Der umfassende Überblick Dokumente aus 2000 Jahren Geschichte, Einführungen, Kommentare, theologische Perspektiven, kulturelle Orientierung Die informative Gesamtdarstellung Längsschnitte und Schlüsselthemen Die aktuelle Erschließung Das Christentum im Dialog mit Erfahrungen und Fragen der Gegenwart Der außergewöhnliche Band entfaltet ein facettenreiches Bild des Christentums.
Er verbindet lebendige Zeugnisse mit klaren Linien thematischer Konzentration.
Lesern, die Wirkungsgeschichte und aktuelle Perspektiven der prägenden Kraft unserer Kultur verstehen wollen, bietet das Werk ein faszinierendes Panorama.
Hubertus Halbfas stellt das Christentum im Spiegel geschichtlicher Zeugnisse in völlig neuartiger Weise vor. Statt einlinig durch die Zeiten zu führen, setzt er unter wechselnden Fragestellungen immer wieder erneut an, um möglichst vielschichtig wahrzunehmen. Thematisch differenzierte Längsschnitte - wie Kirche und Staat, Krieg und Frieden, Ketzer, Frauen, Nächstenliebe - ermöglichen den Blick auf Tendenzen, latente Prägungen, Richtungen und Probleme.
Er greift Schlüsselbereiche auf, die es erlauben, sich "dem" Christlichen zu nähern, seinen Grundlagen, Leistungen und Lehren, seinen Versäumnissen und Irrwegen. Dies geschieht nicht durch Darstellung aus einer Feder - vielmehr kommt das, was Geschichte machte, in Originaltexten selbst zu Wort. Die Kommentierung erlaubt die Einordnung in die jeweilige Zeit. Begleitende Stimmen verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart.
Zahlreiche Abbildungen helfen zu vertieftem Verständnis und stellen neue und aktuell bedeutsame Sichtweisen vor.
Er verbindet lebendige Zeugnisse mit klaren Linien thematischer Konzentration.
Lesern, die Wirkungsgeschichte und aktuelle Perspektiven der prägenden Kraft unserer Kultur verstehen wollen, bietet das Werk ein faszinierendes Panorama.
Hubertus Halbfas stellt das Christentum im Spiegel geschichtlicher Zeugnisse in völlig neuartiger Weise vor. Statt einlinig durch die Zeiten zu führen, setzt er unter wechselnden Fragestellungen immer wieder erneut an, um möglichst vielschichtig wahrzunehmen. Thematisch differenzierte Längsschnitte - wie Kirche und Staat, Krieg und Frieden, Ketzer, Frauen, Nächstenliebe - ermöglichen den Blick auf Tendenzen, latente Prägungen, Richtungen und Probleme.
Er greift Schlüsselbereiche auf, die es erlauben, sich "dem" Christlichen zu nähern, seinen Grundlagen, Leistungen und Lehren, seinen Versäumnissen und Irrwegen. Dies geschieht nicht durch Darstellung aus einer Feder - vielmehr kommt das, was Geschichte machte, in Originaltexten selbst zu Wort. Die Kommentierung erlaubt die Einordnung in die jeweilige Zeit. Begleitende Stimmen verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart.
Zahlreiche Abbildungen helfen zu vertieftem Verständnis und stellen neue und aktuell bedeutsame Sichtweisen vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2004Ich aber sage euch: Die Kirche ist bis eben jetzt im dunkeln herumgetappt
Beipackzettel zu einer weihnachtlichen Monumentalfibel: Hubertus Halbfas hat ein Heilmittel gegen Christen entwickelt, die noch an Jesus als den Sohn Gottes glauben
"Das Christentum" lautet der vollkommen bescheidene Titel eines 591 Seiten starken Prachtbandes aus der alleinigen Feder des bekannten katholischen Religionspädagogen Hubertus Halbfas. Das Werk ist in Sachkapitel gegliedert, die jeweils die Geschichte eines Themas im Laufe der Kirchenhistorie beschreiben. Also nach den "Anfängen" dann etwa "Kirche und Staat", "Juden", "Krieg", "Ketzer", "Frauen" und neun andere Themen. Dazu gibt es thematische Exkurse. Da Halbfas didaktisch begabt ist, hat er den Band reich bebildert, oft mehrfarbig, häufig mit Fotos und Zeugnissen moderner Kunst. Der Text wird unterteilt durch eine Kette von Originalzitaten. Ein Drittel jeder Seite nehmen zusätzliche Zitate am Rande ein. So ist das Gesamtwerk ein Text- und Bilderbuch zur Kirchengeschichte, ergänzt um die Reminiszenzen und Aktualisierungen dieses Religionslehrers. Nebenbei bemerkt: Die Herstellungskosten des Werkes müssen immens gewesen sein, und so scheint denn der Verlag damit zu rechnen, daß dieses Werk zum Standardwerk des Religionsunterrichtes und tendenziell zum einzigen Buch in diesem Fach wird.
