Vom Glück, einen einzigartigen Traum zu verwirklichen, erzählt der schwedische Arzt Axel Munthe in seinen berühmten Erinnerungen an die italienische Insel Capri. Der Lieblings-Klassiker jetzt in einer aufwändig gestalteten neuen Ausgabe.
Als achtzehnjähriger Medizinstudent entdeckte Axel Munthe die Insel Capri und die traumhaft gelegene kleine Kapelle San Michele. Er verliebt sich in diesen einzigartigen Ort und träumt davon, sich irgendwann genau hier, vor der atemberaubenden Kulisse der Bucht von Neapel, ein Haus ganz nach seinen Wünschen zu bauen. Er arbeitet hart, hat Erfolg als Modearzt des europäischen Adels, aber er behandelt auch die Armen, die Diphteriekranken am Montparnasse, die Typhusfälle unter schwedischen Arbeitern und die an Cholera Leidenden bei einer Epidemie in Neapel. Endlich, zwölf Jahre nach seinem ersten Besuch auf der Insel, beginnt er mit dem Bau seiner weißen Traumvilla. In lebendigen Geschichten und Anekdoten erzählt Axel Munthe von seinem reichen Leben auf Capri.
Als achtzehnjähriger Medizinstudent entdeckte Axel Munthe die Insel Capri und die traumhaft gelegene kleine Kapelle San Michele. Er verliebt sich in diesen einzigartigen Ort und träumt davon, sich irgendwann genau hier, vor der atemberaubenden Kulisse der Bucht von Neapel, ein Haus ganz nach seinen Wünschen zu bauen. Er arbeitet hart, hat Erfolg als Modearzt des europäischen Adels, aber er behandelt auch die Armen, die Diphteriekranken am Montparnasse, die Typhusfälle unter schwedischen Arbeitern und die an Cholera Leidenden bei einer Epidemie in Neapel. Endlich, zwölf Jahre nach seinem ersten Besuch auf der Insel, beginnt er mit dem Bau seiner weißen Traumvilla. In lebendigen Geschichten und Anekdoten erzählt Axel Munthe von seinem reichen Leben auf Capri.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.10.2007Der Segen souveräner Flucht
Dem Romancier Axel Munthe zum 150. Geburtstag
Bis heute erkennen die Leser das Wesen dieses erstmals 1929 erschienenen Romans auf den ersten Blick. Axel Munthes „Das Buch von San Michele” braucht keinen lockenden Klappentext, der mit „Welterfolg” und „Longseller” prahlt. Es genügt, die erste Seite zu überfliegen – in einer unserer ungut gläsern gewordenen Buchhandlungen, im Teppichboden-Mief einer renovierungsbedürftigen Stadtbibliothek oder gebeugt über die Bücherkiste eines Flohmarkts.
Widrige Umstände können dem Hineinlesen nur nützen, denn dieser Schmöker ist für den gemacht, der den engmaschigen Ärgernissen des modernen Lebens, dem Fangnetz seiner Komplexität, in eine andere Welt entschlüpfen möchte. Schamlos weit kommt dieser Sehnsucht die Handlung entgegen, wenn sie mit einem gelungenen Ausbruch anhebt: Ein erschöpfter, von Schlaflosigkeit zerrütteter Modearzt hat seine Pariser Praxis Hals über Kopf hinter sich gelassen. Er, der trotz seiner Jugend schon vielen geholfen hat, ist selbst der Heilung bedürftig geworden. Ein verklärtes, fast archaisch unberührtes Capri nimmt ihn auf.
Gleich mit dem ersten Wort sagt das Buch „Ich”. Wie dies in einem autobiographischen Roman gelingt, entscheidet über die Eigenart und Intensität der Identifikation, die seine Lektüre uns ermöglicht. Munthes Ego-Sound ist hoch-intim und hoch-diszipliniert zugleich. Von der ersten Szene an darf man ganz nah am Gemüt des Helden sein. Aber zugleich ist dessen Fühlen und Denken so gründlich geläutert, dass wir uns nie von kleinlich Privatem, von launisch Zufälligem belästigt fühlen. Sogar wo Munthe seine verblüffenden Erfolge, die Berühmtheit seiner Patienten oder sein wohltätiges Engagement ins helle Licht seiner perfekten Szenen stellt, wahrt er einen ebenso makellosen letzten Abstand zur Grandiosität der Taten und zum Glanz ihrer außerordentlichen Umstände. Dies ist nicht allein dem geläufigen erzählerischen Kunstgriff geschuldet, dass wir es mit einem doppelten Ich, mit dem Akteur und dem Erinnernden, zu tun haben. Ihren speziellen Liebreiz erhält diese konventionelle Spaltung durch die konsequente Künstlichkeit der beiden Instanzen.
