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Das Deutsche Theater in Berlin, im Revolutionsjahr 1848 gegründet, erlangte unter seinem Direktor und Regisseur Max Reinhardt Weltruhm. Anläßlich von Max Reinhardts 125. Geburtstag erscheint eine Dokumentation der wechselvollen Geschichte des Hauses, ein prachtvoller Bild-Textband mit vielen, z. T. bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten.

Produktbeschreibung
Das Deutsche Theater in Berlin, im Revolutionsjahr 1848 gegründet, erlangte unter seinem Direktor und Regisseur Max Reinhardt Weltruhm. Anläßlich von Max Reinhardts 125. Geburtstag erscheint eine Dokumentation der wechselvollen Geschichte des Hauses, ein prachtvoller Bild-Textband mit vielen, z. T. bisher unveröffentlichten Fotos und Dokumenten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2000

Vom Bretterstadl zum Olymp
Auch die Geschichte führt am Deutschen Theater Regie

Wenn es um theatergeschichtliche Identifikation geht, teilt sich Berlin noch immer in zwei Hälften. Jede von ihnen hat ihren eigenen Mythos vom Olymp der Schauspielkunst, vom Hort dramaturgischer Weisheit. Wie bei allen Mythen liegt der Ursprung in der Vergangenheit, sein Fortbestehen in der Gegenwart aber kann am Leuchten der Augen, am Schwärmen der Stimme festgestellt werden, die sich einstellen, sobald von einem der beiden Kunstheiligtümer die Rede ist. Natürlich teilt sich auch der Mythenhimmel in Ost und West: Was für den Westen die Schaubühne, das ist für den Osten das Deutsche Theater. Doch während die Schaubühne das Theater einer Generation war, ihr Aufstieg und Fall das Schicksal der Achtundsechziger widerspiegelt, hat das Deutsche Theater eine längere Tradition.

In erhabenem Weiß, vor nächtlich schwarzem Himmel von Scheinwerfern illuminiert, erglänzt die klassizistische Fassade des Hauses auf dem preußischblauen Umschlag. Das Buch strahlt wie sein Gegenstand Solidität aus. Und doch führt der Gang durch die Geschichte vom Bretterhaus zum Olymp, von der Hölle zum Himmel, durch die Welt des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, zweier Kriege und zweier Diktaturen. Bretterhaus und Hölle freilich zählen, wie sich das für gutbürgerliche Häuser gehört, zur Vorgeschichte.

Im Garten des 1842 eröffneten "Friedrich-Wilhelmstädtischen Casinos", eines Restaurants, wo im Sommer "italienische Nächte" veranstaltet werden, eröffnet der Sohn des Restaurateurs Friedrich Wilhelm Deichmann 1848 ein Sommertheater. Das Unternehmen ist so erfolgreich, dass es mit polizeilicher Genehmigung noch im selben Jahr zu einem geschlossenen, hölzernen und heizbaren Wintertheater umgebaut wird. Vom Geschäftssinn und Theaterenthusiasmus beflügelt, sucht der Unternehmer schon im nächsten Frühjahr um die Konzession für ein festes Wintertheater nach. Bereits im Mai 1850 ist das Gebäude fertig, von dem die Presse schreibt: "Das Opernhaus mit allen seinen glänzenden und bequemen Einrichtungen scheint wie durch Zauber in einen Garten der Friedrich-Wilhelmstadt versetzt zu sein."

Als 1859 die "Bouffes Parisiennes" mit ihrem musikalischen Leiter Jacques Offenbach in Berlin gastieren, ist Deichmann so begeistert, dass er sich die Erstaufführungen aller zu erwartenden Werke des noch unbekannten Komponisten für Berlin sichert. Der erste große Erfolg ist 1860 "Orpheus in der Hölle". Erst später wurde aus Offenbachs Operette "Orpheus in der Unterwelt" und aus dem Theater das "Deutsche Theater". Das Operettenhaus, als das Adolph L'Arronge das Theater übernommen hatte, wurde so zum seriösen Schauspielhaus. Der Plan ging auf Siegwart Friedemann und Friedrich Haase zurück, beides Schauspieler, die für ihre Kunst ein eigenes Haus nach französischem Vorbild haben wollten. Aber das Théâtre français war eine staatliche Institution, während sich in Berlin eine Konkurrenz zum konservativen Hoftheater nur privatwirtschaftlich etablieren konnte. Um Kapital aufzubringen, wurde eine Art Aktiengesellschaft gegründet, die "Schauspieler-Sozietät". Unter Leitung von Adolph L'Arronge wurde im September 1883 das Deutsche Theater mit Schillers "Kabale und Liebe" eröffnet.