Um so wichtiger ist es zu wissen, was die Botschaft dieses Buches ist, also seine sehr spezielle Tendenz. Da der Verfasser das nicht zu erkennen gibt und der Laie meinen könnte, die Botschaft sei eben "das Christentum", sieht sich der Rezensent veranlaßt, den Beipackzettel zu schreiben. Die Adressaten sind (siehe die Abbildungen) sinnfreudige Religionslehrer und -lehrerinnen. Soweit das Positive. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird deren "intendiertes Alter" auf "kurz über 70" anzusetzen sein, also dem des Autors entsprechend, Menschen demnach, die in der Mitte ihres Lebens "das Konzil" erlebt haben, Menschen, denen Seite um Seite eingehämmert werden muß, was sie vielleicht noch nicht mitbekommen haben, was "correctness" ist in unserem Land, also daß kirchliche Hierarchie schädlich ist und Feminismus samt Frauenpriestertum (man sagt jetzt "Presbyterin") wünschenswert, und natürlich ist Transsubstantiation "out", statt dessen wird sogar Otto Kuss mit seinem Spätwerk bemüht, wonach moderne Katholiken sich in dieser haarigen Sache an Calvin hielten.
John Henry Newman gibt es nicht, der "Kulturphilosoph" Josef Nolte wird statt dessen mehrfach zitiert. Apokalyptik gibt es nicht, aber in das Kapitel Kirche und Staat hätte sie schon hineingehört, etwa Apk. 13, wonach die römische Obrigkeit vom Teufel ist, und dies in Kontrast zu Röm. 13, wonach Gott sie eingesetzt hat. Und natürlich ist Halbfas gegen den Zölibat, er erklärt sogar, das Kirchenvolk nehme den Zölibatsbruch hin. Aber gewiß ist er für Albert Schweitzer und Martin Luther King. Und wen wundert es, daß die tapfere Missionarin und Märtyrerin Thekla bei Halbfas unterderhand zu Apostolin wird. Keine Quelle nennt sie so, aber es ist absolut trendy, so die nächste Generation Religionsunterricht zu beeinflussen. Und gewiß ist es richtig, gegen Diskriminierung von Juden, Frauen und Hexen zu eifern und dazu gegen Kriegspredigten von Feldbischöfen.
Doch ich melde gehorsam, daß ich das alles seit vierzig Jahren verstanden habe. Und daß man es jede Woche im Fernsehen sieht und hört. Tragischerweise war es wohl auch das, weshalb meine Kinder klagten: "Reli ist soo langweilig." Viele Kinder haben sich daraufhin vom Religionsunterricht ab- und für "Philosophie" angemeldet, denn dort wurden Themen wie Sünde und Gnade, Schöpfung und Kreuz erörtert. Wenn das Buch gut ankommt, wird sich diese Art Religionsunterricht noch jahrzehntelang fortsetzen. Verglichen mit den gewaltigen Themen von Schöpfung und Erlösung, läuft das Buch von Halbfas auf der moralisierenden Betroffenheitsschiene. Denn das kann man kirchenpolitisch ausschlachten. Vom Sühnetod Jesu habe ich gar nichts gefunden. Saftige Kirchenpolitik wird auch betrieben, wenn Jesu letztes Mahl stets von Jesu "offenen Tischgemeinschaften" her gesehen wird. Doch bei den offenen missionarischen Mahlzeiten gab es weder Deuteworte, noch den Zwölferkreis, noch wurde der Neue Bund geschlossen und wesentlich damit Kirche als Institution gegründet.
