle hellwach geworden seien und die Ohren gespitzt hätten."
Offenbar wirkt das Mittel bis heute.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main