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Der Katalane Raimundus Lullus (1232 -1316) war einer der einflußreichsten und zugleich umstrittensten Denker seiner Zeit. Entschieden vertrat er die Idee, daß Glaubensinhalte allein aus der Vernunft abgeleitet werden sollten. Im Buch vom Heiden und den drei Weisen läßt er einen Juden, einen Christen und einen Muslim die Grundsätze seines Glaubens darlegen und begründen. An die Stelle der Konfrontation tritt der Dialog, der richtungsweisende Versuch, im gleichberechtigten Gespräch zu einer Verständigung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu gelangen. Die vorliegende Ausgabe ist die erste vollständige Übersetzung des Werkes ins Deutsche.…mehr

Produktbeschreibung
Der Katalane Raimundus Lullus (1232 -1316) war einer der einflußreichsten und zugleich umstrittensten Denker seiner Zeit. Entschieden vertrat er die Idee, daß Glaubensinhalte allein aus der Vernunft abgeleitet werden sollten. Im Buch vom Heiden und den drei Weisen läßt er einen Juden, einen Christen und einen Muslim die Grundsätze seines Glaubens darlegen und begründen. An die Stelle der Konfrontation tritt der Dialog, der richtungsweisende Versuch, im gleichberechtigten Gespräch zu einer Verständigung über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu gelangen. Die vorliegende Ausgabe ist die erste vollständige Übersetzung des Werkes ins Deutsche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.1998

Niemand ist eine Insel
Wie Ramon Lull auf Mallorca den Dialog der Kulturen begründete

Ramon Lull macht dem Philosophiehistoriker seit je Kopfzerbrechen. In einer Zeit, in der die Scholastiker in Summen, Quästionen und Kommentaren ihre Ideen systematisch entwickelten, schrieb er Dialoge. In einer gelehrten Welt, die die Logik des Aristoteles zum Maßstab der Wissenschaftlichkeit erhoben hatte, plädierte er für eine Kombinatorik der Begriffe, die das Kontradiktionsprinzip außer Kraft setzte. Er unterrichtete nie an einer Universität und blieb nach damaligem Verständnis ein philosophischer Dilettant. Und wenn man schließlich seine bekanntesten Werke aufschlägt, begegnen einem anstatt der Harmonie "gotischer Denkkathedralen" komische Tabellen und Drehfiguren, die (obwohl von Leibniz sehr geschätzt) nicht gerade zum Weiterlesen einladen.

Von seiner Einzigartigkeit war Lull selbst überzeugt: "Meine Wissenschaft, die sich als beweisende Geisteswissenschaft versteht, verwendet ungebräuchliche und absonderlich klingende Begriffe." Er verstand sich nicht als "Scholastiker" ("vir scholasticus"), sondern als "Phantastiker" ("vir phantasticus"). Auch der Ort, wo er sein philosophisches Projekt konzipierte, evoziert alles andere als die inbrünstige Tiefe des über sich selbst reflektierenden Geistes - er schrieb auf der Badeinsel Mallorca unter Palmen.

Und dennoch spielten sich damals gerade am Rande Europas, auf Mallorca, Ereignisse von großer philosophie- und religionsgeschichtlicher Bedeutung ab. Lulls "Buch vom Heiden und den drei Weisen", das jetzt zum ersten Mal dank der hervorragenden Übersetzungsarbeit Theodor Pindls in deutscher Sprache vorliegt, beweist dies. Das Buch spiegelt die Fragen wider, die im regen multikulturellen Zusammenleben von Christen, Muslimen und Juden auf der um Lulls Geburtsjahr (1232) von christlichen Herrschern zurückeroberten Insel Mallorca an der Tagesordnung waren. Dort lebte der Christ mit jenen "Heiden" zusammen, gegen die man im fernen Paris Summen schrieb. Man stritt über Religionsfragen, über die Trinität und die verschiedenen zu erwartenden Paradiese, man lernte die Kontrahenten auch schätzen und respektieren, obwohl Gewalt und Intoleranz im Hintergrund lauerten. Lull erzählt eine Episode, die ihn tief beeindruckte und sicher bei der Abfassung des "Buches vom Heiden" eine Rolle spielte. Bei einer Auseinandersetzung mit seinem Arabischlehrer (er studierte damals Arabisch, um bei den Muslimen besser missionieren zu können) verunglimpfte er die islamische Jenseitsvorstellung als "blödes Zeug". Der Lehrer griff zum Messer, Lull gelang es, ihn zu entwaffnen und einzusperren. Doch während er noch überlegte, was er mit ihm machen sollte, erhängte sich der Muslim.

"Gewalt erzeugt Gewalt", kommentiert Theodor Pindl. "Aufgrund dieser Erfahrung kam Lull zu der für seine Zeit erstaunlichen Ansicht, daß die infideles nur durch rational einsichtige Gründe und Dialog, nicht durch Gewalt und Zwang für das Christentum zu gewinnen seien." In der Tat präsentiert das "Buch vom Heiden" drei hochwürdige Repräsentanten von Christentum, Judentum und Islam, die einen Heiden zunächst von der ihm unbekannten Existenz Gottes und der Auferstehung durch reine (philosophische) Vernunftgründe überzeugen, wobei er am Ende mit Erstaunen feststellt, daß die drei Weisen ganz verschiedenen Religionen angehören. Daher bittet er darum, daß jeder die Vorteile seines Gesetzes darstelle.

Bezeichnenderweise führt der Dialog zu keinem konkreten Ergebnis. Die Weisen verabschieden sich mit Segenswünschen, Umarmungen, Küssen und Tränen. "Doch bevor die drei Weisen weggingen", schreibt Lull, "fragte der Heide sie voller Erstaunen, warum sie denn nicht abwarten wollten, wie seine Wahl der Religion ausfalle. Die drei Weisen antworteten, "sie wollten es nicht wissen, damit ein jeder von ihnen glauben könne, er habe seine Religion gewählt". Lull kristallisierte in diesem Meisterwerk den Traum eines strahlend phantastischen, utopischen Mittelalters. Fünfzehn Jahre später rief Ramon Lull die Christenheit zum bewaffneten Kreuzzug gegen den Islam auf. Warum, sagt er uns nicht. Die Scholastiker seiner Zeit haben seine Kehrtwendung bestimmt mit Erleichterung aufgenommen. LORIS STURLESE

Ramon Lull: "Das Buch vom Heiden und den drei Weisen." Aus dem Lateinischen und herausgegeben von Theodor Pindl. Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 1998. 307 S., br., 14,- DM.

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