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Wer war Joseph Caspar Witsch? Eine Spurensuche
Dies ist die Geschichte eines der innovativsten Verleger der frühen Bundesrepublik, in der es um Autoren, kulturellen und politischen Einfluss sowie um wirtschaftlichen Erfolg geht. Aber der Lebensweg des J.C. Witsch ist viel mehr als das - es ist eine schwindelerregende Reise durch die historischen Abgründe des 20. Jahrhunderts.Geboren und aufgewachsen in Köln geriet der junge Bibliothekar J.C. Witsch früh in Konflikt mit dem aufkommenden Nazi-Regime, stieg aber noch 1936 zum obersten »Volksbibliothekar« Thüringens auf. Zurückgekehrt von…mehr

Produktbeschreibung
Wer war Joseph Caspar Witsch? Eine Spurensuche

Dies ist die Geschichte eines der innovativsten Verleger der frühen Bundesrepublik, in der es um Autoren, kulturellen und politischen Einfluss sowie um wirtschaftlichen Erfolg geht. Aber der Lebensweg des J.C. Witsch ist viel mehr als das - es ist eine schwindelerregende Reise durch die historischen Abgründe des 20. Jahrhunderts.Geboren und aufgewachsen in Köln geriet der junge Bibliothekar J.C. Witsch früh in Konflikt mit dem aufkommenden Nazi-Regime, stieg aber noch 1936 zum obersten »Volksbibliothekar« Thüringens auf. Zurückgekehrt von seinem Kriegseinsatz in Italien führte er seine Ämter sogleich unter der sowjetischen Besatzungsmacht in Jena weiter, floh dann nach heftigen Auseinandersetzungen um ein neues Büchereigesetz und über seine Rolle in der NS-Zeit nach Westdeutschland, wo 1951 in Köln die ersten Bücher unter dem Verlagsnamen Kiepenheuer & Witsch erschienen. Er wird sofort zum Verleger großer belletristischer Autoren der Vor- und Nachkriegszeit (Heinrich Böll, Czewslaw Milosz, Joseph Roth, Erich Maria Remarque, Saul Bellow, J.D. Salinger, Vicki Baum, Ignazio Silone u.v.a.), war aber zugleich einer der einflussreichsten Netzwerker des Kalten Krieges gegen den Kommunismus. In diesem Zusammenhang publizierte er viele Klassiker der Kommunismuskritik wie Wolfgang Leonhards »Die Revolution entlässt ihre Kinder«, gründete einen Nebenverlag, der weitgehend vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen finanziert wurde und war der Kölner Statthalter des »Kongresses für kulturelle Freiheit«, dessen europäische Zentrale in Paris von der CIA gesteuert und finanziert wurde.Zugleich war er ein großer Kenner der Weltliteratur, ein Entdecker und Verführer, ein inspirierender öffentlicher Intellektueller und ein erfolgreicher Unternehmer.
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Autorenporträt
Frank Möller, Jahrgang 1954, Historiker, Germanist, Verlagskaufmann; zwei Jahre Redakteur der taz, sieben Jahre Verleger des Kölner Volksblatt Verlags, zwanzig Jahre freier Autor des Deutschlandfunks; Produktion und Management wissenschaftlicher Ausstellungen, Forschung und Prozessorganisation zu erinnerungspolitischen Themen und Fragestellungen. Nach seinem Buch Das Buch Witsch über die frühen Jahre von Joseph Caspar Witsch widmet er sich nun dem Verlagsprogramm.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Reinhard Wittmann weiß, dass mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auch siebenundsechzig Regalmeter des Verlagsarchivs von Kiepenheuer & Witsch verloren gingen, die für eine quellengedeckte Verlagsgeschichte wichtig gewesen wären. Ob und wie Frank Möller mit diesem Umstand umgeht, wird sich aber erst im zweiten "Buch Witsch" zeigen, so der Rezensent, das erste widmet sich vor allem Joseph Caspar Witschs Lebensgeschichte im Nationalsozialismus, in der DDR und schließlich in der Bundesrepublik, dem Zusammenschluss mit Gustav Kiepenheuer und dem Streit mit der Witwe nach dessen Tod, fasst Wittmann zusammen. Besonders interessant findet der Rezensent, wie sich der "Antikommunismus als Verlagsprogramm und Dienstleistung", wie es bei Möller heißt, mit der bedeutenden Finanzierung durch US-Mittel fügt. Es wären hier Vergleiche zu anderen und ähnlichen publizistischen Strategien während des Kalten Krieges spannend, findet Wittmann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2015

Der Kampf für die Freiheit war sein Bombengeschäft
Frank Möller erzählt die Geschichte der politischen Publizistik von Joseph Caspar Witsch und liefert Einblicke in die publizistischen Strategien des Kalten Krieges

