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Ein Gang durch die Geschichte der deutschen Kunst mit unverstelltem Blick
Die romanischen Kirchen, das bayerische Rokoko, die Malerei Dürers, Grünewalds, Caspar David Friedrichs und Max Beckmanns: in diesen Namen erkennen wir den Inbegriff deutscher Kunst. Doch die unheilvolle deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, die Vereinnahmung des 'Deutschen' durch die Nationalsozialisten machen den vorurteilsfreien Blick auf die eigene Kunst unmöglich. Die Kunsthistoriker der Nachkriegszeit mieden die belastete Fragestellung. Erst nach 1989 veröffentlichten Robert Suckale sowie Heinrich Klotz und…mehr

Produktbeschreibung
Ein Gang durch die Geschichte der deutschen Kunst mit unverstelltem Blick

Die romanischen Kirchen, das bayerische Rokoko, die Malerei Dürers, Grünewalds, Caspar David Friedrichs und Max Beckmanns: in diesen Namen erkennen wir den Inbegriff deutscher Kunst. Doch die unheilvolle deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, die Vereinnahmung des 'Deutschen' durch die Nationalsozialisten machen den vorurteilsfreien Blick auf die eigene Kunst unmöglich. Die Kunsthistoriker der Nachkriegszeit mieden die belastete Fragestellung. Erst nach 1989 veröffentlichten Robert Suckale sowie Heinrich Klotz und Martin Warnke wieder Überblicksbände und mit den Beiträgen von Hans Belting, Jean Clair und Werner Hofmann wurde eine Kontroverse entzündet. Vor diesem veränderten Hintergrund wagt Volker Gebhardt eine erneute Annäherung aus der Sicht der jüngeren Generation. Sein analytischer Zugriff isoliert Einzelmotive, wie den 'Deutschen Wald' oder die 'Pietà als Andachtsbild', und Stilkonstanten, wie Gotik oder Rokoko, von größter Aussagekraft und verfolgt deren Wandlung und Geschichte. Von spätgotischen Pflanzengewölben und dem undurchdringlichen Dickicht in den Bildern eines Albrecht Altdorfer, zum Missbrauch als Ausdruck arischen Deutschtums im Nationalsozialismus bis in die kritische Wiederaufnahme der Nachkriegszeit durch Joseph Beuys und Anselm Kiefer sieht Gebhardt etwa die Entwicklung des Themas 'Wald' in der deutschen Kunst. Ohne den Anspruch auf endgültige Antworten gelingt es dem Autor - mit einem wachen Auge auf die Werke selbst wie durch die kritische Betrachtung der lange beiseite geschobenen deutschen Kunstgeschichte der Vorkriegszeit -, überraschende Querblicke zu eröffnen, die unser Verständnis der eigenen Kultur und unseren Umgang mit dieser auf ein neues Niveau hebt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Salto im Vorgarten der Kunstgeschichte
Volker Gebhardt sucht mit Eifer das Deutsche in der deutschen Kunst / Von Niklas Maak

Mit einer gewissen Verspätung hat die Einsicht, daß Skandale dem Verkauf von Büchern förderlich sind, auch die Kunstwissenschaft erreicht. Schon der Titel von Volker Gebhardts Schrift "Das Deutsche in der deutschen Kunst" suggeriert, das Buch sei die späte Antwort auf eine Frage, die Kurt Karl Eberlein 1934 mit seiner Schrift "Was ist Deutsch in der Deutschen Kunst?" stellte. Man beließ es nicht bei dem seltsamen Titel: Das Buch war noch nicht auf den Ladentischen, da gab Gebhardt schon im "Spiegel" ein Interview, das die Fachkollegen nicht nur durch finster entschlossene Geschmacksurteile verblüffte. Cranach? "All diese nackten Lucrezias", erklärte Gebhardt, "sind doch schrecklich. Das sind reine Wichsbilder." Trotzdem dürfe man fragen, "was eine deutsche Kunst" sei, "die qualitätvoll ist und die einen gewissen Stolz, einen Stolz ohne Hochmut, stützen kann?" Leider sei allerdings vieles in der deutschen Kunst "nicht besonders toll", etwa Caspar David Friedrich, dem "der Schwung eines Franzosen wie Delacroix" fehle; und so ging es munter weiter.