Der erfolgreiche Herr Doktor, dessen Wartezimmer der europäische Hochadel und Prominenz aus Politik und Kunst füllt, ist eine auf wenige Züge reduzierte Figur. Dieser Schwede im Exil bleibt von Erlebnis zu Erlebnis auf eine merkwürdige Weise unverändert jung, ja jungenhaft. Mit sicherem Instinkt und einem kräftigen Schuss kecker Scharlatanerie kuriert er die Wehwehchen seiner verwöhnten Patienten. Parallel dazu widmet er sich den Armen in den Arbeitervierteln. Und immer wieder ist er bereit, das existentielle Gegenüber, das leidende Du, im misshandelten Tier zu sehen. Diese unermüdlich mitfühlende Seele scheint jedoch kein Liebesleben im partnerschaftlichen oder sexuellen Sinne zu kennen. Weder von den beiden Ehefrauen noch von den beiden Kindern des realen Munthe ist im Buch die Rede. Und der moderne Leser, dem es bei autobiographischen Werken angeblich doch gar nicht familiär genug zugehen kann, vermisst diesen obligatorischen Blick auf Tisch und Bett kein bisschen.
Noch radikaler verknappt ist der erinnernde alte Erzähler, die zweite Ich-Figur dieses Lebensromans. Munthe, der „Das Buch von San Michele” als über 70-Jähriger verfasste, beschränkt sich hier auf zwei wirkmächtige Elemente, auf seine Erblindung und auf die damit verbundene, fast mythisch anmutende Selbstgewissheit der Rückschau. Wer würde wagen, einem weisen blinden Seher zu widersprechen? Die Historie vielleicht?
Aus dem Schutt der Zeit
Schon bald erhoben sich Stimmen, die diesem Buch, gerade weil es schon in seinem zweiten Jahr zum Weltbestseller geworden war, seinen Wahrheitsgehalt streitig machen wollten. Und im Lauf der knapp acht Jahrzehnte, die es nun gelesen wird, hat man an zahlreichen Details bewiesen, wie, gelinde gesagt, frei sein Verfasser mit dem umgegangen ist, was sich mittels Recherche als Fakten aus dem Schutt der Zeit heraussieben lässt.
Mit souveränem Eigensinn verzichtet sein Autor, obwohl er in Wirklichkeit noch als bereits erheblich Sehbehinderter im Ersten Weltkrieg dem britischen Roten Kreuz beitrat, nahezu vollständig auf die Erwähnung all der Geschehnisse, die uns Politik, Historie, Ideologie und oft genug auch die Literatur als bedeutsam verkaufen wollen. Das 20. Jahrhundert, das in der medialen Verwertung seiner Gräuel das superlativische Säkulum war, zerperlt in ein paar Dutzend erlesene Tage. Sie mischen sich ohne klar erkennbare Folge mit denjenigen Episoden, die sein Vorgängerjahrhundert, dem der Archivierungswahn der Philologie und das Großmannsgetue der totalen historischen Rückschau die Brust blähten, wie eine Handvoll loser Schmucksteine herausrücken muss. Kann man sich einen bekömmlicheren Eskapismus denken? Selig der Leser, dem die Flucht in das Glitzern der Augenblicke, in das Licht von San Michele, auch in unserem neuen, nicht weniger geltungsgierigen Jahrhundert gelingt! GEORG KLEIN
Ein Ich mit zwei Hunden: Der Arzt und Erfolgsschriftsteller Axel Munthe wusste Grandiosität und Understatement gut zu balancieren. Foto: SV-Bilderdienst
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Dem Romancier Axel Munthe zum 150. Geburtstag
Bis heute erkennen die Leser das Wesen dieses erstmals 1929 erschienenen Romans auf den ersten Blick. Axel Munthes „Das Buch von San Michele” braucht keinen lockenden Klappentext, der mit „Welterfolg” und „Longseller” prahlt. Es genügt, die erste Seite zu überfliegen – in einer unserer ungut gläsern gewordenen Buchhandlungen, im Teppichboden-Mief einer renovierungsbedürftigen Stadtbibliothek oder gebeugt über die Bücherkiste eines Flohmarkts.
Widrige Umstände können dem Hineinlesen nur nützen, denn dieser Schmöker ist für den gemacht, der den engmaschigen Ärgernissen des modernen Lebens, dem Fangnetz seiner Komplexität, in eine andere Welt entschlüpfen möchte. Schamlos weit kommt dieser Sehnsucht die Handlung entgegen, wenn sie mit einem gelungenen Ausbruch anhebt: Ein erschöpfter, von Schlaflosigkeit zerrütteter Modearzt hat seine Pariser Praxis Hals über Kopf hinter sich gelassen. Er, der trotz seiner Jugend schon vielen geholfen hat, ist selbst der Heilung bedürftig geworden. Ein verklärtes, fast archaisch unberührtes Capri nimmt ihn auf.