Wäre das Buch 1962 geschrieben, ich hätte es vermutlich froher beurteilt, damals mit einundzwanzig Jahren. Aber nach vierzig Jahren sind diese Ansichten nicht mehr taufrisch, sondern auf höchst provinzielle Weise altmodisch. Wer wird es denn Halbfas wirklich abnehmen, wenn er es als neuestes exegetisches Ergebnis aus Österreich vorstellt (das man natürlich unbedingt glauben muß), Jesu habe mit "Das ist mein Leib" nicht das Brot gemeint, sondern die versammelte Gemeinschaft der Jünger? Natürlich kann man das meinen, man kann ja auch Auto fahren, daß es im Getriebe kracht. Formgeschichtlich gesehen, liegt hier wohl kaum bestreitbar die Gattung der Deuteworte vor, mit denen derjenige, der eine präsente Materie erklärt, dazu sagt: "Dies ist", wie weiland Moses in 2. Mose 24,8 "Dies ist das Blut des Bundes" oder in jüdischen Texten "Diese Honigwabe ist der Geist des Lebens". Nun, es muß nicht jeder alles aus der Formgeschichte wissen, aber natürlich hat diese Einsicht aus Österreich für Halbfas und sein Publikum kirchenpolitische Brisanz.
So geht es immer wieder in diesem Buch, und für die Leserschaft jenseits der Siebzig ist es noch immer höchst aufregend, wenn ein katholischer Theologe erklärt, die Kirche sei fast zweitausend Jahre bis eben jetzt im dunkeln herumgetappt. Felsenfest verkündet Halbfas den "Konsens der historisch-kritischen Exegese", erklärt ihn zur neuen, unfehlbaren Norm. Ich gebe gerne zu: Ein Teil meines Lebenskampfes besteht darin, vor allem katholische Theologen, auch wenn sie aus der Schweiz kommen oder Kardinal sind, die Entmythologisierung der Exegese zur Pflichtaufgabe zu machen. Wir Exegeten sollten bescheidener sein. Oder anders gesagt: Kirchenpolitik mit einem für den Schlußverkauf reduzierten Jesus in der Hand ist ein Aberwitz.
Bei Halbfas ist dieser Glaube an die neue (und doch eben wieder völlig veraltete) Unfehlbarkeit der Exegese so weit gediehen, daß er gegen Ende seines Buches lapidar erklären kann: "Jesus hat sich weder als ,Messias' noch als ,Sohn Gottes' verstanden." Soweit ist es mit der Autorität, die vergötterte Exegese nebst Halbfas haben, gekommen, daß man derartige Sätze gar nicht mehr begründen muß. In allen Evangelien steht es umgekehrt zu lesen, doch man glaubt einfach den Exegeten mehr als den Texten. Gewiß hat für Halbfas Jesus auch keine Toten erweckt, ist er nicht auf dem Wasser gegangen, hat er nicht Wasser zu Wein verwandelt. Wer das doch glaubt, ist vermutlich - aus der Sicht von Halbfas - total im Rückstand und hat das kopernikanische Weltbild noch nicht kapiert. Man müsse - wegen der Exegese - bei Jesus als einem schlichten Juden neu beginnen. Das mit dem Juden Jesus finde ich sehr richtig, aber gerade das Judentum redete von Menschen als "Sohn Gottes". Und die Idee mit der Schechina, die in Jesus gewohnt habe und so die Dogmatik an das Judentum zurückbinde, halte ich deshalb für verfehlt, weil die Schechina überall in der Welt zu finden und keine Person (auch nicht im biblischen Sinne) ist. Und seit wann darf sich christlicher Glaube nicht mehr vom Judentum unterscheiden?
Mit dem Mann aus der Schweiz in Tübingen kämpft Halbfas noch immer den Kampf der sechziger Jahre gegen die Hellenisierung des Christentums. Doch längst weiß man, daß das Judentum zur Zeit Jesu schon zweihundertfünfzig Jahre lang hellenisiert war. Und was, wenn Jesus überhaupt und hauptsächlich Griechisch gesprochen hat, wie es die vier Evangelien und die Ausgrabungen von Sephoris, sieben Kilometer von Nazareth entfernt, nahelegen?
Die grundsätzliche Abqualifizierung von Dogma und Dogmengeschichte, die Halbfas vornimmt, wird sich bitter rächen: Die Fragen, die sie erörtert hat, waren nicht zufällig, und die Antworten sind filigrane Arbeiten großer Geister. Da können wir uns alle miteinander nur verstecken. Nicht das griechische Denken - das es so gar nicht gibt - ist das Unglück, sondern unsere mangelnde Fähigkeit zu übersetzen. Aber dafür muß man erst die alten Texte verstehen (wollen). Halbfas erweckt gerade diesen Eindruck nicht unbedingt.
