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Diese Geschichte Deutschlands im Ersten Weltkrieg bietet eine ausführliche Darstellung der letzten Jahre des Wilhelminischen Reichs. Der Band untersucht die militärischen Aspekte der Kriegführung, die Entwicklung der Diplomatie und der Reichspolitik, die Rolle des Staates und die industrielle Mobilmachung, aber er zeichnet auch ein ungewöhnlich facettenreiches Bild vom Leben innerhalb Deutschlands: Er schildert die weitreichenden Folgen des Krieges für arm und reich, jung und alt, Männer und Frauen, Landbevölkerung und Städter, Protestanten, Katholiken und Juden. Die wachsende Kriegsnot wird…mehr

Produktbeschreibung
Diese Geschichte Deutschlands im Ersten Weltkrieg bietet eine ausführliche Darstellung der letzten Jahre des Wilhelminischen Reichs. Der Band untersucht die militärischen Aspekte der Kriegführung, die Entwicklung der Diplomatie und der Reichspolitik, die Rolle des Staates und die industrielle Mobilmachung, aber er zeichnet auch ein ungewöhnlich facettenreiches Bild vom Leben innerhalb Deutschlands: Er schildert die weitreichenden Folgen des Krieges für arm und reich, jung und alt, Männer und Frauen, Landbevölkerung und Städter, Protestanten, Katholiken und Juden. Die wachsende Kriegsnot wird deutlich, gleichzeitig auch der Widerstand gegen eine Fortsetzung des Schlachtens und die Stärkung der politischen Opposition.
Ein Buch für alle, die sich nicht nur für den Ersten Weltkrieg, sondern auch für die Wechselbeziehungen zwischen Krieg und Gesellschaft interessieren.
Autorenporträt
Roger Chickering lehrt als Professor am BMW Center for German and European Studies an der Georgetown University in Washington DC. Seine Hauptinteressen gelten dem deutschen Kaiserreich und der europäischen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Rückhaltlose Steigerung
Deutschland im Ersten Weltkrieg / Von Wolfgang J. Mommsen

Roger Chickering gehört in den Vereinigten Staaten unzweifelhaft zu den besten Kennern der jüngeren deutschen Geschichte. Nun wird seine Untersuchung "Imperial Germany and the Great War" auch in einer deutschen Übersetzung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Gesamtdarstellungen über den Ersten Weltkrieg, die sich auf dem Niveau des gegenwärtig nahezu unüberschaubar gewordenen Forschungsstandes bewegen, gibt es nur sehr wenige. In dieser Hinsicht schließt der handliche Band eine Lücke. Er besticht darüber hinaus durch die ausgewogene Präsentation der politischen Vorgänge und der militärischen Ereignisse, der ökonomischen und sozialen Verhältnisse sowie der Rolle der gesellschaftlichen Gruppen.

Chickering hält sich nicht lange mit den Ursprüngen des Ersten Weltkrieges auf, die Analyse der diplomatischen Verwicklungen ist nicht seine Sache. Statt dessen beschreibt er die nationalistischen Massenstimmungen in Deutschland bei Kriegsbeginn. Ungeachtet zahlreicher Gegenstimmen herrschte anfänglich weithin Kriegsbegeisterung vor - allerdings verbunden mit der Erwartung, daß der Krieg zu einer raschen Entscheidung führen werde. Damit ist Chickering sogleich beim Schlieffen-Plan und seinem Scheitern. Ende 1914 stellte sich die schreckerregende Erkenntnis ein, daß sich der Krieg über Jahre hinstrecken könnte. Damit änderten sich die Qualität und das Szenario des Krieges.

Nicht geniale strategische Operationen, sondern die Fähigkeit zur optimalen Mobilisierung der wirtschaftlichen Ressourcen sowie der Finanzierung einer immer gewaltigeren Kriegsmaschine wurde kriegsentscheidend, und in dieser Hinsicht hatten die Mittelmächte von vornherein die schlechteren Karten. Demgemäß behandelt Chickering vor allem die inneren Verhältnisse, insbesondere die Organisation der Rüstungsproduktion sowie das zunehmend unlösbarere Problem der Versorgung der Armee und der Zivilbevölkerung mit Nahrungsmitteln und Versorgungsgütern. Dabei verweist er auf die bürokratischen Hemmnisse, die dem effizienten Handeln der Staatsbehörden im Wege standen.