Als im März 2009 das Kölner Stadtarchiv dem U-Bahn-Bau zum Opfer fiel, ging neben zahllosen mittelalterlichen Urkunden und dem Nachlass von Heinrich Böll auch das umfangreiche Verlagsarchiv von Kiepenheuer & Witsch (wohl endgültig) zugrunde - 67 Regalmeter, darunter rund 35 000 Briefe von und an den Verleger Joseph Caspar Witsch. Dessen jetziger Biograph Frank Möller hatte aber schon Tausende Kopien angefertigt. Verloren sind unter anderem die gesamte Lektoratskorrespondenz (samt dem Vorlass des Lektors Dieter Wellershoff), Produktionsunterlagen und Bilanzen, kurz: die Grundlagen für eine quellenbasierte Geschichte des Verlags.

1906 in Köln-Kalk geboren, wuchs Witsch in der katholischen Quickborn-Bewegung auf, sympathisierte dann aber mit der SAP, jener linken SPD-Abspaltung, zu der sich auch Willy Brandt bekannte. 1933 trat er, denunziert, in die SA ein und machte schnell Karriere als Volksbibliothekar. Der Dreißigjährige wurde nach Jena berufen, zum Leiter der Thüringischen Landesstelle für volkstümliches Büchereiwesen und zugleich zum Direktor der renommierten, doch reformbedürftigen Jenaer Abbe-Bücherei. Er galt als umtriebiger Modernisierer, der statt aufdringlicher Leserpädagogik für die "totale Bücherei" plädierte, ein engmaschiges Netz der Grundversorgung mit zentraler Bestandssteuerung.

Solcher Eifer und Erfolg waren nicht ohne Konzessionen denkbar. Die Mitgliedskartei der NSDAP führte ihn von 1937 an. In seinen Publikationen, vor allem Bestandsverzeichnissen, die auch als Empfehlungslisten dienten ("Der Führer in hundert Büchern", "Deutschland im Kampf für ein neues Europa"), finden sich Hitlerkult, Kriegspropaganda und antisemitische Stereotype. Dergleichen empfahl ihn 1942 für die Schriftleitung des Fachorgans "Die Bücherei".

War solche Gesinnungsfestigkeit nur eine "für alle Funktionsträger verbindliche Fassade", wie Möller meint? Er trägt in einem fiktiven Interview mit Witsch dessen Rechtfertigungsargumente zusammen, deren Selbstgerechtigkeit heute irritieren mag, damals freilich die Regel war: "Ich bin an keinem Tag dieser zwölf Jahre davor sicher gewesen, verhaftet zu werden, und habe mich auch nie sicher gefühlt ... Ich selbst bin, das gebe ich unumwunden zu, stolz darauf, dass mir die Tarnung gelungen ist. Das hat nicht nur mir genützt, das hat sehr vielen anderen Menschen genützt, und das hat vor allen Dingen meiner Sache genützt."

Nach kurzem militärischen Intermezzo kehrte Witsch an seinen nun ostzonalen Arbeitsplatz zurück. Im Juli 1945 fertigte er einen Entwurf für eine Säuberung der Thüringer Bibliotheken an. Als SPD- und damit alsbald SED-Mitglied war er rasch zuständig für Verlagslizenzierungen, Ausbildung des bibliothekarischen Nachwuchses und Ausarbeitung eines Büchereigesetzes. Doch gegen das Ziel strikter ideologischer Konformität sämtlicher Büchereien sträubte er sich, zugleich begann eine heftige Denunziationskampagne, die ihn als üblen Ex-Nazi schmähte. Anfang 1948 ließ man den Genossen Witsch fallen; er floh in die britische Zone, wo er mit dem berühmten Gustav Kiepenheuer einen Verlag gründete. Noch bevor Anfang 1949 die Lizenz eintraf, kam zum Weihnachtsgeschäft 1948 in Hagen das erste Buch heraus: "Schneeweißchen und Rosenrot" der Brüder Grimm, schnell gefolgt von Julien Green, Ricarda Huch und Franz Kafka. Als Kiepenheuer im April 1949 starb, wollte die Witwe jedoch dessen alten Verlag in Weimar halten. Es begann, je nach Perspektive, ein Schurken- oder Heldenstück um Buchbestände und Lizenzgebühren: listiger Jungverleger entwischt ostzonaler Umklammerung oder rheinischer Kapitalist übertölpelt redliche fortschrittliche Erbin. Man einigte sich 1951, der Westverlag zog nach Köln. Dort widmete sich Witsch neben der Verlagsarbeit mit außerordentlichem Engagement der politisch-polemischen Arbeit im Zeichen des intensiveren Kalten Krieges. Knapp die Hälfte von Möllers Buch ist Witschs umfangreichen antikommunistischen Aktivitäten in der frühen Bundesrepublik gewidmet. Es habe keinen zweiten Verlag gegeben, "in dessen Programm die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus über eine Zeit von 15 Jahren eine derart breite Spur hinterlassen hat". Er gründete Imprints (vor allem den Verlag für Politik und Wirtschaft), Buchreihen, Zeitschriften, organisierte und plante unablässig als agiler Initiator, der politische und ökonomische Interessen zu verbinden verstand, und wirkte in zahlreichen Foren, Zirkeln, mehr oder minder diskreten Seilschaften und Klüngeln maßgeblich mit.