Wie soll es weitergehen mit dem Christentum nach Halbfas? Die Idee mit dem Kloster auf Zeit nehme ich gerne auf. Die Behauptung indes, die tragfähige Basis für die Erneuerung der Kirche bestehe darin, "die exegetischen Befunde" an die Gemeinden zu vermitteln, bedeutet angesichts von deren Relativität und Fragilität nichts anderes, als die Kirche auf zufälligen Einsichten und subjektiven Thesen bauen zu wollen. Im Beipackzettel stünde das unter "Nebenwirkungen": Achtung! Treibsand!
KLAUS BERGER
"Das Christentum". Erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas. Patmos Verlag, Düsseldorf 2004. 600 S., 400 Abb., geb., Subskr.-Preis bis 15. Januar 2005 49,90 [Euro], danach 58,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beipackzettel zu einer weihnachtlichen Monumentalfibel: Hubertus Halbfas hat ein Heilmittel gegen Christen entwickelt, die noch an Jesus als den Sohn Gottes glauben
"Das Christentum" lautet der vollkommen bescheidene Titel eines 591 Seiten starken Prachtbandes aus der alleinigen Feder des bekannten katholischen Religionspädagogen Hubertus Halbfas. Das Werk ist in Sachkapitel gegliedert, die jeweils die Geschichte eines Themas im Laufe der Kirchenhistorie beschreiben. Also nach den "Anfängen" dann etwa "Kirche und Staat", "Juden", "Krieg", "Ketzer", "Frauen" und neun andere Themen. Dazu gibt es thematische Exkurse. Da Halbfas didaktisch begabt ist, hat er den Band reich bebildert, oft mehrfarbig, häufig mit Fotos und Zeugnissen moderner Kunst. Der Text wird unterteilt durch eine Kette von Originalzitaten. Ein Drittel jeder Seite nehmen zusätzliche Zitate am Rande ein. So ist das Gesamtwerk ein Text- und Bilderbuch zur Kirchengeschichte, ergänzt um die Reminiszenzen und Aktualisierungen dieses Religionslehrers. Nebenbei bemerkt: Die Herstellungskosten des Werkes müssen immens gewesen sein, und so scheint denn der Verlag damit zu rechnen, daß dieses Werk zum Standardwerk des Religionsunterrichtes und tendenziell zum einzigen Buch in diesem Fach wird.
Um so wichtiger ist es zu wissen, was die Botschaft dieses Buches ist, also seine sehr spezielle Tendenz. Da der Verfasser das nicht zu erkennen gibt und der Laie meinen könnte, die Botschaft sei eben "das Christentum", sieht sich der Rezensent veranlaßt, den Beipackzettel zu schreiben. Die Adressaten sind (siehe die Abbildungen) sinnfreudige Religionslehrer und -lehrerinnen. Soweit das Positive. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird deren "intendiertes Alter" auf "kurz über 70" anzusetzen sein, also dem des Autors entsprechend, Menschen demnach, die in der Mitte ihres Lebens "das Konzil" erlebt haben, Menschen, denen Seite um Seite eingehämmert werden muß, was sie vielleicht noch nicht mitbekommen haben, was "correctness" ist in unserem Land, also daß kirchliche Hierarchie schädlich ist und Feminismus samt Frauenpriestertum (man sagt jetzt "Presbyterin") wünschenswert, und natürlich ist Transsubstantiation "out", statt dessen wird sogar Otto Kuss mit seinem Spätwerk bemüht, wonach moderne Katholiken sich in dieser haarigen Sache an Calvin hielten.
John Henry Newman gibt es nicht, der "Kulturphilosoph" Josef Nolte wird statt dessen mehrfach zitiert. Apokalyptik gibt es nicht, aber in das Kapitel Kirche und Staat hätte sie schon hineingehört, etwa Apk. 13, wonach die römische Obrigkeit vom Teufel ist, und dies in Kontrast zu Röm. 13, wonach Gott sie eingesetzt hat. Und natürlich ist Halbfas gegen den Zölibat, er erklärt sogar, das Kirchenvolk nehme den Zölibatsbruch hin. Aber gewiß ist er für Albert Schweitzer und Martin Luther King. Und wen wundert es, daß die tapfere Missionarin und Märtyrerin Thekla bei Halbfas unterderhand zu Apostolin wird. Keine Quelle nennt sie so, aber es ist absolut trendy, so die nächste Generation Religionsunterricht zu beeinflussen. Und gewiß ist es richtig, gegen Diskriminierung von Juden, Frauen und Hexen zu eifern und dazu gegen Kriegspredigten von Feldbischöfen.