Josef Kainz und Ludwig Barnay, die bei dieser Eröffnungspremiere mitspielten, waren die ersten in einer Reihe von legendären Schauspielern, die den Ruhm der Bühne begründeten. Dazu zählt auch Elisabeth Bergner, die 1924 unter der Regie Max Reinhardts die Titelrolle in George Bernhard Shaws Stück "Die heilige Johanna" übernahm. Die Schauspielerin konnte nach Jahren des Exils nur voller Rührung daran zurückdenken: "Was ich dort gesehen und erlebt habe an Schauspielkunst . . . und wie mein eigener Standard davon genährt und geformt wurde - an all das kann ich mich scheinbar nicht trockenen Auges erinnern. Dabei habe ich noch keinen der Namen genannt, die hier gemeint sind. Bassermann, Steinrück, Moissi, Wegener, Krauss, Durieux, Eysoldt, Höflich, Triesch etc. etc. Und der Eine, Eine Name, in dem sie alle eingeschlossen bleiben: Max Reinhardt."

Bei einem Theater mit über hundertjähriger Tradition bedarf es solcher Erinnerungen, um historische Brücken zu schlagen. Denn der Titel des Buches verheißt zwar "Eine Geschichte in Bildern", doch tatsächlich macht das Bildmaterial, vor allem Szenenfotos der berühmten Schauspieler, weniger als ein Drittel des Bandes aus. Die restlichen zwei Drittel teilen sich Quellen und ein fortlaufender Text des Autors Alexander Weigel. 1935 geboren, hat er die große Zeit des Deutschen Theaters unter der Direktion Max Reinhardts ebenso wenig erlebt wie die Aneignung des Privattheaters durch die Nationalsozialisten. Mitte der sechziger Jahre wird aus dem Autor ein Zeitzeuge, denn Alexander Weigel ist seit 1964 am Deutschen Theater als Dramaturg engagiert. Bei allem Bemühen um historische Objektivität ist das im Text zu spüren: Während noch die Auswirkungen des Kalten Krieges auf das Nachkriegstheater aus Kritiken und Zeitungsberichten rekonstruiert sind, ist die Darstellung der Zeit seit 1963 eine Abrechnung mit der Kulturpolitik der SED, die durch genaue Faktenkenntnis gestützt wird.

Aufschlussreich ist die Passage über das Ende der 1947 begonnenen Intendanz Wolfgang Langhoffs: "Langhoffs Inszenierung von Peter Hacks' ,Die Sorgen und die Macht' (2. Oktober 1962) unterstellt man wegen darin enthaltener Kritik an kleinen Funktionären einen Angriff auf die ,führende Rolle der Partei'. Die Inszenierung wird vom Ensemble verteidigt. In einem pseudodemokratischen, vom ZK und der Bezirksleitung der SED ganz nach stalinistischem Muster gelenkten Verfahren werden die Parteimitglieder des Theaters - unter ihnen auch prominente Schauspieler - so lange bearbeitet, bis sie, teils von ,Parteidisziplin' und Opportunismus, teils von Sorge um das Theater und Langhoff übermannt, in ihrer überwältigenden Mehrheit die Absetzung der Inszenierung beschließen."

Die Hoffnung, damit den Intendanten aus der Schusslinie gebracht zu haben, erfüllte sich nicht: "Der Hinauswurf wird als Rücktritt aus Krankheitsgründen getarnt", erklärt Weigel und kann sich dabei auf die als Quellen abgedruckten Dokumente der Kulturabteilung des ZK über ein Gespräch "mit dem Genossen Langhoff" im Februar 1963 stützen: "Als wir den Genossen Langhoff darauf aufmerksam machten, dass wir nicht den Weg der Fehlerdiskussion gehen, sondern Fehler im Vorwärtsschreiten überwinden, antwortete Langhoff, Lenin habe gesagt, man müsse dem Volk die ganze Wahrheit sagen." Die Berufung auf den Klassiker des Marxismus-Leninismus hat Langhoff nichts genutzt, im selben Jahr musste er demissionieren.

Die letzte Ära beginnt nach der Renovierung zur Hundertjahrfeier und reicht von 1984 bis 1998, die historische Epocheneinteilung gibt sich dabei ebenso unberührt vom Zeitensprung der Wende wie das Ensemble des Deutschen Theaters. Um dieses Ensemble zu verstehen, um das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Staatstheateranspruch und kritischem Geist zu begreifen, das bei jeder Aufführung fortgesetzt wurde, muss man das Buch von hinten beginnen. Es ist dann ein spannendes Werk für Theaterbegeisterte auf beiden Seiten des geteilten Himmels.

FRANK BUSCH

Alexander Weigel: "Das Deutsche Theater. Eine Geschichte in Bildern". Propyläen Verlag, Berlin 1999. 400 S., geb., 98,- DM.

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