Gleich mit dem ersten Wort sagt das Buch „Ich”. Wie dies in einem autobiographischen Roman gelingt, entscheidet über die Eigenart und Intensität der Identifikation, die seine Lektüre uns ermöglicht. Munthes Ego-Sound ist hoch-intim und hoch-diszipliniert zugleich. Von der ersten Szene an darf man ganz nah am Gemüt des Helden sein. Aber zugleich ist dessen Fühlen und Denken so gründlich geläutert, dass wir uns nie von kleinlich Privatem, von launisch Zufälligem belästigt fühlen. Sogar wo Munthe seine verblüffenden Erfolge, die Berühmtheit seiner Patienten oder sein wohltätiges Engagement ins helle Licht seiner perfekten Szenen stellt, wahrt er einen ebenso makellosen letzten Abstand zur Grandiosität der Taten und zum Glanz ihrer außerordentlichen Umstände. Dies ist nicht allein dem geläufigen erzählerischen Kunstgriff geschuldet, dass wir es mit einem doppelten Ich, mit dem Akteur und dem Erinnernden, zu tun haben. Ihren speziellen Liebreiz erhält diese konventionelle Spaltung durch die konsequente Künstlichkeit der beiden Instanzen.
Der erfolgreiche Herr Doktor, dessen Wartezimmer der europäische Hochadel und Prominenz aus Politik und Kunst füllt, ist eine auf wenige Züge reduzierte Figur. Dieser Schwede im Exil bleibt von Erlebnis zu Erlebnis auf eine merkwürdige Weise unverändert jung, ja jungenhaft. Mit sicherem Instinkt und einem kräftigen Schuss kecker Scharlatanerie kuriert er die Wehwehchen seiner verwöhnten Patienten. Parallel dazu widmet er sich den Armen in den Arbeitervierteln. Und immer wieder ist er bereit, das existentielle Gegenüber, das leidende Du, im misshandelten Tier zu sehen. Diese unermüdlich mitfühlende Seele scheint jedoch kein Liebesleben im partnerschaftlichen oder sexuellen Sinne zu kennen. Weder von den beiden Ehefrauen noch von den beiden Kindern des realen Munthe ist im Buch die Rede. Und der moderne Leser, dem es bei autobiographischen Werken angeblich doch gar nicht familiär genug zugehen kann, vermisst diesen obligatorischen Blick auf Tisch und Bett kein bisschen.
Noch radikaler verknappt ist der erinnernde alte Erzähler, die zweite Ich-Figur dieses Lebensromans. Munthe, der „Das Buch von San Michele” als über 70-Jähriger verfasste, beschränkt sich hier auf zwei wirkmächtige Elemente, auf seine Erblindung und auf die damit verbundene, fast mythisch anmutende Selbstgewissheit der Rückschau. Wer würde wagen, einem weisen blinden Seher zu widersprechen? Die Historie vielleicht?
Aus dem Schutt der Zeit
Schon bald erhoben sich Stimmen, die diesem Buch, gerade weil es schon in seinem zweiten Jahr zum Weltbestseller geworden war, seinen Wahrheitsgehalt streitig machen wollten. Und im Lauf der knapp acht Jahrzehnte, die es nun gelesen wird, hat man an zahlreichen Details bewiesen, wie, gelinde gesagt, frei sein Verfasser mit dem umgegangen ist, was sich mittels Recherche als Fakten aus dem Schutt der Zeit heraussieben lässt.
Mit souveränem Eigensinn verzichtet sein Autor, obwohl er in Wirklichkeit noch als bereits erheblich Sehbehinderter im Ersten Weltkrieg dem britischen Roten Kreuz beitrat, nahezu vollständig auf die Erwähnung all der Geschehnisse, die uns Politik, Historie, Ideologie und oft genug auch die Literatur als bedeutsam verkaufen wollen. Das 20. Jahrhundert, das in der medialen Verwertung seiner Gräuel das superlativische Säkulum war, zerperlt in ein paar Dutzend erlesene Tage. Sie mischen sich ohne klar erkennbare Folge mit denjenigen Episoden, die sein Vorgängerjahrhundert, dem der Archivierungswahn der Philologie und das Großmannsgetue der totalen historischen Rückschau die Brust blähten, wie eine Handvoll loser Schmucksteine herausrücken muss. Kann man sich einen bekömmlicheren Eskapismus denken? Selig der Leser, dem die Flucht in das Glitzern der Augenblicke, in das Licht von San Michele, auch in unserem neuen, nicht weniger geltungsgierigen Jahrhundert gelingt! GEORG KLEIN
Ein Ich mit zwei Hunden: Der Arzt und Erfolgsschriftsteller Axel Munthe wusste Grandiosität und Understatement gut zu balancieren. Foto: SV-Bilderdienst
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