Doch ich melde gehorsam, daß ich das alles seit vierzig Jahren verstanden habe. Und daß man es jede Woche im Fernsehen sieht und hört. Tragischerweise war es wohl auch das, weshalb meine Kinder klagten: "Reli ist soo langweilig." Viele Kinder haben sich daraufhin vom Religionsunterricht ab- und für "Philosophie" angemeldet, denn dort wurden Themen wie Sünde und Gnade, Schöpfung und Kreuz erörtert. Wenn das Buch gut ankommt, wird sich diese Art Religionsunterricht noch jahrzehntelang fortsetzen. Verglichen mit den gewaltigen Themen von Schöpfung und Erlösung, läuft das Buch von Halbfas auf der moralisierenden Betroffenheitsschiene. Denn das kann man kirchenpolitisch ausschlachten. Vom Sühnetod Jesu habe ich gar nichts gefunden. Saftige Kirchenpolitik wird auch betrieben, wenn Jesu letztes Mahl stets von Jesu "offenen Tischgemeinschaften" her gesehen wird. Doch bei den offenen missionarischen Mahlzeiten gab es weder Deuteworte, noch den Zwölferkreis, noch wurde der Neue Bund geschlossen und wesentlich damit Kirche als Institution gegründet.
Wäre das Buch 1962 geschrieben, ich hätte es vermutlich froher beurteilt, damals mit einundzwanzig Jahren. Aber nach vierzig Jahren sind diese Ansichten nicht mehr taufrisch, sondern auf höchst provinzielle Weise altmodisch. Wer wird es denn Halbfas wirklich abnehmen, wenn er es als neuestes exegetisches Ergebnis aus Österreich vorstellt (das man natürlich unbedingt glauben muß), Jesu habe mit "Das ist mein Leib" nicht das Brot gemeint, sondern die versammelte Gemeinschaft der Jünger? Natürlich kann man das meinen, man kann ja auch Auto fahren, daß es im Getriebe kracht. Formgeschichtlich gesehen, liegt hier wohl kaum bestreitbar die Gattung der Deuteworte vor, mit denen derjenige, der eine präsente Materie erklärt, dazu sagt: "Dies ist", wie weiland Moses in 2. Mose 24,8 "Dies ist das Blut des Bundes" oder in jüdischen Texten "Diese Honigwabe ist der Geist des Lebens". Nun, es muß nicht jeder alles aus der Formgeschichte wissen, aber natürlich hat diese Einsicht aus Österreich für Halbfas und sein Publikum kirchenpolitische Brisanz.
So geht es immer wieder in diesem Buch, und für die Leserschaft jenseits der Siebzig ist es noch immer höchst aufregend, wenn ein katholischer Theologe erklärt, die Kirche sei fast zweitausend Jahre bis eben jetzt im dunkeln herumgetappt. Felsenfest verkündet Halbfas den "Konsens der historisch-kritischen Exegese", erklärt ihn zur neuen, unfehlbaren Norm. Ich gebe gerne zu: Ein Teil meines Lebenskampfes besteht darin, vor allem katholische Theologen, auch wenn sie aus der Schweiz kommen oder Kardinal sind, die Entmythologisierung der Exegese zur Pflichtaufgabe zu machen. Wir Exegeten sollten bescheidener sein. Oder anders gesagt: Kirchenpolitik mit einem für den Schlußverkauf reduzierten Jesus in der Hand ist ein Aberwitz.
Bei Halbfas ist dieser Glaube an die neue (und doch eben wieder völlig veraltete) Unfehlbarkeit der Exegese so weit gediehen, daß er gegen Ende seines Buches lapidar erklären kann: "Jesus hat sich weder als ,Messias' noch als ,Sohn Gottes' verstanden." Soweit ist es mit der Autorität, die vergötterte Exegese nebst Halbfas haben, gekommen, daß man derartige Sätze gar nicht mehr begründen muß. In allen Evangelien steht es umgekehrt zu lesen, doch man glaubt einfach den Exegeten mehr als den Texten. Gewiß hat für Halbfas Jesus auch keine Toten erweckt, ist er nicht auf dem Wasser gegangen, hat er nicht Wasser zu Wein verwandelt. Wer das doch glaubt, ist vermutlich - aus der Sicht von Halbfas - total im Rückstand und hat das kopernikanische Weltbild noch nicht kapiert. Man müsse - wegen der Exegese - bei Jesus als einem schlichten Juden neu beginnen. Das mit dem Juden Jesus finde ich sehr richtig, aber gerade das Judentum redete von Menschen als "Sohn Gottes". Und die Idee mit der Schechina, die in Jesus gewohnt habe und so die Dogmatik an das Judentum zurückbinde, halte ich deshalb für verfehlt, weil die Schechina überall in der Welt zu finden und keine Person (auch nicht im biblischen Sinne) ist. Und seit wann darf sich christlicher Glaube nicht mehr vom Judentum unterscheiden?
