Auf einer umfassenden Quellenbasis setzt sich Martin Schramm erstmals ausführlich mit der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges und seinem Ablauf aus der Sicht der britischen Presse auseinander. Dabei tritt zunächst ein zunehmend positives Bild Deutschlands in den beiden Jahren vor Kriegsausbruch zutage. Es bedurfte dann nicht unwesentlicher Eingriffe von Seiten der Politik, um den Widerstand vieler Zeitungen in der Julikrise 1914 zu brechen und auf den Regierungskurs einzuschwören. Die massiven Propagandaanstrengungen der Briten im Ersten Weltkrieg werden erst verständlich, wenn deren Zustandekommen und die Zielsetzung klar sind: So setzte bereits kurz nach Kriegsbeginn eine an die Kreuzzüge erinnernde Kampagne in der Öffentlichkeit ein, an deren Ende die völlige Unterwerfung des unmenschlichen Kaiserreiches stehen sollte. Damit wurde nicht nur der Rückhalt für den Diktatfrieden von Versailles geschaffen, sondern auch die Basis für das langanhaltende und immer aufs neue aufbrechende Misstrauen zwischen den beiden Völkern.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.04.2007Propagandadirektor
Die britische Presse war nicht immer schon deutschfeindlich
Für ihre Macht und ihren Skandalhunger ist die britische Presse berüchtigt. Wohl in keinem anderen europäischen Land haben Zeitungsimperien auf politische und gesellschaftliche Prozesse so Einfluss nehmen können wie in England. Martin Schramm zeigt, dass dies eine lange Tradition hat. Lord Northcliffe etwa, der Massenblätter schuf, seit 1908 die Times besaß und 1918 „Director of Propaganda” wurde, beherrschte wie kein anderer in seiner Zeit die britische Zeitungslandschaft. Noch der deutsche Kaiser soll in seinem Exil neidisch das politische Gewicht dieses britischen Pressezaren anerkannt haben. Schramm zufolge aber sind, anders als bisher angenommen, die deutsch-britischen Beziehungen unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg vergleichsweise gut gewesen und so auch von der zeitgenössischen britischen Presse dargestellt worden. Erst nach 1914 habe sich das Bild unverzüglich und dramatisch gewandelt.
Insbesondere die yellow press, aber auch seriöse Tageszeitungen konnten demnach für den Umschwung zu einer antideutschen Stimmung in ganz Großbritannien verantwortlich gemacht werden. Die Heimatfront sei in einem Maße mobilisiert worden, dass es in der Zwischenkriegszeit nicht verwunderlich war, wie lange die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ressentiments anhielten. Wenn die heutige Presse sich nicht mehr so leicht auf einen Regierungskurs einschwören lässt wie seinerzeit, hat das sicher auch mit einem veränderten Begriff der öffentlichen Meinung zu tun. Aber in einer Zeit massiver internationaler Propagandaanstrengungen ist es ein perspektivenreicher Befund, dass die britische Presse trotz Krüger-Telegramm und Daily-Telegraph-Affäre zumindest nicht gleich auf einen germanophoben Kurs einschwenkte. Die Pointe von Schramms These ist nicht nur, wie spät der Erste Weltkrieg ausgebrochen sei, sondern dass die Presse die Bevölkerung gar nicht auf ihn vorbereitet habe. BENEDIKT STUCHTEY
MARTIN SCHRAMM: Das Deutschlandbild in der britischen Presse 1912-1919. Akademie Verlag, Berlin 2007. 598 Seiten, 69,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die britische Presse war nicht immer schon deutschfeindlich
Für ihre Macht und ihren Skandalhunger ist die britische Presse berüchtigt. Wohl in keinem anderen europäischen Land haben Zeitungsimperien auf politische und gesellschaftliche Prozesse so Einfluss nehmen können wie in England. Martin Schramm zeigt, dass dies eine lange Tradition hat. Lord Northcliffe etwa, der Massenblätter schuf, seit 1908 die Times besaß und 1918 „Director of Propaganda” wurde, beherrschte wie kein anderer in seiner Zeit die britische Zeitungslandschaft. Noch der deutsche Kaiser soll in seinem Exil neidisch das politische Gewicht dieses britischen Pressezaren anerkannt haben. Schramm zufolge aber sind, anders als bisher angenommen, die deutsch-britischen Beziehungen unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg vergleichsweise gut gewesen und so auch von der zeitgenössischen britischen Presse dargestellt worden. Erst nach 1914 habe sich das Bild unverzüglich und dramatisch gewandelt.