Seit 1916 wurde der Weltkrieg, so Chickerings These, zu einem totalen Krieg, und zwar in dem Sinne, daß nunmehr die rückhaltlose Steigerung der Kriegsanstrengungen auf allen Ebenen der Gesellschaft auf der Tagesordnung stand. Dies wurde durch zwei fundamentale Ereignisse signalisiert: die Berufung Paul von Hindenburgs und Erich Ludendorffs in die Oberste Heeresleitung und das sogenannte "Hindenburg-Programm" vom Frühherbst 1916. Dieses hatte die Mobilisierung der gesamten Bevölkerung für den Kriegseinsatz sowie eine Verdreifachung der Rüstungsproduktion unter weitgehender Zurückschneidung der sogenannten Friedensindustrien zum Ziel. Gleichwohl war Deutschland von einer Militärdiktatur noch weit entfernt. Der Fehlschlag des "Hindenburg-Programms" zeigte die Grenzen der Möglichkeiten, aus der deutschen Wirtschaft, die durch die Seeblockade der Alliierten schwer beeinträchtigt war, die Produktionsleistungen herauszuholen, ohne die der Krieg auf Dauer nicht zu führen war.

Für die Kriegsmoral der Bevölkerung war kurzfristig gesehen vielleicht noch entscheidender, daß der im Januar 1917 schließlich doch noch eröffnete unbeschränkte U-Boot-Krieg zwar große Versenkungsziffern erbrachte, aber nicht den erwarteten kriegsentscheidenden Beitrag zu den militärischen Operationen - ein Gesichtspunkt, der vielleicht noch eine stärkere Berücksichtigung hätte finden können. Alle propagandistischen Anstrengungen, unter weitgehender Indienstnahme der meinungsführenden Eliten, einschließlich der Kirchen, Künstler und Literaten, konnten fortan die Kriegsmoral an der Heimatfront, aber auch der Frontsoldaten nicht mehr aufrechterhalten.

Insofern ist es überzeugend, daß Chickering sein besonderes Augenmerk der Entwicklung in der zweiten Hälfte des Krieges zuwendet, unter der bestechenden Formel: "Der Krieg betrifft alle". Er zieht zu diesem Zweck vor allem die materialreichen Untersuchungen der sogenannten Carnegie-Reihe aus den zwanziger und dreißiger Jahren heran, obschon letztere ein wenig veraltet sind und zu einer Überbewertung der langfristigen schädlichen sozialen Auswirkungen des Krieges neigen. Insgesamt vermittelt Chickering ein informatives Bild der Lage der gesellschaftlichen Gruppen während des Krieges. Die Rolle der sozialistischen Linken als Träger der Kriegsgegnerschaft wird allerdings überbewertet; die Januar-Streiks 1917 waren in erster Linie ausgelöst durch die Enttäuschung gerade auch der gemäßigten Gruppen der Arbeiterschaft über die Ergebnislosigkeit der Friedensverhandlungen in Brest Litowsk. Etwas problematisch sind die quantitativen Analysen des Epilogs, die, wie Chickering selbst einräumt, auf ungesicherten statistischen Daten beruhen; sie legen eine mechanistische Interpretation des historischen Prozesses nahe, die eigentlich nicht Chickerings Sache ist.

Einzelne Mängel sind vor allem der Übersetzung zuzuschreiben, wie die unglückliche Verwendung des Begriffs "Kommandant" auf Ludendorff und Hindenburg. Die Sommeroffensive war ein Beispiel höchst blutiger Offensivkriegsführung. Jedoch fielen nicht 60 000, sondern "nur" 30 000 britische Soldaten während der ersten Angriffswelle.

Roger Chickering: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg. Verlag C. H. Beck, München 2002. 292 Seiten, 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Dieses Buch war "lange überfällig", stellt Wolfgang Kruse begeistert fest. Dem amerikanischen Historiker Roger Chickering sei es gelungen, ein "schmales Taschenbuch" in ein Standardwerk über den ersten Weltkrieg zu verwandeln. Angesichts der Fülle der Publikationen zu diesem Thema verblüfft den Rezensenten, dass der Autor kultur- und erfahrungsgeschichtliche Forschung mit politik- und sozialgeschichtlicher Forschung "souverän" und durchweg wissenschaftlich überzeugend verbindet. Und gleichzeitig, schwärmt der Rezensent, erzähle Chickering auch noch eine "packende" wie "verstörende" Gesellschaftsgeschichte der Jahre 1914 bis 1918. Doch trotz dieses großen Lobs übt Kruse auch Kritik: Die revolutionären Strömungen gerade am Ende des Krieges, die letztlich mit dazu beigetragen hätten, eine Monarchie in eine Demokratie zu überführen, kämen leider zu kurz. Auch die Übersetzung von Simone Ameskamp findet der Rezensent nicht immer gelungen.

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