Angesichts solcher Schnellschüsse verwundert es um so mehr, daß es sich bei dem "Deutschen in der deutschen Kunst" trotz Titel und begleitendem Interview-Radau um eine in großen Teilen fundierte und interessante Rezeptionsgeschichte des Begriffs "Deutsche Kunst" handelt. Um ein Buch, das sich systematisch der Frage widmet, wann und warum etwas zur "spezifisch deutschen" Kunst erklärt wurde - und wie sich deutsches Nationalbewußtsein im zeitgenössischen Kunsturteil oder seinen stilistischen Zuschreibungen spiegelte. Gebhardt beginnt beim Bombardement der Kathedrale von Reims im Herbst 1914 durch die deutschen Truppen und den Folgen für die Kunstgeschichte. Émile Mâle schrieb unter dem Eindruck der Zerstörung von Reims ein wütendes Pamphlet, in dem es hieß, "der deutsche Künstler hat nie schaffen können, er hat immer nur nachzuahmen gewußt". Deutsche Kunsthistoriker hielten erbost die ottonisch-sächsische Buchmalerei dagegen, die in der französischen Kunst kein Pendant habe. Der erbitterte Bodenkampf um kleinste Terrainvorteile fand seinen Spiegel in der Kunstwissenschaft.

Gebhardt führt verschiedene "Phasen der Suche nach nationaler Identität" vor und zeigt, wie zunächst die Humanisten im Rückgriff auf die "Germania" des Tacitus das Deutsche als etwas Eigenes propagierten, wie die Reformation mit dem Deutschen polemisch gegen Rom argumentierte, wie schließlich um 1770 eine zweite "Selbstfindungswelle von intellektuellen Literaten" eingeleitet wurde, die sich vom europäischen Klassizismus abzusetzen versuchten. In materialreichen Kapiteln zur ottonischen Kunst und zur deutschen Romanik zeigt Gebhardt ihre europäischen Verflechtungen und Eigenheiten und widmet sich ihrer Rezeption als "Deutsche Stile". Ausgehend von Schnaases, Kuglers und Pinders Schriften zu Uta von Naumburg (unsere Abbildung) und dem Bamberger Reiter reflektiert der Kunsthistoriker die Entstehungsbedingungen von Kunstgeschichte. Interessant wird es immer dort, wo Gebhardt, klassisch ikonographisch argumentierend, die Wandelungen deutscher Pietà-Motive, die poltiisch motivierte "Umwidmung der Romanik zum deutschen Trotzstil" oder Projektionen staatlicher Repräsentationswünsche in der Kunst untersucht - das Bauernkriegspanorama von Frankenhausen als Selbstbildnis der DDR, das Kunstprogramm des Berliner Reichstags als Bild des wiedervereinigten Deutschlands.

Doch das Buch will mehr sein. Will eine Abrechnung mit einer ganzen Generation von Kunsthistorikern versuchen, die, "indem sie deutsche Kunst zur ,abendländischen' umwidmete", diese "ins Beliebige" verwässert habe. In der Folge Warburgs sei man "nonchalant über die nationalen Grenzen" hinweggegangen. Mit einer gewissen strategischen Böswilligkeit verschweigt Gebhardt, daß die inkriminierte Generation sehr akribisch regionale Besonderheiten in der deutschen und europäischen Kunst herausgearbeitet und nur auf die völkische Metaphysik des "typisch Deutschen" - als eines verbindenden Elements, das der Gemeinschaft aller Kunstschaffenden von Köln bis Cottbus eigen wäre - verzichtet hat.

Doch Gebhardt will im Unbehagen vor dem "Deutschen in der Deutschen Kunst" partout einen blinden Fleck des kunstgeschichtlichen Mainstreams ausgemacht haben. Als sei ihm nicht ganz wohl bei seiner These, zupft Gebhardt allerdings den Fehdehandschuh, den er mit großer Geste warf, sofort wieder vom Tisch und rettet sich zurück auf die Insel der Rezeptionsgeschichte. Ob es sinnvoll sei, die Frage nach dem Deutschen gar nicht mehr zu stellen, fragt er rhetorisch, um gleich darauf festzustellen, ihm ginge es keineswegs darum, herauszufinden, ob Werke oder Bildthemen "spezifisch deutsch" seien, sondern lediglich um die Frage, wann und aus welchen Gründen sie dazu erklärt wurden - eine Herangehensweise, für die gerade die zuvor harsch kritisierten Kunsthistoriker bekannt sind.

Und dann geht es schließlich doch um das Deutsche an sich. Bei der Suche orientiert sich Gebhardt an Nikolaus Pevsners "Englishness of English Art" von 1956. Daß die - auch von Panofsky analysierte - "Englishness" die Sehnsuchtsfolie einer Generation von Kunsthistorikern war, die nach 1933 ihre Heimat verloren hatten, thematisiert Gebhardt nicht. Statt dessen sucht er nach einem überzeitlich verbindenden Element in der deutschen Kunst - und findet " Abstraktion und und lineare Expression", die er fortan überall entdeckt, in der "denkbar schlichten, genial einfachen Würfelform" ottonischer Kapitelle genauso wie in der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts. Nun hat schon Werner Hofmann moniert, daß die Abstraktion im ottonischen Baustil möglicherweise andere Ursachen hat als das, was im Evangeliar Heinrichs des Löwen als solche erscheint, und es wären zahllose Beispiele für französische "Abstraktionsleistungen" zu nennen - aber mit solchen Nuancen hält sich Gebhardt nicht auf. So kommt am Ende wieder heraus, daß sich in verschiedenen Regionen Deutschlands zu bestimmten Zeiten spezifische Regionalstile entwickelten, die je nach geographischer und politischer Lage den niederländischen oder norditalienischen Stilen ähnlicher waren als anderen "deutschen" Parallelentwicklungen - und daß "das Deutsche in der Kunst" stets nur politisch motivierte Behauptung oder Programm war.