Natürlich sorgte Witsch dafür, dass der ideologische Kampf für Freiheit und Demokratie auch ein glänzendes Geschäft war. Eine Reihe "Roter Weißbücher", die auch in die SBZ geschmuggelt wurde, subventionierte das amerikanische Hochkommissariat mit Zuschüssen (teils agentenromantisch auch mittels Bargeldköfferchen). Von Wolfgang Leonhards Bestseller "Die Revolution entlässt ihre Kinder" (1955) gab es vier Tarnversionen für den Absatz im Osten. Die jährliche Materialsammlung "SBZ-Archiv" bot mit einer Fülle von Dokumenten Einblick in das totalitäre System des SED-Regimes.

Die Finanzierung dieser Produktion ging in den fünfziger Jahren auf die Bonner Ministerien und Behörden über. Kiepenheuer & Witsch galt als eine Art Hausverlag des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen. Möller sieht darin "Antikommunismus als Verlagsprogramm und Dienstleistung"; er zählt von 1950 bis 1967 insgesamt mehr als hundert Verlagstitel, die sich kritisch mit dem kommunistischen System und der DDR befassen. Die umfassten aber auch engagierte politische Sachbücher, etwa von Czeslaw Milosz oder Raymond Aron, Autobiographien von Exkommunisten wie Margarete Buber-Neumann und Arthur Koestler.

Besonders eingehend befasst sich Möller mit dem 1950 gegründeten "Kongreß für kulturelle Freiheit" (CCF), der während anderthalb Jahrzehnten als maßgebliche westliche Agentur des Kalten Krieges galt. Allerdings gab es jenseits des antikommunistischen Grundkonsenses unter den Protagonisten erhebliche interne Spannungen trotz (oder wegen?) üppiger Finanzierung, hauptsächlich durch die CIA. Der CCF war lange Jahre Abnehmer von Witschs einschlägiger Produktion für Verteilungsaktionen in der DDR. Eine Niederlage musste der Verleger beim Wettbewerb um Melvin Laskys "Monat" einstecken: Klaus Harpprecht brachte die Zeitschrift 1967 als Morgengabe zu S. Fischer, der CCF-und CIA-Verbindungsmann versprach für fünf Jahre eine Million D-Mark Zuschuss. Doch spätestens mit dem Erscheinen von Suhrkamps "Kursbuch" im Folgejahr büßte der "Monat" seine Rolle ein.

Mit seinem flammenden Antikommunismus bewegte sich Witsch im damaligen politischen und gesellschaftlichen Mainstream. Gegen ein Wiederaufleben braunen Ungeistes hat er sich eingesetzt, aber er sah die Deutschen eher als Opfer- denn Tätergemeinschaft und ließ bei einstigen Jasagern unter seinen Autoren Nachsicht walten. Schließlich war er auch selbst einer radikalen Gewissensprüfung stets ausgewichen.

Möller hat eine quellengesättigte Biographie vorgelegt, die sich um eine ausgewogene Würdigung des problematischen Homo politicus Witsch bemüht. Man kann die empörte Behauptung der Töchter Witschs nicht nachvollziehen, das Buch sei "eine geschickt manipulierte Verunglimpfung einer dem Autor offensichtlich völlig fremden Persönlichkeit". Trotz mancher Längen bietet sich ein erhellender, nicht selten spannender Blick hinter die kulturpolitischen Kulissen der Adenauer-Zeit und die publizistischen Strategien des Kalten Krieges.

Das Buch ist allerdings keine Verlagsgeschichte. Es fällt kein vergleichender Seitenblick auf ähnliche Erfolgsfiguren der Buchbranche nach 1945 wie etwa Kurt Desch, Reinhard Mohn, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt oder auch Peter Suhrkamp. Ein Profil des Verlags entsteht nicht, das Literaturprogramm wird erklärtermaßen gänzlich ausgespart, es gibt keinen Überblick der Gesamtproduktion, keine Wirtschaftszahlen, keine Unternehmenschronik. Ob es Möller trotz der Zerstörung des Verlagsarchivs noch gelingen kann, die wichtige Rolle von Kiepenheuer & Witsch im literarischen Leben der frühen Bundesrepublik zu schildern, wird das bereits angekündigte zweite "Buch Witsch" zeigen.

REINHARD WITTMANN.

Frank Möller: "Das Buch Witsch". Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 778 S., Abb., geb., 29,99 [Euro].

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