Mit dem Mann aus der Schweiz in Tübingen kämpft Halbfas noch immer den Kampf der sechziger Jahre gegen die Hellenisierung des Christentums. Doch längst weiß man, daß das Judentum zur Zeit Jesu schon zweihundertfünfzig Jahre lang hellenisiert war. Und was, wenn Jesus überhaupt und hauptsächlich Griechisch gesprochen hat, wie es die vier Evangelien und die Ausgrabungen von Sephoris, sieben Kilometer von Nazareth entfernt, nahelegen?
Die grundsätzliche Abqualifizierung von Dogma und Dogmengeschichte, die Halbfas vornimmt, wird sich bitter rächen: Die Fragen, die sie erörtert hat, waren nicht zufällig, und die Antworten sind filigrane Arbeiten großer Geister. Da können wir uns alle miteinander nur verstecken. Nicht das griechische Denken - das es so gar nicht gibt - ist das Unglück, sondern unsere mangelnde Fähigkeit zu übersetzen. Aber dafür muß man erst die alten Texte verstehen (wollen). Halbfas erweckt gerade diesen Eindruck nicht unbedingt.
Wie soll es weitergehen mit dem Christentum nach Halbfas? Die Idee mit dem Kloster auf Zeit nehme ich gerne auf. Die Behauptung indes, die tragfähige Basis für die Erneuerung der Kirche bestehe darin, "die exegetischen Befunde" an die Gemeinden zu vermitteln, bedeutet angesichts von deren Relativität und Fragilität nichts anderes, als die Kirche auf zufälligen Einsichten und subjektiven Thesen bauen zu wollen. Im Beipackzettel stünde das unter "Nebenwirkungen": Achtung! Treibsand!
KLAUS BERGER
"Das Christentum". Erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas. Patmos Verlag, Düsseldorf 2004. 600 S., 400 Abb., geb., Subskr.-Preis bis 15. Januar 2005 49,90 [Euro], danach 58,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Problematisch erscheint Rezensent Klaus Berger dieser Band des katholischen Religionspädagogen Hubertus Halbfas über das Christentum. Zwar findet Berger die Gestaltung des "Prachtbandes", der Themen wie "Kirche und Staat", "Juden", "Krieg", "Ketzer", "Frauen" und andere behandelt, und mit zahlreichen Abbildungen und Fotos aufwartet, beeindruckend. Aber mit der speziellen Tendenz des Werkes hat er so seine Schwierigkeiten. Die hätte er in den sechziger Jahren vielleicht recht positiv beurteilt, heute aber findet er sie nicht nur "nicht mehr taufrisch", sondern "auf höchst provinzielle Weise altmodisch". Berger kommt es so vor, als ob Halbfas Religionslehrer um die siebzig als Zielgruppe des Bandes vor Augen habe, denen er auf jeder Seite einhämmern müsse, dass kirchliche Hierarchie schädlich, Feminismus samt Frauenpriestertum wünschenswert, Zölibat verkehrt und Transsubstantiation "out" sei. "Verglichen mit den gewaltigen Themen von Schöpfung und Erlösung", so Berger, "läuft das Buch von Halbfas auf der moralisierenden Betroffenheitsschiene." Das könne man kirchenpolitisch ausschlachten. Im Einzelnen kritisiert Berger zudem einige theologisch fragwürdige Positionen bei Halbfas. Vor allem dessen grundsätzliche Abqualifizierung von Dogma und Dogmengeschichte stören Berger gewaltig. Und Halbfas' Behauptung, die tragfähige Basis für die Erneuerung der Kirche bestehe darin, "die exegetischen Befunde" an die Gemeinden zu vermitteln, bedeutet für Berger angesichts von deren Relativität und Fragilität nichts anderes, "als die Kirche auf zufälligen Einsichten und subjektiven Thesen bauen zu wollen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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