Insbesondere die yellow press, aber auch seriöse Tageszeitungen konnten demnach für den Umschwung zu einer antideutschen Stimmung in ganz Großbritannien verantwortlich gemacht werden. Die Heimatfront sei in einem Maße mobilisiert worden, dass es in der Zwischenkriegszeit nicht verwunderlich war, wie lange die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ressentiments anhielten. Wenn die heutige Presse sich nicht mehr so leicht auf einen Regierungskurs einschwören lässt wie seinerzeit, hat das sicher auch mit einem veränderten Begriff der öffentlichen Meinung zu tun. Aber in einer Zeit massiver internationaler Propagandaanstrengungen ist es ein perspektivenreicher Befund, dass die britische Presse trotz Krüger-Telegramm und Daily-Telegraph-Affäre zumindest nicht gleich auf einen germanophoben Kurs einschwenkte. Die Pointe von Schramms These ist nicht nur, wie spät der Erste Weltkrieg ausgebrochen sei, sondern dass die Presse die Bevölkerung gar nicht auf ihn vorbereitet habe. BENEDIKT STUCHTEY
MARTIN SCHRAMM: Das Deutschlandbild in der britischen Presse 1912-1919. Akademie Verlag, Berlin 2007. 598 Seiten, 69,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
"Dem Verfasser [ist] hoch anzurechnen, dass er ein sehr amorphes Thema an vielen Beispielen konkretisiert hat." Michael Fröhlich in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik, 35. Jg. (2007), Heft 3/4 "Dem Verfasser ist eine differenzierte Darstellung gelungen, die nicht nur die allgemeinen Trends in der Berichterstattung herausarbeitet, sondern auch abweichende Positionen angemessen berücksichtigt und damit eine Fülle instruktiver Einsichten bietet." Daniel Gossel in: Das Historisch-Politische Buch, 55. Jg. (2007), Heft 5 "Insgesamt haben wir es hier also mit einer eminent wichtigen Arbeit zu tun. [...] Trotz, oder gerade wegen, seines erheblichen Umfangs sei das Buch zum Studium empfohlen." Dirk Nottelmann in: Hamburger Rundbrief - Zeitschrift für Schiffsliebhaber, Heft 3/2007 "Die Stärke der vorliegenden Arbeit besteht zweifellos in der Quellenfülle, die vom Autor gesichtet und bearbeitet wurde. Wer sich mit der medialen Repräsentation des Ersten Weltkrieges sowie seines unmittelbaren Umfeldes beschäftigt, wird einen reichhaltigen Fundus an Berichten und Kommentaren aus den unterschiedlichen britischen Pressemilieus vorfinden." Florian Keisinger in: H-Soz-u-Kult, 18. Januar 2008 "Der Untersuchung von Martin Schramm kommt besondere Bedeutung zu, denn sie befasst sich mit einem DSachverhalt, der in den Analysen des "Zweiten Dreißgjährigen Krieges" regelmäßig zu kurz kommt. [...] [Eine] ausgezeichnete Arbeit Schramms." Karlheinz Weißmann in: Sezession, Heft 24, Juni 2008 "[E]ine beeindruckende quellenbasierte Studie über das Deutschlandbild vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg. [...] Schramms Arbeit ist zwar mit ihren fast 600 Seiten sehr umfangreich, durch die detaillierten Quellenbezüge, die regelmäßigen Zwischenbilanzen und die Bilddokumentation erhellt sie jedoch ein bisher als Desiderat geltendes Thema. Hintergründe, Beziehungsgeflechte sowie Ursachen und Wirkung werden klar dargestellt und bisherige Forschungsmeinungen zum Teil in Frage gestellt."Stephan Theiling in: Militärgeschichtliche Zeitschrift, 67. Jg., 2008, Heft 1 "Schramm weist [...] in seiner Dissertation durch ein fundiertes Studium der britischen Presse nach, dass dies tatsächlich Jahre der 'Entspannung' waren und widerlegt damit die verbreitete These, die britischen Zeitungen hätten den Krieg herbeigeschrieben." Thomas Birkner in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, Bd. 10 (2008) "Es ist erfreulich, dass nun eine auf breiter Quellenbasis basierende Untersuchung vorliegt, die kaum einen Aspekt des Deuschlandbildes auslässt. [...] Presseartikel [werden] endlich als historische Quellen ernst genommen." Andreas Steinsieck in: Neue Politische Literatur, 53 (2008) 1 "The real strength of this book clearly lies in Schramm's positivist account of how the British media covered Anglo-German relations and Germany." Thomas Weber in: H-Net, Juni 2009