Samuel Hahnemann ging in seiner späten - miasmatischen - Schaffensphase davon aus, dass sich Krankheit und Symptom im Sinne des pars-pro-toto-Grundsatzes bedingen: Das periphere Lokalsymptom, z. B. das syphilitische Geschwür, beschwichtigt als Teil stellvertretend (Vikariation) das Ganze der chronischen Krankheit (Syphilis). Wird das Stellvertretersymptom nur - suppressiv - lokal behandelt, kommt es im Inneren des Organismus zum Gestaltwandel der Pathologie (Metaschematismus) und damit zur Verschärfung des chronischen Krankheitsprozesses.Mit den beiden Begriffen Vikariation und Metaschematismus ist unmittelbar das Denken der Homöopathie angesprochen. In der Tradition der Klassischen Homöopathie geht es immer um den Zusammenhang zwischen einer ganzheitlichen Krankheitsthematik (Miasma, Essenz, primäre Psora, basic delusion) und ihrer symptomatischen Äußerung. Das Vikariationsprinzip ist neben der Arzneimittelprüfung am gesunden Menschen die eigentliche innovative Entdeckung Hahnemanns und gründet im Geistesleben seiner Zeit.Die ideengeschichtliche Studie verfolgt diesen Gedanken und seine Rezeption von den Anfängen der venerologischen Forschung Hahnemanns über die Heringsche Regel bis hin zu Vithoulkas und den modernen Psychomiasmatikern. So erschließt sich zum ersten Mal ein Gesamtbild der Geschichte des klassisch homöopathischen Denkens, das zuletzt mit dem salutogenetischen Ansatz der Anthroposophischen Medizin verglichen wird.