Wie schnell es mit der von Gebhardt eingeforderten neuen "Gelassenheit" in der Auseinandersetzung mit deutscher Kunst vorbei ist, zeigt sich, wo er auf Grünewalds Isenheimer Altar zu sprechen kommt. Über Heinrich Klotz' und Martin Warnkes "Geschichte der deutschen Kunst" klagt Gebhardt, die Verfasser flüchteten sich "in ikonographische Details, um dem Werk zu entkommen". Wie man sich diesem Werk seiner Ansicht nach sprachlich zu stellen hat, führt der Autor anschließend vor, und das Ergebnis macht ein wenig ratlos. "Der Altar steht wie ein erratischer Block in der europäischen Kunst", schreibt Gebhardt und feiert "die Einsamkeit dieses Gipfelmoments der Malerei", das ein "Hauptwerk deutscher Kunst" ist und "alle Aspekte deutscher Sehkultur" umfasse; "Erschütterung und Erhebung" stellten sich noch heute vor der "gewaltigen malerischen Gesamtanstrengung" ein. Die Erschütterung erschüttert auch den Stil des Verfassers: Der Altar, mit dem Grünewald "die Summe aus dem deutschen Andachtsbild zog", ist, noch mal, "ein Hauptwerk deutscher Kunst", das sich, darin offenbar einem guten Fußbodenbelag vergleichbar, "auch bei vielen Besuchen im Colmarer Museum nicht abnutzt".

Der sprachlich schwer gebeutelte Altar wird solange in Superlativen paniert und mit Ergriffenheitsnoten beklebt, bis man keine blasse Vorstellung mehr hat, worin seine Qualität liegen könne; ein rhapsodisch wiederholtes "wir" verpflichtet statt dessen den Leser auf ein kollektives Kunstberauschungserlebnis, bei dem er gefälligst mitzumachen hat: "Gerne verweigern wir uns heute dem Begriff des Genialen . . . um so mehr, als wir nicht umhin können, dem Werk hinter vorgehaltener Hand etwas Genialisches zuzugestehen . . . Wir überziehen einen Künstler mit Skepsis" - und so weiter.

Nach dem endlosen Superlativgewirbel ist man jedenfalls heilfroh, anderswo eine trockene ikonographische Analyse des Altars zu lesen, bei der die Sprache das Werk nicht einnebelt, sondern erklärt. Gebhardt beherrscht, wie viele erhellende Passagen seines Buchs zeigen, auch die ikonographisch präzise Analyse. In der Rolle des ergriffenen Revolutionärs seines Faches, der die deutsche Kunstgeschichte in neue, gelassenere Bahnen lenkt, ist er eher eine Fehlbesetzung.

Volker Gebhardt: "Das Deutsche in der deutschen Kunst". Dumont Buchverlag, Köln 2004. 511 S., Abb., geb., 58,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Zwiegespalten ist Niklas Maak angesichts dieses Buches, das den Skandal im Titel schon sucht und dessen Autor sich im Spiegel-Interview nicht zu schade war, Cranachs Lukrezias als "reine Wichsbilder" zu bezeichnen. Angesichts dieser wenig erfreulichen Begleitumstände kommt dem Rezensenten das Buch dann zunächst schon fast überraschend seriös vor, nämlich als "in großen Teilen fundierte und interessante Rezeptionsgeschichte des Begriffs 'Deutsche Kunst'". Schwierig wird es nach "materialreichen" Kapiteln zur ottonischen Kunst und zur deutschen Romanik erst wieder da, wo Gebhardt den Streit mit "einer ganzen Generation von Kunsthistorikern" sucht, die das Deutsche übergangen hätten. Konsequent ist Gebhardt, so Maak, jedoch auch dabei nicht. Er ziehe sich doch wieder "auf die Insel der Rezeptionsgeschichte" zurück. Ganz unerträglich wird es für den Rezensenten freilich, wenn Gebhardt eine Hymne auf den Isenheimer Altar verfasst, die offenkundig ins unfreiwillig Komische kippt. Daneben gebe es durchaus immer wieder "Erhellendes", das Urteil bleibt bis zuletzt sehr zwiespältig.

© Perlentaucher Medien GmbH"